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Deutsches Bankensystem
Ein Sonderfall mit unklarer Zukunft

Sowohl die Deutsche Bank als auch die Commerzbank feiern in diesen Tagen ihr 150-jähriges Bestehen. Privatbanken wie diese bilden aber nur eine der drei Säulen des deutschen Bankensystems. Ob diese Besonderheit auch in Zukunft bestehen bleiben wird, könnte an politischen Entscheidungen hängen.

Von Brigitte Scholtes |
Sonnenuntergang im Bankenviertel von Frankfurt, in der Mitte die Commerzbank, vorne die Paulskirche.
Sonnenuntergang im Bankenviertel von Frankfurt, in der Mitte die Commerzbank (imago)
Wie in jedem Jahr protestieren die Globalisierungsgegner von Attac vor der Hauptversammlung der Deutschen Bank gegen die Macht der Banken und der Konzerne, die von den Geldhäusern finanziert werden. Die Grundlage für diese Verbindung wurde vor 150 Jahren gelegt, damals nämlich wurden die ersten Aktienbanken gegründet.
"Als die Idee zur Gründung der Deutschen Bank 1870 Gestalt annahm, geschah dies in einer Zeit des Umbruchs im Bankwesen. Die Finanzbedürfnisse der Industrie wuchsen im Zuge der Industrialisierung und verlangten nach einer Weiterentwicklung des traditionellen Bankgeschäfts."
So heißt es in einem Video der Deutschen Bank, das darstellt, wie es zu ihrer Gründung damals in Berlin kam. Die wurde vorangetrieben vom Privatbankier Adelbert Delbrück und dem Politiker und Bankier Ludwig Bamberger. Die Konzession erteilte König Wilhelm I. am 10. März 1870.
Die Deutsche Bank und die Commerzbank, die in diesen Tagen beide 150 Jahre alt werden, wuchsen damals schnell – und sie zählen trotz aller Probleme auch heute noch zu den größten Banken in Deutschland.
Aktienbanken mischten die Branche auf
Viele Jahrhunderte lang hatten reiche Privatbankiers das Geldgeschäft bestimmt – bis die Idee der Aktienbanken aufkam, in denen das Geld der Anteilseigner gesammelt und damit andere Größenordnungen im aktiven Geschäft erreicht werden können. So entstanden einige der später großen Banken, als erstes die Darmstädter Bank für Handel und Industrie, dann bald auch die Commerzbank, die am 26. Februar als "Commerz- und Disconto-Bank in Hamburg" gegründet wurde, also kurz vor der Deutschen Bank. Zwei Jahre danach entstand auch die Dresdner Bank, die ja 2009 von der Commerzbank übernommen wurde.
Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main
Gründung vor 150 Jahren – Deutsche Bank: Schwieriger Start, rasanter Aufstieg 
Die Anfänge des weltweit bekanntesten deutschen Kreditinstituts sind eng mit der Reichsgründung von 1870/71 verknüpft. Der rasante Aufstieg der Bank hatte auch mit guten Kontakten in Regierungskreise zu tun.
Diese Banken sahen ihre Aufgabe also in erster Linie in der Finanzierung und Begleitung von Industrie und Handel auch ins Ausland. Damit wollten sie vor allem den Einfluss der bis dahin dominierenden englischen und französischen Banken zurückdrängen. Und das gelang der Deutschen Bank recht schnell, sagt Werner Plumpe, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt:
"Sie finanziert die Industrie, sie finanziert Infrastruktur, sie finanziert Staaten. Sie ist beteiligt, heute könnte man sagen, am Risikokapital. Etwa die Gründung der allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft, der AEG. Da ist die Deutsche Bank ganz führend mit dabei und entwickelt auch neue Formen der Unternehmensfinanzierung. Das gilt für die großen Bahnprojekte, wie die Bagdad-Bahn, für das Engagement auf dem amerikanischen Kapitalmarkt, überall verbindet die Deutsche Bank das normale Finanzgeschäft, das normale Kreditgeschäft mit einer gewissen Aktivität im Bereich des Investmentbankings."
