Deutschland Dialekte in der Politik: Beständig und beworben
Politische Debatten in Deutschland sind meist hochdeutsch geprägt. Im Bundestag und in Landtagen sind Dialekte und regionale Sprachen aber immer wieder zu hören. Auch wenn sie manchen als minderwertig gelten: Der Umgang mit ihnen ist politisch.
Wer glaubt, dass nur lupenreines Hochdeutsch die politischen Debatten präge, der täuscht sich. Der FDP-Abgeordnete Muhanad Al-Halak gehört zu denen, die da einen Kontrapunkt setzen.
„Für mich als Mitbürger mit Migrations-Vordergrund – Sie wissen ja. Ich komme aus Niederbayern.“
Die weiche Aussprache des gebürtigen Irakers Al-Halak verbindet sich mit dem leicht gerollten R seiner bayrischen Heimat. Eine Melange zeigte sich auch schon 1996 bei einem heutigen Bundesminister.
Randi Crott: „Wird bei Ihnen zuhause türkisch oder deutsch gesprochen?“
Cem Özdemir: „Mehr oder weniger türkisch, allerdings immer wieder mit deutschen Begriffen oder schwäbischen Brocken durchsetzt.“
Cem Özdemir als Endzwanziger im Gespräch mit der WDR-Moderatorin Randi Crott. Und auf ihre Frage, welchem Fußballclub er die Daumen halte, wurde Özdemir dann vollends schwäbisch.
„Also, wenn, dann am eheschden 'em VfB Stuttgart!“
Weitere Teile der Reihe "Die Politik von Sprachen"
Damals, vor 26 Jahren, wurden lokale Idiome in der Bundespolitik etwas seltener gesprochen. Welche Rolle aber spielen sie im politischen Dialog? Und wie präsent sind Dialekte dort heute? Diese Fragen gehen über die bundespolitische Sphäre hinaus. Das weiß auch Ilse Aigner von der CSU, Landtagspräsidentin in Bayern.
„Hier im Parlament kann man die unterschiedlichsten Klangfärbungen und Dialekte auch immer miterleben. Vielleicht weniger so direkt bei den Reden, aber wenn dann so Zwischenfragen kommen oder wenn dann so etwas hitziger debattiert wird, dann kommen die unterschiedlichsten Klangfarben und Dialekte durch. Und wir haben ja ganz verschiedene Regionen, und da ist das Oberpfälzisch ganz anders als das Allgäuerisch, und das Unterfränkisch hört sich wieder ganz anders an als Oberbayern."
„Herr Wehner, Sie haben auf diesem Gebiet Ihren Sachverstand auch heute bei der Garderobe abgegeben, vielleicht wär's ganz gut, wenn Sie mich nicht stören würden.“
In Oberbayern, um die Ecke von Ilse Aigner, lag auch der Wahlkreis eines der bekanntesten Parlamentarier mit lokalem Idiom.
[Carstens:] „Herr Abgeordneter Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rühlbacher? Kühlbacher, Entschuldigung! Bitteschön!"
[Kühlbacher:] „Herr Kollege Strauß, würden Sie mir zustimmen, dass wir im Moment einem Aufzug der Bayerischen Kammerspiele beiwohnen?“
[Strauß:] „Wenn die Beiträge Ihrer Redner in den letzten Tagen immer die Qualität der in den Bayerischen Kammerschauspielen aufgeführten Stücke hätten, hätte das Parlament erheblich an Wert gewonnen!
Sprachliche Variation als Normalität
Nicht nur die Rhetorik eines Franz Josef Strauß ist selten geworden. Unter bundesweit bekannten Politikern, so scheint es, haben die 70er- bis 90er-Jahre einen pro-hochdeutschen Schub gebracht. Standarddeutsch als fix normiert zu betrachten, wäre aber verfehlt. Der Sprachwissenschaftler Hubert Klausmann:
„Sprachliche Variation ist das Normale. Wir haben in Deutschland viel zu lange geglaubt, dass es immer nur in einem Land eine Sprache geben kann. Das ist eigentlich ein Irrtum. In allen Ländern, die wir haben um uns herum, gibt es immer mehrere Sprachen.
Hubert Klausmann arbeitet an der Universität Tübingen. Und auch dort in Baden-Württemberg gibt es eine erstaunliche sprachliche Vielfalt. Angefangen mit dem Alemannischen rund um Freiburg. In der Landesmitte klingt es dann schon ganz anders, erklärt der Grünen-Politiker Markus Rösler.
„Das nennt man dann kaschdriertes Honoratiore’schwäbisch, was in Stuttgart eher gesprochen wird, um so weiter man ins Land kommt – und es gibt jetzt eine neue Dialektstudie auch – interessanterweise nicht irgendwo in Oberschwaben oder auf der Alb, sondern im Hohenlohischen, also Richtung Franken, da ist auch in der Grundschule noch am meisten Dialekt verbreitet.“
Mir macht große Sorje der Unfuuch, der mit der deutschen Sprache jetrieben wird!
Keine Rede von Hochdeutsch also auch bei Konrad Adenauer.
Die Methode der deutschen Außenpolitik muss sein, langsam und stückweise weiterzukommen – sie muss vor allem auch psyscholorich sein.
‚Psyscholorich‘ war damals wohl auch das Erfolgsrezept der Westintegration. Sprachgeographisch bewegte sich Adenauer allerdings in einer Übergangszone.
Die Düsseldorfer Linguistin Jasmin Pfeifer beobachtet ein Süd-Nord-Gefälle.
„Das heißt: Im Süden sind die Dialekte wesentlich weiterverbreitet und wesentlich mehr am Leben als im Norden, das kann man ganz klar beobachten.“
Pfeifers Kollege Hubert Klausmann erklärt das daraus, dass sich süddeutsche Dialekte mit dem Standarddeutsch stufenlos auf einer breiten Skala mischen lassen, anders als die norddeutschen Mundarten. So klang es bei einem bekannten Hamburger Politiker sehr gemäßigt. Helmut Schmidt:
Brigitta, sind Sie das? Was ham' Sie mir alles für'n Mist auf'n Schreibtisch gelegt hier? Das sah hier aus, Mensch, wie bei Karstadt, hier alles vollgepackt, hier liegt auch noch wat... weiß man gar nich', was man lesen soll – pack mir meine Briefe, wie sich's gehört, dahin und den Lese-Mist auf den andern Stapel un' nich' 'n ganzen Tisch voll!
In Helmut Schmidts norddeutscher Heimat gibt es einen deutlichen Bruch: hier das sogenannte Hochdeutsch, de facto die Hannoversche Mundart. Dort das Niederdeutsche, das Platt.
Mit Dialekten politische Krisen entschärfen
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johann Saathoff aus Ostfriesland hat Platt von klein auf gelernt.
„Wenn ich höre im Wahlkreis, dass jemand sich bemüht, hochdeutsch zu sprechen und man dann aufs Platt fällt, dann merkt man ja auch, wie Menschen entspannt sind und sagen: Gott sei Dank! Und dann wird eben auf Platt weitergesprochen.“
Dieses Verfahren, das Hochdeutsche zu meiden, ist auch in südlicheren Regionen praktikabel. Man konnte damit sogar brisante politische Krisen entschärfen.
Im November 1918 wurden in ganz Deutschland die Fürsten und Könige entmachtet, eine Epoche ging zu Ende. Aber während sich Wilhelm II. in Preußen an seinen Thron klammerte, soll der sächsische König Friedrich August nur mit einem kurzen Wort das Feld geräumt haben:
Moocht euer’n Dräck alleene!
Heute in Sachsen ein Klassiker der politischen Rhetorik. Ob Mundart, ob Platt, ob Dialekt – eben nicht Hochdeutsch zu sprechen, kann politische Brücken schlagen.
„Das regionale Sprechen verbindet immer! Und zwar auch über die Parteien hinweg“, bestätigt der Sprachwissenschaftler Hubert Klausmann. Das wirkt sich aus bis in die Feinheiten eines Gespräches. Der rheinische Bundestagsabgeordnete Otto Fricke, FDP.
