"Die sehen aus wie Erbsen oder getrocknete Sojasamen. Und diese sind bei uns das Ausgangsmaterial für die Herstellung der Lupinenproteine."
Stephanie Mittermaier schüttelt ein Glas mit den Samen der Blauen Süßlupine. Die Forscherin vom Freisinger Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik hat sich ganz dieser Hülsenfrucht verschrieben. Ihr Ziel: Die Lupine als pflanzliche Eiweißquelle nutzbar zu machen. Denn anders als die Sojabohne können Landwirte sie auch in unseren Breiten anbauen.
"Die Lupine hat den Vorteil, dass sie sehr protein-, also eiweißreich ist; dass sie in Mitteleuropa wächst und anspruchslos ist an die Böden, sodass sie an beliebigen Standorten angebaut werden kann. Wir können zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern auf sandigen Böden die Lupine anbauen. Auf diesen Böden wächst sonst eigentlich nur noch Roggen, und die Bauern haben kaum eine Alternative, etwas anderes als Roggen anzubauen. Aber auf diesen Standorten können wir die Lupine anbauen."
Gut für den Boden
Lupinen binden Stickstoff aus der Luft und verbessern damit die Bodenqualität. Mindestens hundert verschiedene Arten sind bekannt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie neben viel Eiweiß auch Bitterstoffe enthalten, sogenannte Alkaloide. In den Süßlupinen steckt davon zwar viel weniger als in anderen Arten, nicht einmal ein Promille. Aber das ist trotzdem noch zu viel für den Verzehr. Die ersten Versuche, aus Lupineneiweiß etwa Speiseeis herzustellen, hatten deshalb keine überzeugenden Ergebnisse geliefert, erinnert sich Fraunhofer-Forscher Peter Eisner:
"Sehr viele Leute, denen wir regelmäßig unsere Produkte zur Verkostung gegeben haben, wissen, dass wir noch 2005/06 eine Eiscreme präsentiert haben, die durchaus qualitativ optimierungsbedürftig gewesen ist zu der Zeit. Sie hat noch sehr stark nach Bohne, zum Teil bitter, belegend geschmeckt. Also es war noch keine sehr große Akzeptanz - es war noch nichts für die breite Öffentlichkeit."
Die Lebensmitteltechnologin Stephanie Mittermaier hat deshalb ihre Doktorarbeit der Frage gewidmet: Was schmeckt an der Lupine bitter, was unangenehm nach Bohne? 25 störende Inhaltsstoffe konnte sie identifizieren. Eisner:
"Erst als wir die kannten, wussten wir, gegen wen wir vorgehen müssen. Und dementsprechend konnten wir dann unsere Prozesse auch so verändern, dass diese Substanzen ganz gezielt von uns abgetrennt werden konnten. Und seit der Zeit schmeckt die Milch auch nach Milch und nicht mehr nach Bohne."
Das reine Eiweiß
Im Technikum des Freisinger Instituts steht alles, was nötig ist, um aus den Lupinensamen letztlich das reine Eiweiß zu gewinnen. Die unangenehmen Geschmacksstoffe stecken vor allem im Öl der Samen. Es wird mit überkritischem Kohlendioxid herausgeholt - das ist ein in der Lebensmittelverarbeitung gängiges Lösungsmittel. Die ölfreien Samen werden dann in großen stählernen Töpfen gekocht - jeder von ihnen fasst 2000 Liter -, und das Eiweiß wird mit Säure gefällt, genau wie bei der Quarkzubereitung aus Kuhmilch. Zuletzt trocknet Stephanie Mittermaier das Lupinen-Eiweiß in einem heißen Rohr.
"Es wird die Protein- oder Eiweiß-Suspension in kleine Tropfen aufgesprüht. Und der Trockner hat eine Temperatur von 180 Grad etwa. Da verdampft das Wasser aus den versprühten Tropfen schlagartig. Und es entsteht ein ganz feines Pulver, das anschließend das trockene Proteinpulver ist."
Genauso läuft die industrielle Herstellung bei der Firma Prolupin im vorpommerschen Grimmen ab. Aus dem Eiweißpulver kann eine pflanzliche Milch hergestellt werden, die weiter verarbeitet wird zu Joghurt, Frischkäse oder Pudding. All das soll Anfang 2015 auf den Markt kommen; ein geschmacklich verfeinertes Lupinen-Speiseeis gibt es schon seit drei Jahren zu kaufen. Zielgruppe sind in erster Linie die rund 800.000 Veganer in Deutschland - aber auch jeder, der nur gelegentlich mal auf tierisches Eiweiß verzichten möchte.