Sparkassen und Genossenschaftsbanken stabilisieren das System
Die Commerzbank agiert ähnlich – nur von Beginn an in etwas kleinerem Umfang als die Deutsche Bank. Private Banken sind aber nur eine der drei Säulen des deutschen Bankensystems: öffentlich-rechtliche Sparkassen und Genossenschaftsbanken stehen oft nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit, sie stabilisieren aber das System. Und ihre Geschichte reicht noch weiter zurück. Die Sparkassen begannen ihr Geschäft Ende des 18. Jahrhunderts. Dirk Schiereck, Professor für Unternehmens-finanzierung an der Technischen Universität Darmstadt:
"Die Institute waren gegründet meist aus dem Bürgertum heraus, um allgemein den Sparsinn zu fördern, die Leute also zum Sparen anzuregen, und auch denjenigen, die eigentlich keine Möglichkeit hatten, ihr Geld sicher zu verwahren, die Möglichkeit zu geben, bei einer öffentlich geschützten Institution dieses zu tun."
Und Anfang des 19. Jahrhunderts kam dann die Idee der Genossenschaften auf. Bauern und Handwerker litten damals große Not. Um ihnen zu helfen, gründeten Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch die Genossenschaften. Die Grundidee: Hilfe zur Selbsthilfe. In vielen Regionen seien Bankdienstleistungen bis dahin nicht angeboten worden, erklärt Schiereck:
"Dann sind aus dem Zusammenschluss von Handwerkern, von Landwirten, erste Kreditgenossenschaften entstanden, die tatsächlich dafür gesorgt haben, dass man im Kollektiv kreditwürdiger war als der einzelne und dadurch in der Lage war, Investitionen zu tätigen, die Modernisierung der Landwirtschaft und damit auch die Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft umzusetzen. Und nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im Gewerbe. So dass die Kreditgenossenschaften oder die heutigen Volksbanken, Raiffeisenbanken tatsächlich ihren Ursprung auf der Kreditseite hatten, und zunächst in kleinen Einheiten dafür gesorgt haben, dass überhaupt eine Kreditversorgung in der Breite, in der Fläche möglich war."
Mähdrescher ernten auf einem Feld die Wintergerste. 
Genossenschaften – Unternehmensziel: solidarisch und nachhaltig wirtschaften
Im 19. Jahrhundert entstand die Genossenschaft. Mit ihr können Projekte gemeinsamschaftlich finanziert werden. Wo sich der Staat zurückzieht, scheint diese Rechtsform gefragt zu sein.
Beide Bankengruppen aber weiteten ihre Angebote in ihren Regionen nach und nach aus, wurden allmählich zu Vollbanken, die auch andere Bankdienstleistungen offerierten.
Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert wurde die Lage für alle schwieriger, vor allem aber für die Privatbanken. Denn der Erste Weltkrieg beendete die Expansionsgelüste der Privatbanken ins Ausland. Ende der 1920er Jahre folgten Börsencrash und Weltwirtschaftskrise, die einige Banken zusammenbrechen ließ. Commerzbank und Dresdner Bank wurden vom Staat übernommen – kurz vor Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Das hatte Folgen, beschreibt Werner Plumpe von der Universität Frankfurt:
"Von daher erklärt sich allein wegen dieser Abhängigkeit von der öffentlichen Hand schon eine gewisse Anfälligkeit für die ‚Erwartungshaltung‘ der diktatorischen, der totalitären Regierung. Und die war in den kommenden Jahren für die Banken ein überaus unangenehmer Partner, weil sie eigentlich das von ihr als für Juden angesehene Großbanken-Geschäft gar nicht wollte."
Banken im Dienste der Nazis
Doch die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Großbanken – und nicht nur sie. Auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken können sich nicht von der Verantwortung freisprechen. Spareinlagen wurden verdeckt als wichtige Basis der Kriegsfinanzierung genutzt. Die Verbünde wurden gleichgeschaltet, die Nationalsozialisten erklärten die eigentlich urdemokratische Grundlage der Genossenschaften "Was einer nicht alleine schafft, das schaffen viele" - zu einer "urdeutschen" Idee.
Nach dem Ende des Krieges sanktionierten die Alliierten vor allem die großen Banken. Reinhard Schmidt, Seniorprofessor für International Banking an der Universität Frankfurt:
"Danach war wieder sehr viel verloren. Die Deutsche Bank wurde von den Besatzungsmächten in 13 Teile zerlegt. Die haben dann zwar in den frühen 50er Jahren schon intensiv kooperiert, aber erst 1954 wurde das wieder zu einem einheitlichen Institut zusammengeschlossen."
Mit dem Wirtschaftswunder begann dann eine goldene Zeit für alle Banken. Sie finanzierten den Aufschwung in der Wirtschaft, die Bürger bauten allmählich wieder Vermögen auf. Aber auch der Wettbewerb nahm zu. Bis in die 1970er Jahre konkurrierten die deutschen Kreditinstitute vor allem untereinander, dann aber kamen vermehrt angelsächsische Wettbewerber in den deutschen Markt, beschreibt Plumpe:
"Dadurch ist eine Konkurrenzsituation entstanden, die sehr hart geworden ist. Das ist einer der Gründe, weshalb in den siebziger, achtziger Jahren im klassischen Bankengeschäft die Margen zurückgehen und alle sich überlegen, wie können wir hier aus dieser Falle heraus kommen, in der wir in den fünfziger, sechziger, frühen siebziger Jahren uns vielleicht noch ganz wohl gefühlt haben, aber die heute nicht mehr dazu in der Lage sind, langfristig ein erfolgreiches Bankgeschäft zu ermöglichen."
Und damit kam auch eine Auseinandersetzung der privaten Banken mit den öffentlich-rechtlichen Instituten. Der Stein des Anstoßes: Die Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Durch diese rechtlichen Privilegien konnten sich Sparkassen und deren regionale Spitzeninstitute, die Landesbanken, konkurrenzlos günstig verschulden. Vor allem die Landesbanken hätten davon profitiert, meint Dirk Schiereck von der TU Darmstadt:
"Es gab also quasi eine Sicherheit für die Geldgeber der Landesbanken, dass im Falle einer Schieflage der Eigentümer auf jeden Fall eintreten wird und damit eine Insolvenz oder ein Zahlungsausfall von Geldern, die an die Landesbanken geflossen sind, quasi ausgeschlossen waren."
Das sah auch die EU-Kommission sehr kritisch. Die Wettbewerbsbehörde erkannte Wettbewerbsvorteile, 2001 kam es deshalb zu einer Verständigung zwischen der Bundesrepublik und der EU: Das Ende von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung wurde besiegelt, allerdings wurde damals eine mehrjährige Übergangszeit eingeräumt.
Die Zäsur der Finanzkrise
Die Zahl der Landesbanken ist seit der Finanzkrise auf fünf gesunken. Ginge es nach Helmut Schleweis, dem Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands DSGV, dann wäre ein Spitzeninstitut genug – eines, dessen Träger nicht mehr die Länder, sondern nur noch die Sparkassen wären, wie er im letzten Frühjahr sagte:
"Ziel ist es, 100 Prozent in Sparkassenhand zu haben. Und man wird auch beobachten müssen, wie lange Länder solche Beteiligungen noch halten wollen. Das hat Sinn gemacht, das macht auch derzeit für einige noch Sinn, aber die Ziele der Sparkassen sind eben andere."
Geschäftssitz der Bank "Lehman Brothers" im Jahr 2008 - die Insolvenz brachte die weltweiten Finanzmärkte an ihre Grenzen.
Beginn der Finanzkrise – Eine Bankenpleite mit weltweiten Auswirkungen
Am 15. September 2008 meldet die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Es war die größte Firmenpleite der Geschichte und der Beginn der schlimmsten weltweiten Finanzkrise seit 1929. Die Auswirkungen sind bis heute spürbar.
Doch die Politik ist für solche Ideen nicht so offen, wie sich das Schleweis wünscht. Insgesamt haben die Erfahrungen der Finanzkrise die Sparkassen aber diszipliniert, meint Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim:
"Die Missbräuche, die wir vielleicht in der Vergangenheit mal gehabt haben, die sehe ich bei den Sparkassen schon lange nicht mehr. Aber es ist natürlich ein klarer Wettbewerbsvorteil für die Sparkassen, diese regionale Einbindung, die ja auch Informationsvorteile mit sich bringt, und die ihnen hilft, in der Region einfach präsenter zu sein."
In der Region konkurrieren die Sparkassen, die etwa ein Drittel der Kunden bedienen, vor allem mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken, deren Kundenanteil am deutschen Markt bei etwa 13 Prozent liegt. Beide Bankengruppen arbeiten nicht vorrangig gewinnorientiert, die Sparkassen sind dem Gemeinwohl verpflichtet, die Genossen orientieren sich an Werten wie Partnerschaftlichkeit, Transparenz, Solidarität, Verantwortung.
Gewinne verschmähen sie trotzdem nicht: Die Genossenschaftsbanken sind inzwischen die profitabelste Bankengruppe in Deutschland. 2018 lag ihr Gewinn nach Steuern nach den Zahlen des BVR, des Bundesverbands Volks- und Raiffeisenbanken, bei 5,4 Milliarden Euro. Ein Gewinn, von dem die beiden Großbanken nur träumen können. Die Commerzbank schafft zwar immerhin einen dreistelligen Millionengewinn, die Deutsche Bank aber hat im vergangenen Jahr wieder einen riesigen Verlust von 5,7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das Erfolgsrezept der Genossenschaftsbanken beschreibt BVR-Präsidentin Marija Kolak, so:
"Es ist ganz stark die Nähe zu unseren Mitgliedern, das starke Verständnis der einzelnen Regionen. Unsere Banken sind vor Ort. Geht es der Region gut, geht es auch den Mitgliedern gut. Und das ist unser Förderauftrag dann auch diese Mitglieder in der Region bestmöglich zu unterstützen."
