Durch die Hallen des Zeughauses Unter den Linden schallt das Schlachtensignal des englischen Heeres aus dem Jahr 1813. Beethovens musikalisches Kriegsgemälde "Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria" war zu Lebzeiten des Komponisten sein berühmtestes und erfolgreichstes Werk. Es sprach nicht nur Musikliebhaber an, sondern alle, die von Napoleons Kriegen in Europa die Nase voll hatten. Auf einer Station des Beethoven-Themenpfads im Deutschen Historischen Museum erklingt ein Ausschnitt aus dieser Musik alle fünf Minuten in einer Dauerschleife.
Gerade in einer allgemeinen geschichtlichen Ausstellung kann man vielfach an diese Musik anknüpfen – und die Macher des Themenpfads Beethoven müssen gar nicht mal so viel dafür tun. Die Musik erklingt von oben, während die Besucher vor einem der eher antiheroischen Schlachtengemälde dieser Zeit stehen: John Heaviside Clark sammelte am Morgen nach der Schlacht von Waterloo 1815 grausige Eindrücke des Kriegsgeschehens und hielt sie in einem Bild fest. Kurator Christian Kämpf erläutert:
"Dieses Gemetzel und dieses Schlachtengetümmel, das für Beethoven wiederum ein Anlass war, eine entsprechende Komposition zu verfassen, nachdem er Napoleon anfänglich ja als einen gewaltverhindernden Vollender der Ideale der Französischen Revolution gesehen hatte, aber sich dann, nach 1804, eher in Distanz zu ihm begab."
"Dieses Gemetzel und dieses Schlachtengetümmel, das für Beethoven wiederum ein Anlass war, eine entsprechende Komposition zu verfassen, nachdem er Napoleon anfänglich ja als einen gewaltverhindernden Vollender der Ideale der Französischen Revolution gesehen hatte, aber sich dann, nach 1804, eher in Distanz zu ihm begab."
Beethoven selbst ist nicht das Hauptthema der Ausstellung
Dass der Komponist ein ambivalentes Verhältnis zu Napoleon hatte, kann man in jeder noch so knappen Beethovenbiografie nachlesen. Im Deutschen Historischen Museum aber ist Beethoven selbst eigentlich nicht das Hauptthema. Zu erleben ist weiterhin vor allem Weltgeschichte pur – Napoleons Dreispitz zum Beispiel, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung oder der Ballhausschwur. Um Beethovens Lebenswelt geht es nicht so sehr, sondern die Figur macht umgekehrt als historisches Individuum die Epoche nach 1800 greifbar. Das Thema Beethoven taucht im Strom der Geschichte auf einem plötzlich ausgelegten weißen Pfad vor den Besuchern auf, in Form eines riesigen begehbaren Ohrs. Dabei ist Vergangenheit um 1800 für uns Heutige doch eigentlich stumm – das musikalische Ereignis Beethoven ist die Gelegenheit, der großen Geschichte als solcher auch mal ein Ohr zu leihen, sagt Kurator Christian Kämpf, der selbst nicht Historiker, sondern Musikwissenschaftler ist:
"Das war auch die besondere Schwierigkeit. Also wie bekommt man in ein historisches Museum adäquat die Kunstform Musik an den Besucher? Also wie kann man Musik darstellen? Deshalb haben wir versucht, hier ein bisschen einen Gegensatz aufzumachen zwischen der großen Ankerarchitektur Ohr, wo wir Rezeptionsgeschichte abhandeln und dann einem Bereich des Themenpfades, wo wir tatsächlich allein die Musik in den Mittelpunkt stellen und losgelöst mal dem Besucher die Möglichkeit geben, mal ein ganzes Werk Beethovens dann auch zu hören. Was relativ untypisch ist für ein Museum."
Auf der Galerie kann man mit Funkkopfhörern eine komplette Interpretation der 5. Sinfonie durch den Dirigenten Teodor Currentzis und das Orchester MusicAeterna hören und zwischen den Sätzen und jeweilig dazu gesprochenen Erläuterungen hin- und herspazieren. Das ist technische Spielerei und in einem Museum wahrscheinlich nie ideal zu platzieren.
"Das war auch die besondere Schwierigkeit. Also wie bekommt man in ein historisches Museum adäquat die Kunstform Musik an den Besucher? Also wie kann man Musik darstellen? Deshalb haben wir versucht, hier ein bisschen einen Gegensatz aufzumachen zwischen der großen Ankerarchitektur Ohr, wo wir Rezeptionsgeschichte abhandeln und dann einem Bereich des Themenpfades, wo wir tatsächlich allein die Musik in den Mittelpunkt stellen und losgelöst mal dem Besucher die Möglichkeit geben, mal ein ganzes Werk Beethovens dann auch zu hören. Was relativ untypisch ist für ein Museum."