„Zuhören kannst du intellektuell darstellen, dass du es tust, du kannst es aber auch emotional tun. Und das hilft bei Wettbewerbern, weil sie dann merken: Ok, hier geht es jetzt nicht um eine kühle Analytik und Macht, sondern hier geht's darum, Gemeinsamkeiten, Lösungen zu finden. Oder auch, wenn man keine Lösung zu finden hat, das Nicht-Lösen auch darzustellen. Fair darzustellen.“
Das kann auch funktionieren, wenn man plattdeutsch spricht. Letzteres praktizierten die Abgeordneten des Bundestages schon vor fast 30 Jahren: 1994 debattierten sie erstmals offiziell auf Platt. WDR-Korrespondent Klaus-Jürgen Haller berichtete mit hörbarem Vergnügen.
[Haller:] „Haben die nichts Besseres zu tun? Oder: Hemm die doh in Bonn nix anners zu dohn als üver Platt en Platt zu snacken? Der Kernsatz der Debatte, wie mir schien, war der Folgende:
[Wolfgang Börnsen:] „Un een, de plattdüütsch snaken kann, is nu lang keen Döösbaddel!“
[Haller:] „So isses!“
Der SPD-Politiker Saathoff stimmt zu:
"Plattdeutsch ist ja eine wesentlich bildreichere und direktere, aber auch blumigere Sprache, aus meiner Sicht, als es das Hochdeutsche ist. Deswegen kann man im Plattdeutschen auch Dinge ausdrücken, die man vielleicht auf hochdeutsch nur mit 'nem Ordnungsruf verbunden ausdrücken könnte."
Er und seine FDP-Kollegin Gyde Jensen haben 2022 im Bundestag einen ‚Parlamentskreis Plattdeutsch‘ gegründet. Bundestagsabgeordnete treffen sich regelmäßig und snaken Platt.
Jensen und Saathoff werben dafür, dass künftig auch im Plenum häufiger wieder so debattiert wird. Von mehr Platt im Parlament versprechen sie sich durchaus etwas.
Saathoff: „Ich bin davon überzeugt, dass es ein Signal ist, an die Bevölkerung, wenn sich die Parlamentarier mit Plattdeutsch und anderen Minderheitensprachen – muss man auch noch mal dazusagen – auseinandersetzen und diese mindestens ernst nimmt.“
Die Öffentlichkeit als Richterin über die Sprache
Ob man das Platt nimmt oder die Dialekte: es wäre verfehlt, zu glauben, sie seien gegenüber der Standardsprache minderwertig. Dieser Irrglaube allerdings habe sich in vielen Köpfen festgesetzt, konstatiert Hubert Klausmann.
„Das Hauptproblem an der ganzen Geschichte ist eben die Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit bestimmt, was gut und was schlecht ist. Und die Öffentlichkeit bestimmt zurzeit in Deutschland, dass norddeutsches Sprechen gut ist – und da müssen Sie eben als Süddeutscher aufpassen.“
Eben wegen jenes unausrottbaren Vorurteils. So wird es auch hier wieder politisch, ein klein wenig. Kritisch wird es, wenn Dialekt und Minderheitensprache destruktiv eingesetzt werden. Otto Fricke.
„Wenn man es zur Abgrenzung benutzt, dann ist es politisch. Also, wenn man sagt: Du bist ja einer von denen da oben, weil, du kannst ja nur Hochdeutsch! Dann ist es sehr, sehr gefährlich, weil das das Umgekehrte ist von: Du kannst ja noch nicht einmal Hochdeutsch, du bist ja zu dumm!“
Das ist das bekannte Klischee. Es schlägt sich sogar nieder, wenn jemand neu in die Politik kommt und dort Karriere machen will. Wer das Standarddeutsch nicht beherrscht, hat es da schwerer, beobachtet Ilse Aigner.
„Also, ich glaube, man muss sich dann schon immer mehr anstrengen, erst mal auch noch die Kompetenz darzustellen, weil manche meinen, Dialekt sprechen hat was mit Intelligenz zu tun, was de facto falsch ist, aber es wirkt vielleicht ein Stück weit so.“
Zu Unrecht besonders schief angesehen werden hier jene, die das sogenannte Sächsisch sprechen – korrekt müsste man sagen: die thüringisch-obersächsische Dialektgruppe. Dabei erwarb sich ein Kind dieser Region weltweites Renommee.
„Als meine Mutter in diesem Haus geboren wurde, hieß der Ort Schönnewitz. Als ich dort geboren wurde, hieß er Reideburg, und als mein sehr viel jüngerer Vetter dort geboren wurde, hieß der Ort schon Halle, weil er inzwischen nämlich nach Halle an der Saale eingemeindet wurde. Ich erwähne das deshalb, weil ich mich mit guten Gründen also als Hallenser bezeichnen kann.“
Was aber wäre geschehen, wenn Hans-Dietrich Genscher als Jungpolitiker breitestes Ostthüringisch gesprochen hätte? Heute erobern Ostthüringisch und auch die anderen Dialekte Neuland. Und zwar gerade, wenn es darum geht, sie zu verschriftlichen. An sich war das immer schwierig, in den sozialen Medien aber findet man Wege, nicht zuletzt in süddeutschen Dialekten, weiß Ilse Aigner.
„Da habe ich mit meinen Nichten und Neffen den Eindruck, die schreiben nur noch Bayerisch, was eine gewisse Herausforderung für die Autokorrektur ist.“
Und in den Dialogen bei Whatsapp, Instagram oder per SMS finden sich viele Gelegenheiten, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Konstanze Marx von der Universität Greifswald.
„Zum Beispiel, wenn es Momente gibt potentieller Konflikte. Man zeigt sich dann also hier grundsätzlich erst mal an, dass es eine stabile Beziehung gibt zwischen den beiden Interaktionspartner*innen, und damit dieser potentielle Konflikt nicht eskaliert, wird quasi so Ernsthaftigkeit aus der Situation herausgenommen, teilweise auch schon antizipierend.“
Und auch in heiklen Situationen: Wenn etwa ein Herr eine Dame per Kurznachricht daran erinnert, dass sie gerade die gemeinsame Verabredung vergessen habe.
„Das insgesamt ist ein gesichtsbedrohender Akt. Und um den sozusagen abzuschwächen, verfällt er in den Dialekt, versucht damit, höflich zu sein, und das ist natürlich ein Mehrwert auch grundsätzlich für soziale Medien. Aber es ist etwas, was sich eingliedert in ein ganz breites semiotisches Repertoire, was wir in den sozialen Medien finden, also Emoji-Gebrauch, überhaupt visuelle Kommunikate, dann eben also stilistische Variation, orthographische Variation und eben auch Dialekte.“
Dialekt als falsches Hochdeutsch in Schulbüchern
Wenn man so will, haben Dialekte hier also eine Chance, gerade von Jugendlichen eingesetzt zu werden: spontan und spielerisch. Die Schul-Lehrpläne etwa in Süddeutschland wollen zwar Dialekte fördern, erklärt Hubert Klausmann, „aber, das wird nicht gemacht. Man braucht nur einen Blick in die Schulbücher rein zu tun und dann sehen Sie dort nichts anderes als vielleicht eine Seite, wo Asterix im Dialekt steht, und dann sollen die Kinder das übersetzen. Und da haben wir schon wieder das Problem, als ob der Dialekt ein falsches Hochdeutsch wäre.“
In Norddeutschland scheint es weniger Berührungsängste gegenüber dem lokalen Idiom zu geben. Das Platt schaffte es sogar einmal in die Neujahrsansprache eines Kanzlers.
Wenn de Mensch dohn deit, watt he kann, denn kann he nich mehr dohn, as he deit.
"Auf Hochdeutsch bedeutet das ungefähr dieses: Wenn einer alles tut, was er kann, dann kann man nicht noch mehr von ihm verlangen.“
Um weiter südlich die Dialekte gegenüber dem Standarddeutsch zu stärken, hat man sich erfinderisch gezeigt.