Diesem Auftrag sind die Volksbanken, aber auch die Sparkassen selbst in der Finanzkrise nachgekommen. Sie haben anders als die Großbanken die Kreditvergabe nicht eingeschränkt, sondern sogar ausgebaut. Denn diese Ausrichtung auf die Regionen sei historisch bedingt, erklärt Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim:
"Wir haben viele regionale Zentren. Das hat was mit der deutschen Kleinstaaterei zu tun. Zum Vergleich in Frankreich: da gab es auch eine Sparkassenorganisation, aber das Geld, was sie als Spareinlagen bekommen haben, das haben die alles zentral gesammelt in Frankreich und dann zentral investiert."
Kleine Institute unter regulatorischem Druck
Deshalb spiegele das deutsche Bankensystem auch die dezentrale Wirtschafts- und Unternehmensstruktur. Die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken bleiben nah bei ihren kleinen und mittelgroßen Unternehmenskunden. Ihr traditionell engmaschiges Filialnetz bauen sie inzwischen deutlich ab. Sie haben sich innerhalb ihrer Säulen zu größeren Einheiten zusammengeschlossen. Das gilt bei den Volks- und Raiffeisenbanken auch für ihr Spitzeninstitut, die DZ-Bank, die 2016 mit der WGZ-Bank zusammengegangen ist. Auch die DZ-Bank arbeitet hochprofitabel, hat 2019 unter dem Strich knapp 1,9 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet.
Ihren Erfolg sehen die kleinen Institute jedoch gefährdet durch die Politik. Da ist zum einen die Regulierung nach der Finanzkrise, die sie fast härter trifft als die großen privaten Banken, weil die Regeln oft auf die großen privaten Geldhäuser genauso angewendet werden wie auf die kleinen, klagt BVR-Präsidentin Marija Kolak:
"Es ist eine Regulierung entstanden, die es in dieser Art und Weise vor der Finanzkrise so nicht gegeben hat, die aber einhergeht oftmals mit einer Gleichbehandlung einer kleinen regional tätigen Bank bis hin zu einer Großbank oder einer Investmentbank, die auch global agiert. Und das ist Ausfluss dieser Regulierungswelle, wo wir uns dafür weiterhin einsetzen, dass hier bitte mit Augenmaß gemessen wird."
Die EU aber hat bisher wenig Verständnis für die Besonderheit des dreigliedrigen deutschen Bankensystems, das es in dieser Form in anderen EU-Ländern nicht mehr gibt. Auch in Deutschland wären die vielen kleinen lokalen Banken auf sich allein gestellt wohl nicht überlebensfähig. Doch sie haben die Funktionen, bei denen es auf Größe ankommt, in Zentralinstituten gebündelt. Und sie profitieren von ihren Verbünden. Das gilt auch für die so genannte Institutssicherung: Nach dem Motto "Alle für einen" springen die Mitglieder ein, falls eine Bank aus dem Verbund in Schwierigkeiten gerät. Auf diese Weise soll ausgeschlossen werden, dass es überhaupt zu einer Insolvenz und damit zu einem Entschädigungsfall kommen kann. Diesen Vorteil müssten sie mit der Einführung einer Bankenunion womöglich aufgeben, vermutet Bankenexperte Burghof:
"Ich kann mir vorstellen, wenn eine europaweite Einlagensicherung kommt, dass das das Ende der besonderen Institutssicherung ist. Weil natürlich die Sparkassen kein doppeltes Netz bezahlen können und wollen, die müssen im Wettbewerb ja auch Gewinne erzielen und marktfähige Konditionen anbieten."
Abgesicherte Spareinlagen - Scholz wirbt für europäische Lösung
Erspartes soll auch in Krisen sicher sein: Dafür sorgen könnte eine EU-Einlagensicherung. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seinen Widerstand gegen eine solche Regelung aufgegeben.
Das aber kann sich im aktuellen Marktumfeld keine Bank leisten. Die Null- und Strafzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die notwendigen Investitionen in die Digitalisierung, die Konkurrenz durch kleine Start-ups und die großen IT-Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple - das sind Herausforderungen, die alle deutschen Bankengruppen gleichermaßen treffen. Auch deshalb sucht man nach Wegen der Konsolidierung. Doch das Zusammengehen der Deutschen- mit der Commerzbank scheiterte im letzten Frühjahr. Der Mehrwert habe gefehlt, hieß es damals unisono von den beiden Geldhäusern.
An ihrer Größe allein liegt es nicht, dass die großen Banken sich so schwer im deutschen Markt tun. Lange Jahre hatte vor allem die Deutsche Bank versucht, im globalen Wettbewerb mitzuspielen, sie setzte auf das Investmentbanking, ein Fehler nicht nur wegen der hohen Strafzahlungen, die sie für das skrupellose Gebaren dieser Sparte zahlen musste. Es war ein Fehler auch deshalb, weil sie sich von ihren deutschen Wurzeln entfremdete. Hans-Peter Burghof:
"Wir brauchen eigentlich ein deutsches Banking, das eigentlich diese besondere Qualität der deutschen Bankbeziehung auch nach außen vertritt, dieses: du kannst langfristig mit mir rechnen, ich finanziere dich auch in schwierigen Zeiten, wenn da eine Perspektive ist, durch. Du kannst dich auf dein Geschäft konzentrieren, du kannst dich wirklich darauf verlassen, dass wir dich nicht übers Ohr hauen, sondern, dass wir wirklich mit dir die nächsten 20 Jahre Geschäft machen wollen."
Kursänderung der Deutschen Bank
Darauf scheint sich die Deutsche Bank zu besinnen. Sie hat ihr skandalträchtiges Investmentbankgeschäft, das ihr so viel Ärger eingebracht hat, stark gestutzt, sie spart und baut Tausende Arbeitsplätze ab. Und sie kümmere sich wieder stärker um ihre Unternehmenskunden, verspricht Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing:
"Wir wollen genau das sein, was sich schon unsere ersten Kunden von uns versprochen haben: eine globale Hausbank. Eine Bank, der unsere Kunden vertrauen können. Eine Bank, die wieder nachhaltig profitabel ist. Und eine Bank, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird."
Auch die Commerzbank möchte ihr Geschäft mit mittelständischen Kunden ausbauen – und sie setzt auf Privatkunden, die sie seit Jahren mit satten Prämien lockt. Einfacher wäre noch ein anderer Weg. So äußerte Commerzbank-Chef Martin Zielke im September einen Wunsch gegenüber Sparkassenpräsident Helmut Schleweis:
"Ich würde gern, wenn es möglich wäre, auch in unserem sehr zersplitterten Markt Konsolidierung vorantreiben. Ich würde gern eine Sparkasse kaufen, aber da ist Herr Schleweis, glaube ich, nicht so begeistert."
Logo der Commerzbank an der Zentrale der Commerzbank AG im Commerzbank Tower in Frankfurt am Main
Bilanz der Commerzbank – Niedrigzins und Digitalisierung
Die Commerzbank ist 150 Jahre alt geworden. Kurz vor ihrem Geburtstag hat sie ihre Bilanz für das Jahr 2019 vorgelegt. Und die war kein Grund zum Feiern – eher im Gegenteil.
Rechtlich wäre das ohnehin schwierig, das hatten Versuche zu Beginn des Jahrtausends gezeigt. Auch die ersten Kooperationen von Sparkassen und Volksbanken in einzelnen Filialen dürften wohl nicht zu einer säulenübergreifenden Fusion führen, vor allem aus einem Grund, glaubt Dirk Schiereck von der TU Darmstadt:
"Wenn Sie zwei Institute haben, die auf völlig unterschiedlichen IT-Systemen laufen, die völlig unterschiedlich auch in ihren Gruppen integriert sind, die jetzt quasi zu einem neuen Institut zusammenzuschließen, ist eine Aufgabe mit bislang noch nicht so richtig absehbaren Kosten, dass man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass wir das in größeren Maßen in nächster Zeit beobachten."
Mittelfristig also dürfte das dreigliedrige Bankensystem in Deutschland bestehen bleiben, vermutet auch Bankenexperte Burghof:
"Ob das bestehen bleiben kann, weiß ich nicht, das hängt aber überwiegend meinem Eindruck nach nicht vom Markt ab, sondern meines Erachtens eher von politischen Entscheidungen."
Ob die EU so weit gehen würde, der besonderen Struktur des deutschen Systems den Garaus zu machen? Abzuwägen wäre zwischen den Schwächen der dezentralen Banken auf der einen und ihrer Krisenfestigkeit auf der anderen Seite.