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Sexualisierte Gewalt
Schwierige Aufarbeitung im Deutschen-Schwimmverband

Seit Jahren gibt es Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen zahlreiche Trainer im Deutschen Schwimmverband. Vor knapp zwei Monaten hat der DSV eine unabhängige Aufarbeitung angekündigt. Bisher ist da aber wenig passiert.

Von Andrea Schültke |
Ein Schwimmer springt ins Schwimmbecken
Schwimmsport: Seit Jahren gibt es Vorwürfe sexualisierter Gewalt (imago images / Westend61 / Eva Blanco )
Im August hat sich der Deutsche Schwimmverband in einer Pressemitteilung bei allen Menschen entschuldigt, die „jemals Gewalt, gleich ob körperlicher, seelischer oder sexueller Art im deutschen Schwimmsport erleben mussten.“  
Grund: Vorwürfe des ehemaligen Weltklasse-Wasserspringers Jan Hempel. In einer ARD-Dokumentation beschuldigte Hempel seinen früheren Trainer. Dieser habe ihm über Jahre schwere sexuelle Gewalt angetan. Verantwortliche hätten davon gewusst, aber nichts unternommen. Laut Pressemitteilung von Ende August wollte der DSV „schnellstmöglich ein externes und unabhängiges Aufarbeitungsteam einsetzen“.

Recht auf Aufarbeitung

Angela Marquardt vom Betroffenenrat der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung hält unabhängige Aufarbeitung nicht nur im DSV für unabdingbar: „Allein die bekannten Geschichten von Betroffenen haben ja, wie so oft in solchen Fällen, das bestehende System des bewussten Schweigens und Wegsehens auch innerhalb des DSV offenbart. Die Betroffenen haben ein Recht auf Aufarbeitung. Und der DSV ist den Betroffenen vor allem eine unabhängige Aufarbeitung schuldig.“
Hier scheint der DSV aber noch nicht weit gekommen zu sein. Zwei ehrenamtlich tätige Personen sollen das Ganze in die Wege leiten: Franka Weber, die Präventionsbeauftragte des DSV und Vizepräsident Wolfgang Rupieper. Beide befänden sich „seit August im regelmäßigen Austausch mit relevanten Institutionen“, schreibt der Verband auf Deutschlandfunk-Anfrage.
Als relevante Institutionen nennt er explizit die Aufarbeitungskommission der Bundesregierung und die Interessenvertretung Athleten Deutschland. Beide allerdings können einen „regelmäßigen Austausch seit August“ nicht bestätigen. Sie berichten übereinstimmend von einem einzigen gemeinsames Treffen mit den DSV-Zuständigen Ende August. „Daraufhin hat es keine weiteren Gesprächsanfragen seitens des DSV gegeben“ schreibt die Aufarbeitungskommission der Bundesregierung auf unsere Anfrage.
Kein nennenswerter Austausch
Maximilian Klein von Athleten Deutschland bestätigt, gleich nach den Vorwürfen von Jan Hempel habe der Verein Kontakt zum Deutschen Schwimmverband gehabt. Auch bei dem Treffen Ende August sei Klein dabei gewesen. Aber: „Seit diesem Treffen gab es keinen nennenswerten Austausch mehr zwischen Athleten Deutschland und dem DSV.“
Das Thema Aufarbeitung ist hoch komplex und eine große Herausforderung. Angela Marquardt weiß das aus eigener Erfahrung. Sie arbeitet seit Ende September ehrenamtlich in der ersten unabhängigen Aufarbeitungskommission im deutschen Sport. Gemeinsam mit fünf anderen Expertinnen und Experten soll Marquardt den Fall eines Turntrainers beim HSV Weimar untersuchen. Der Mann hatte über Jahre minderjährigen Athletinnen seiner Turngruppe seelische und sexualisierte Gewalt angetan.
Angela Marquardt trägt ein farbenfrohes Tuch und einen bunten Pullover und schaut freundlich in die Kamera
Angela Marquardt vom Betroffenenrat der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung (privat)
Taten benennen und aufklären
Ihre Aufgabe sieht Angela Marquardt hier unter anderem darin: „Die richtigen Fragen zu stellen, um später mit dem Abschlussbericht, dem, was die Betroffenen erlebt haben, gerecht werden zu können, um die begünstigenden Strukturen und Mechanismen offenzulegen, die jahrelange sexualisierte Gewalt ermöglicht haben. Ich denke, es ist eine Aufgabe, die Taten zu benennen und aufzuklären. Dass man das Schweigen bennennt, die Vertuschung benennt, dass man Fehler und Versagen ehrlich aufzeigt.“
Menschen mit Expertise für die Mitarbeit in so einer Aufarbeitungskommission zu finden, hat in Weimar fast ein halbes Jahr gedauert. Steffen Sindulka hat sich darum gekümmert, der Kinderschutzbeauftragte des Landessportbundes Thüringen. Er ist im Hauptamt tätig. Beim DSV sollen zwei Ehrenamtliche diese Mammutaufgabe bewältigen. Hier stoße das Ehrenamt an seine Grenzen, ist Maximilian Klein vom Verein Athleten Deutschland überzeugt:
„Und genau da ist es wichtig, dass es natürlich von ganz oben, von der Verbandsführung, das klare Bekenntnis gibt, personelle und finanzielle Mittel in solche Prozesse zu stecken. Und es ist ganz wichtig, dass wir in der Zukunft Unterstützung durch ein Zentrum für Safe Sport haben.“
Komplexes Thema
Dieses auch finanziell unabhängige Zentrum für Safe Sport soll Verbänden solche Aufgaben wie externe Aufarbeitung in Zukunft abnehmen.
Auch der DSV unterstützt den Aufbau einer solchen Institution. Bis die arbeitsfähig ist, muss der Verband die angekündigte, externe Aufarbeitung selbständig umsetzen. Über den aktuellen Stand dieses komplexen Prozesses habe Athleten Deutschland keine Information, erklärt Maximilian Klein:
„Weil es durchaus komplex ist, ist es sehr, sehr wichtig, transparent zu kommunizieren über den aktuellen Stand, über die weitere Planung, damit eben diese Glaubwürdigkeit, die jetzt ja schon stark beschädigt ist im Umgang mit diesen Fällen, damit die überhaupt wieder aufgebaut werden kann.“
Aus Sicht von Angela Marquardt muss ein Ziel der Aufarbeitung im Deutschen Schwimmverband sein, „dass sich der DSV endlich mit der Situation der Betroffenen beschäftigt und nicht immer nur mit seinem eigenen Ruf.“
Seit den von Jan Hempel öffentlich erhobenen Vorwürfen seien beim DSV Hinweise im einstelligen Bereich eingegangen, schreibt der Verband auf unsere Anfrage und dass bereits mehrere Gespräche mit Hinweisgeber und Hinweisgeberinnen und Zeitzeug und Zeitzeuginnen stattgefunden hätten. „Ergebnisse sollen dann transparent von der externen Aufarbeitungskommission präsentiert werden.“