Auf der Galerie kann man mit Funkkopfhörern eine komplette Interpretation der 5. Sinfonie durch den Dirigenten Teodor Currentzis und das Orchester MusicAeterna hören und zwischen den Sätzen und jeweilig dazu gesprochenen Erläuterungen hin- und herspazieren. Das ist technische Spielerei und in einem Museum wahrscheinlich nie ideal zu platzieren.
Wie hat Beethoven seine 9. Sinfonie bei der Uraufführung gehört?
Inhaltlich besser eingebunden ist ein anderes musikalisches Ereignis, das die Besucher in Geschichte und Gegenwart gleichermaßen führen kann. Es findet in der Museumsskulptur des Riesenohrs statt. In vier Hörbeispielen wird hier anschaulich gemacht, wie Beethoven seine 9. Sinfonie bei der Uraufführung vermutlich gehört hat: mit den Symptomen einer mittleren Schwerhörigkeit, mit einem Tinnitus-Rauschen sowie ohne das Vermögen, hohe Frequenzen wahrzunehmen.
Der Themenpfad zu Beethoven ist knapp, Beethovens Schwerhörigkeit spielt darin auf den ersten Blick eine überproportional große Rolle. Doch das Kuratorenteam hat sich hier geradezu schwindelerregend viele Gedanken gemacht. Man nimmt die Hörprobleme zum Anlass, um dem Inklusionsgedanken des Deutschen Historischen Museums gerecht zu werden: Zum einen sollen Hör- und Sehbehinderte von der Ausstellung etwas haben, zum anderen sollen die Exponate auch irgendwie dazu beitragen, dass nichtbehinderte Besucher sich in die Handicaps der Anderen hineindenken können. So hat Kurator Christian Kämpf dem Physiker und Beethoven-Zeitgenossen Ernst Florens Chladny eine Installation gewidmet.
"… der versucht hat, Klang, Schall sichtbar zu machen, indem er Metallplatten in Schwingung versetzt hat und mit Sand bestreut hat. Dabei entstehen geometrische Figuren. Wir nehmen dieses Experiment auf mit einer künstlerischen Umsetzung und versuchen, Beethovens 5. Sinfonie – zumindest dieses berühmte Viertonmotiv am Anfang – auch aus dem auditiven Bereich in einen visuellen Bereich zu überführen und können mit diesen Klangfiguren das berühmte Tatatataaa bildlich darstellen."
Der Themenpfad zu Beethoven ist knapp, Beethovens Schwerhörigkeit spielt darin auf den ersten Blick eine überproportional große Rolle. Doch das Kuratorenteam hat sich hier geradezu schwindelerregend viele Gedanken gemacht. Man nimmt die Hörprobleme zum Anlass, um dem Inklusionsgedanken des Deutschen Historischen Museums gerecht zu werden: Zum einen sollen Hör- und Sehbehinderte von der Ausstellung etwas haben, zum anderen sollen die Exponate auch irgendwie dazu beitragen, dass nichtbehinderte Besucher sich in die Handicaps der Anderen hineindenken können. So hat Kurator Christian Kämpf dem Physiker und Beethoven-Zeitgenossen Ernst Florens Chladny eine Installation gewidmet.
"… der versucht hat, Klang, Schall sichtbar zu machen, indem er Metallplatten in Schwingung versetzt hat und mit Sand bestreut hat. Dabei entstehen geometrische Figuren. Wir nehmen dieses Experiment auf mit einer künstlerischen Umsetzung und versuchen, Beethovens 5. Sinfonie – zumindest dieses berühmte Viertonmotiv am Anfang – auch aus dem auditiven Bereich in einen visuellen Bereich zu überführen und können mit diesen Klangfiguren das berühmte Tatatataaa bildlich darstellen."
Im Strom der Weltgeschichte
Der Themenpfad Beethoven im Deutschen Historischen Museum ist eher der reißende Nebenarm eines mächtigen Geschichtsflusses. Er beginnt im Raum des aufgeklärten Absolutismus, neben den ausgestellten Schriften von Diderot und Kant. Nach mehreren Strudeln im Raum der Französischen Revolution und der napoleonischen Kriege bis zum Wiener Kongress endet er an einem Webstuhl. Die Mechanisierung der Welt ist eines der größten wirtschaftspolitischen Themen in den Jahrzehnten nach Beethovens Tod. Der Komponist, so berühmt er war – er ist da bereits im Strom der Weltgeschichte untergetaucht.