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Deutsches Grundgesetz
„Die Würde des Menschen ist antastbar“

Der erste Satz des Grundgesetzes - "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - sei aus der leidvollen Erfahrung des Gegenteils im Zweiten Weltkrieg entstanden, so der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das zeige: Staatsverfassungen ließen sich nur im historischen Kontext verstehen.

Rede von Norbert Lammert zur "Woche der Demokratie" |
    Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gestikuliert am 16.12.2015 bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.
    "Wie stabil ist unsere liberale Grundordnung?" Gedanken dazu von Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D. (picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Aus der Erfahrung dieses Umstandes und dem unendlichen Leid, das viele Menschen besonders im Zweiten Weltkrieg erlebt haben, ist der normative Anspruch entstanden, den der erste Satz des Grundgesetzes formuliert: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". An die nun mehr 70jährige Geschichte des Grundgesetzes, sowie an die Gründung der ersten demokratischen Republik, der Weimarer Republik vor einhundert Jahren, erinnerte Norbert Lammert in seiner Rede. Dabei machte er deutlich, dass sich Verfassungen immer nur im historischen Kontext verstehen lassen. Die Weimarer Verfassung begann mit dem schlichten Satz: "Das deutsche Reich ist eine Republik", so Lammert.
    Welches Verständnis von staatlicher Ordnung haben wir?
    "Aus der Perspektive des Jahres 1919 war die aus vielerlei Gesichtspunkten naheliegende, wichtigste Ansage: Ab sofort ist dieser Staat eine Republik. Und dieser Republik wollen wir eine solide, demokratische Grundlage erschaffen. Aus der Perspektive nach einem zweiten, von Deutschland verursachten Weltkrieg mit Millionen von Toten, konnte nicht mehr ernsthaft die Frage sein, ob wir eine Monarchie, eine Republik, eine Demokratie sind oder wie wir diesen Staat nennen. Es wurde eher die Frage vordringlich, welches Selbstverständnis wir eigentlich von staatlicher Ordnung und vom Verhältnis des Staates zu seinen Bürgerinnen und Bürgern haben."
    Demokratien in der Krise
    Doch wie stabil ist eigentlich unsere liberale Grundordnung heute? Und wovon hängt die Stabilität politischer Systeme überhaupt ab?
    "Politische Systeme sind nicht unsterblich. Es gibt keine Überlebensgarantien weder für autoritäre, noch leider für demokratische Systeme und die jüngeren Entwicklungen in den Vereinigten Staaten, in Ungarn, in Rumänien, in Polen, in Italien und in Deutschland sind mindestens Indizien dafür, dass Demokratien keine sich selbsterhaltenden Systeme sind."
    Heute stürben Demokratien nicht mehr durch Putsch oder durch Bürgerkriege, sondern durch Wahlen, so Lammert, der damit die beiden amerkanischen Politikwissenschaflter Steven Levitsky und Daniel Ziblatt und ihr Buch: "Wie Demokratien sterben" zitierte.
    Bundestagspräsident a.D., Prof. Dr. Norbert Lammert, hielt die eröffnende Rede zum Symposium "Wie stabil ist unsere liberale Grundordnung? Internationale Perspektiven zur Zukunft demokratischer Verfassungen".
    Das Symposium war Teil der "Woche der Demokratie", veranstaltet in Zusammenarbeit des Goethe-Instituts, der Dramaturgischen Gesellschaft und des DNT Weimar.
    Sie können die vollständige Rede in unserer Audio-Datei hören.