"Dann darf ich bestätigen, dass Sie, Herr Dr. de Maizière, einstimmig zum Vorsitzenden der neuen Ethik-Kommission gewählt sind."
Verkündete der Wahlleiter vor genau einem Jahr in Düsseldorf. Der gewählte CDU-Politiker und Jurist, de Maizière, hatte seine Aufgabe zuvor so definiert: "Einen kritischen Blick auf Vorgänge im deutschen olympischen Sport zu richten, wenn es dazu Anlass gibt."
Zu große Nähe
Zweifel an seiner Unabhängigkeit hatten die Delegierten offensichtlich nicht. Im Gegensatz zu externen Beobachtern. Die bemängelten schon damals eine zu große Nähe zwischen Kontrolleur und Kontrollierten.
Es gebe keinen Anlass, an der Integrität von Thomas de Maizière zu zweifeln, sagt Compliance-Experte Olaf Methner jetzt auf Anfrage des Deutschlandfunks, "aber es bleibt trotzdem ein Rest an Unbehagen, wenn jemand nur wenige Monate nach Beendigung seines politischen Amtes, bei dem er mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) doch eng zu tun hatte, jetzt das Wohlverhalten gerade dieser Organisation überwachen soll. Also ich meine, in dem zeitlichen Zusammenhang wäre deshalb vielleicht doch eine andere personelle Lösung mit etwas mehr Distanz zum DOSB besser gewesen."
So der Jurist, Partner in der Kanzlei des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum. Er hat auch den ersten Bericht der neuen vierköpfigen Kommission gelesen. Der gehören neben de Maizière der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Jörg Geiger, Biathlon-Olympiasiegerin Kati Wilhelm und die frühere Hammerwerferin Betty Heidler an.
"Zufriedenstellende Lösungen"
Ihr erster Bericht nennt zwei Fälle, die die Kommission geprüft hat: eine Nominierungsfrage und ein möglicher Verstoß gegen die gute Verbandsführung. Weitere Details zum Sachverhalt gibt es nicht. Es ist von zufriedenstellenden Lösungen die Rede bzw. dass keine Verstöße gegen die gute Verbandsführung festgestellt wurden.
Hinweisgeber dürften auf keinen Fall identifizierbar sein, "aber trotzdem wäre es insgesamt wünschenswert, dass sowohl die behandelten Fälle als auch die zugrunde liegenden Problemstellungen und letztlich dann auch die Art der Lösungen etwas konkreter dargestellt werden. Das ginge meines Erachtens wohl auch unter Beibehaltung des Datenschutzes und der Vertraulichkeit, und das würde dann doch zu mehr Transparenz führen", urteilt Compliance-Experte Olaf Methner auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrung als Ombudsmann.
Wer ist zuständig für Presseanfragen?
Unseren Fragenkatalog zu konkreten Sachverhalten seines Ethikberichtes beantwortete Thomas de Maizière nicht. Er ließ über die Pressestelle des DOSB mitteilen, "dass die Ethikkommission Einzelfälle nicht offenlegen darf. Die Ethikkommission hat die Fälle entsprechend ihrer Verfahrensordnung behandelt".
Compliance-Experte Olaf Methner sagt dazu: "Also wenn die Ethik-Kommission unabhängig vom DOSB handeln soll, dann sollte das auch für die Organisation der Kommission und die entsprechende Verwaltung und den Umgang mit der Kommunikation gelten. Presseanfragen sollten dann schon von der Kommission selbst beantwortet werden, denn sonst hat sie ja auch nicht mehr die Deutungshoheit über ihr Erscheinen in der Öffentlichkeit."
Die Ethikkommission und die Öffentlichkeit. Auf unsere Nachfragen per Email an die Adresse der Kommission kam von dort wieder keine Antwort. Auf die Frage, wer eigentlich Zugriff habe auf das Mailpostfach der unabhängigen Ethik-Kommission schrieb erneut der DOSB. Dieses Mal der Finanzvorstand: Herr de Maizère habe über die Presseanfrage informiert, "selbstverständlich hat keine Person des DOSB Zugriff auf die Mailadresse".
"Es wäre schon schön, wenn Herr de Maizière oder ein Vertreter aus der Ethikkommission selbst Antworten auf Anfragen oder Nachfragen der Presse gibt. Ansonsten kann man eben nur hoffen, dass es stimmt, wenn der DOSB mitteilt, die separat eingerichtete Mailadresse der Ethikkommission sei vertraulich und könne nicht von anderen eingesehen werden."
Benennt der Compliance-Experte das Problem, Hinweise auf mögliche Verstöße bei der Ethikkommission direkt zu melden. "Das würden Whistleblower aber möglicherweise seinlassen, wenn sie befürchten müssten, dass die Ethikkommission doch irgendwie den DOSB bei der Kommunikation einbindet."
"In vielen Punkten gibt es noch Verbesserungsbedarf"
Eine Ethik-Kommission muss transparent sein, ihr Handeln nachvollziehbar. Auf der anderen Seite muss sie Hinweisgeber schützen. Bei beidem scheint die neue Kommission mit ihrem Vorsitzenden noch in der Findungsphase.
Generell sieht Compliance-Experte Olaf Methner in der Einrichtung der Ethik-Kommission "durchaus einen weiteren positiven Fortschritt im Umgang des DOSB mit den Themen Good Governance, Integrität und Transparenz. Aber man darf sich trotzdem auf keinen Fall schon hierauf ausruhen, in vielen Punkten gibt es noch Verbesserungsbedarf, was vor allem die Transparenz im Umgang mit einzelnen Missständen und die unabhängige Aufklärung und Beseitigung von Missständen betrifft, da muss man also beobachten, wie der Prozess weitergeht."
Die Möglichkeit dazu gibt es bereits am kommenden Samstag. Thomas de Maizière ist bei der DOSB-Mitgliederversammlung in Frankfurt vor Ort heißt es. Eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen.