So kann sich das anhören wenn man morgens die Zeitung aufschlägt. Eine gute Karikatur - und der Tag ist der Freund. Man möchte ja auch das turbulente und miese Weltgeschehen nicht immer in seiner tragischen Reichweite jeden morgen zur Kenntnis nehmen - so ein leichter entlastender Lacher ist da schon der bessere Start in den Tag. Es kann sich aber auch so anhören, dann ist das Lachen im Halse stecken geblieben.
"Manchmal ist es auch so, dass man einen ganzen Moment lang lacht und es bleibt überhaupt nichts stecken und man geht heiter in den Tag."
Alle Reaktionen sind möglich und gewünscht - auf Karikaturen - von denen, die sie machen. Wie Klaus Stuttmann, dem Gewinner der Goldenen Karikaturenpreises
"Und im besten Fall will ich erreichen, dass die Leute drüber reden, drüber diskutieren."
Über das Elend dieser Welt - so heißt seine Karikatur. An einem Schlauchboot voller Flüchtlinge rast eine Yacht vorbei - mit Steuerflüchtlingen an Bord.
Björn Kanebogen: "Eine Karikatur ist immer noch wichtig, denn es gibt immer noch Ungerechtigkeit in der Welt und es gibt Menschen, die Macht ausüben und denen sollte man einen Spiegel vorhalten und eine Karikatur kann dieses leisten."
Auch Olympia wird karikiert
AD - Björn Kanebogen ist dritter Preisträger, mit einer Karikatur, auf der er die fünf olympischen Ringe mit fünf Reagenzgläsern ausgetauscht hat - und jeder weiß sofort - es sind die Dopingspiele, die hier angeprangert werden. Eine gute Karikatur - weil eine gute Karikatur ist:
"Wenn sie eine politische Wahrheit enthält und trotzdem einen Hintergedanken hat. Also wenn sie eine kleine Geschichte erzählt und das Ganze muss schnell erkannt werden."
Für diese große Kunst wird seit 16 Jahren nun der Deutsche Karikaturenpreis verliehen - der geflügelte Bleistift.
Bernd Gieseking: "Das Motto in diesem Jahr - bis hierher und weiter - passt natürlich in diese Zeit. Passt natürlich wie Faust auf's Auge, oder?"
Kalkulierte Grenzüberschreitung
Wobei ja eigentlich das Motto und weiter das Meta-Thema jedes Karikaturisten ist, denn ihr Job ist die kalkulierte Grenzüberschreitung. Sich nicht den Stift verbiegen lassen, oder besser, abbrechen.
Stuttmann: auch wenn es leider dazu geführt hat auch, dass die Leute viel schneller beleidigt sind - also beinahe jeder zweite fühlt sich beleidigt durch ´ne Karikatur, das ist ein komisches Phänomen, das gab es früher eigentlich nicht - das will ich eigentlich nicht erreichen, auch ein Erdogan soll nicht beleidigt sein, sondern er soll sich ärgern.
Alles darf, aber nicht alles muss, jeder hat seine Inneren Tabus. AD Kanebogen zum Beispiel zeichnet keine Waffen. Und Bettina Bexte, eine der wenigen Frauen des Genres?
"Im Prinzip ist alles erlaubt, ich hab aber so meine persönlichen Grenzen und die überschreite ich nicht, also ich finde schadenfrohe Cartoons überhaupt nicht lustig, ich habe eher Mitleid mit den Idioten."
Bettina Bexte hat den dritten Preis dafür bekommen, dass die der Deutschen Terrorangst eine Karikatur gewidmet hat, ein Deutscher Kampfdackel verrichtet hochaufmunitioniert sein Geschäft während sich das Herrchen zitternd hinter der Haustür versteckt.
Mit dem Smartphone an der Revolution vorbei
Großer Bahnhof also für die, die sonst die meiste Zeit am Schreibtisch verbringen, aber gar nicht hoch genug geschätzt werden können, weil sie Haltung vermitteln, wo sonst nur ein Entschiedenes "sowohl als auch" Einzug gehalten hat.
Peter Butschkow: "Die Milde ist ja nicht so gut, also gerade die Wut ist ja auch ne Wahnsinnsenergie, die legt ja unheimlich viel frei, auch in einer Zeichnung, und der Trend geht bei mir eher dahin, dass ich wieder so ein bisschen satirischer zu arbeiten, also ein bisschen politischer."
Peter Butschows Karikatur, die den silbernen Bleistift bekommen hat, liest sich für Laudator Dietmat Wischmeyer so:
"Zwei betagte Zausel, Typus Gemeinschaftskundelehrer, betreiben in einer hingestuschten Fußgängerzone einen Infostand namens Revolution. Werden aber von der flanierenden Masse, die mehrheitlich aus Jungerwachsenen besteht, nicht wahrgenommen, da diese Wichtigeres zu tun haben, nämlich auf ihr Smartphone zu starren."
In der Sprechblase steht "komm lass uns einpacken" - was in der Metaebene bedeutet:
Wischmeyer: "Die Revolution hat keine Chance mehr, weil alle nur noch in Social Media rumdaddeln oder lustige Katzenpornos auf YouTube gucken."
Kinder der Aufklärung
Und weil deshalb auch oder gerade die Karikatur oft nur mit einer Bruttowahrnehmungszeit von wenigen Sekunden auskommen kann, werden die eingereichten Arbeiten mit einer Ausstellung in einem echten Museum geadelt - in der Bremer Weserburg - weil Kunst und Karikaturen so sagte der Direktor der Weserburg, Peter Friese, viel gemeinsam haben, Sie werfen einen kritisch-analytischen Blick auf die gesellschaftlichen Zustände und sind beide Kinder der Aufklärung. Und solange sie in der Gesellschaft ihre Orte hätten, "solange funktioniert unsere Demokratie". Aber genau das scheint ein Problem - der fehlende Ort.
Stuttmann: "Die Zukunft der Karikatur ist einfach düster."
Weil sich immer mehr Zeitungen davon verabschieden.
Stuttmann: "Und offensichtlich dadurch ist es mit dem Nachwuchs auch ein bisschen rar."
Was nicht stimmen kann, wenn man sich die Zeichnungen des Jahres anschaut, politische Bildung, Information und Unterhaltung in einem. Deshalb:
Döbler: "Vielen Dank an die mutigen Zeichner, an die genauen Zeichner, an die präzisen Zeichner, die uns die Augen öffnen, die uns Gedanken ans Herz legen, die uns lachen lassen, vielen Dank auch an die Reporter, die sich nicht den Mund verbieten lassen und einfach ihren Job machen."