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Deutscher Craig Venter

Mikrobiologie. - Der durch die Entzifferung des menschlichen Genoms bekannt gewordene US-amerikanische Biotechnologe Craig Venter will künstliches Leben schaffen. Die ersten Schritte hat er getan, nun wartet alle Welt gespannt auf Nachrichten aus seinem Labor. Aber auch in Deutschland sollen neuartige, synthetische Bakterien entstehen. Auch wenn man hierzulande nicht so gern von "künstlichem Leben" spricht.

Von Michael Lange |
    Vitor Martins dos Santos leitet eine Forschergruppe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Er und seine Kollegen erforschen Bakterien der Gattung Pseudomonas. Das sind Allerweltskeime, die im Boden, im Wasser, aber auch im Menschen vorkommen. Um die Bakterien besser kennen zu lernen, wurde ihr Erbgut vollständig sequenziert. Aber die Aussagekraft der Genom-Sequenz ist begrenzt, betont Vitor Martins dos Santos.

    "Die Sequenzierung von einem Genom, das ist nur eine Liste von Bausteinen. Dann braucht man natürlich einen Bauplan; und diesen Bauplan gibt es nicht. Deshalb benutzt man mathematische Modelle oder sehr viele Experimente. Mit unterschiedlichen Ansätzen versucht man, diesen Bauplan zu erstellen."

    Das ist wie bei einem Auto, nur komplizierter, erklärt Vitor Martins dos Santos. Ein Auto auseinander zu nehmen und in seine Einzelteile zu erlegen, ist vergleichsweise einfach. Aber einen Konstruktionsplan zu erstellen, nach dem das Auto zusammengebaut werden kann, das erfordert die besten Ingenieure und heutzutage natürlich Computerhilfe. Martins dos Santos:

    "Wenn man ein Auto baut, dann erstellt man das Auto zuerst im Computer. Alle Teile eines Autos. Und am Ende sieht man: Welches sind die besten Kombinationen? Und wie passt alles am besten zusammen? Und dann wird das Auto gebaut."

    Die Bakterienkonstrukteure in Braunschweig sind dabei, einzelne Teile des Lebewesens Pseudomonas im Computer zu simulieren. Ihr erster Eindruck: Vieles ist komplizierter, als es sein müsste. Die Biologie schleppt Informationen mit sich herum, Gene, die sie im Alltag gar nicht braucht. In Extremsituationen jedoch könnten sie wichtig werden, überlebenswichtig. Martins dos Santos:

    "Diese vielen Gene geben dem Bakterium die Möglichkeit in vielen verschiedenen Umwelten zu leben, sehr viele Stoffe abzubauen, sehr viele Stoffe zu produzieren und so weiter. Aber im Prinzip braucht es das alles nicht zu jeder Zeit. Deshalb versucht man, einen Teil von diesem Genom wegzuschmeißen, so dass man das Genom von diesen Bakterien sozusagen vereinfacht."

    Die Idee dahinter ist einfach: Bakterien in einem Bioreaktor leben in einer gleichförmigen Umwelt. Die Gene, die sie auf alle Eventualitäten des Lebens vorbereiten, sind für sie nur Ballast. Biotechnologen wünschen sich einfache kleine Produzenten von bestimmten Biomolekülen, die sich nur auf eine Aufgabe konzentrieren. Vereinfachte, synthetische Bakterien müssten also im Bioreaktor ihren natürlichen Vorbildern überlegen sein – was ihre Produktionsleistung angeht.
    Vitor Martins dos Santos will also vereinfachte Formen bereits existierender Lebewesen konstruieren. Die Arbeit beginnt mit einem komplexen Pseudomonas-Bakterium, bei dem immer mehr Gene entfernt werden – bis eine Lebensform entsteht, wie sie die Natur nicht kennt. Künstliches Leben wäre das aber nicht – so Vitor Martins dos Santos.

    "Künstliches Leben, das gibt es im Prinzip nicht, denn Leben ist per Definition nicht künstlich. Denn die Bakterien sind da, und sie haben Millionen Jahre gebraucht, um zu sein, was sie jetzt sind. Und was man macht bei diesen synthetischen Biologie-Ansätzen ist, dieses Leben oder diese Evolution zu beschleunigen in eine bestimmte Richtung. Aber künstliches Leben ist das nicht."

    Im Unterschied zu den Braunschweiger Mikrobiologen will der US-Biotechnologe Craig Venter ein Lebewesen selbst zusammen bauen, im Labor. Auch er verwendet künstliche Vorbilder, will aber die Bauteile ohne Hilfe der Natur zusammen fügen. Ob das dann synthetische Nachahmung der Biologie ist? Oder die Schaffung künstlichen Lebens? Dieser feine Unterschied spielt für Craig Venter keine Rolle. Er will und wird der erste sein, der ein künstliches Lebewesen präsentiert. Auch wenn Vitor Martins dos Santos mit seiner vereinfachten Version von Pseudomonas-Bakterien schneller fertig sein sollte, den Titel als Schöpfer künstlichen Lebens will er dem Pionier aus den USA nicht streitig machen.