Sorbisch: Im Brandenburg und Sachsen offizielle Amtssprache
Jasmin Pfeifer von der Universität Düsseldorf hat ein Projekt am Südrand Thüringens initiiert: Rund um die Kleinstadt Steinach hat sie geforscht, unter anderem für ein Mundart-Wörterbuch.
„Mir haben Leute E-Mails geschrieben, wir haben eine Webseite eingerichtet, wo die Leute Worte eingeben konnten. Mich haben die wunderschönsten handgeschriebenen Briefe erreicht, wir haben eine Art Dialekt-Briefkasten eingerichtet, wo die Leute Wortlisten reinwerfen konnten. Das heißt: Die Leute haben ganz fleißig mitgemacht und haben eben Wörter gesammelt.“
Das Steinacher Wörterbuch soll 2023 erscheinen. Mehrere Hundert Kilometer östlich Steinachs gestaltet es sich schwieriger, eine Sprache am Leben zu halten. Dort, in der Lausitz, wird Sorbisch gesprochen. Es ist in Brandenburg und Sachsen sogar eine offizielle Amtssprache. Genaugenommen gibt es zwei sorbische Sprachen: Ober- und Niedersorbisch. Und das Niedersorbische hat es besonders schwer, erklärt der Sprachwissenschaftler Till Vogt von der Universität Leipzig.
„Die Sprache ist im Wesentlichen tot, die genaue Sprecherzahl ist gar nicht bekannt. Schätzungen sowohl unseres Instituts als auch des Sorbischen Instituts in Bautzen beziehungsweise Cottbus rangieren zwischen 1.000 und 2.000 Sprechern des Niedersorbischen, vielleicht noch 100 Muttersprachler.“
Niedersorbisch wird in Brandenburg gesprochen, Obersorbisch in Sachsen. Das Obersorbische hatte von 2008 bis 2017 in Sachsen einen prominenteren Vertreter: Den sorbischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich von der CDU. Tillich machte aus seiner Herkunft und Identität keinen Hehl, er trug das Sorbische allerdings auch nicht demonstrativ vor sich her. Dass er fließend sorbisch spricht, zeigte er in seinen Reden.
Das ist ein Ausschnitt aus Stanislaw Tillichs Grußwort an die Domowina: an den Bund, in dem sich die Sorben schon vor über hundert Jahren organisiert haben. Die Domowina-Bildungsreferentin Katrin Suchy-Zieschwauck ist Obersorbin, sie lebt in Radibor bei Bautzen. Dem Obersorbischen geht es weit besser als dem Niedersorbischen; aber auch in Radibor trifft die Sprache auf Vorbehalte.
„Aus welchen Gründen auch immer, gibt es tatsächlich Eltern, die haben irgendetwas in sich, was sie eine Antipathie gegen diese Sprache hat entwickeln lassen. Dann haben die Kinder schon eine negative Grundeinstellung, die sie da mitbringen zu der Sprache, und dann entwickelt sich das natürlich sehr schwierig.“
Über die Gründe könne man nur spekulieren. Auch auf solche Aversionen aber versucht die offizielle Politik zu antworten. Sprachwissenschaftler Till Vogt.
„Die sorbischen Sprachen haben ja Verfassungsrang in Brandenburg und Sachsen, mit jeweils noch ausführenden Gesetzen. Und dort ist dann genau beschrieben, wie das Sorbische gefördert werden soll in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien beispielsweise.“
So haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender RBB und MDR feste Programmplätze eingerichtet – mit dem Auftrag: Die sorbische Kultur zu pflegen. Roman Nuck leitet im MDR die Redaktion des Fernsehmagazins Wuhladko – zu deutsch Ausblick. Aber Nuck verweist noch auf weitere Angebote.
„Wir senden ja täglich wochentags vier Stunden im Radio unser Frühprogramm, und in vielen sorbischsprachigen Familien wird dieses Angebot auch genutzt. Wir haben seit mittlerweile über 20 Jahren eine eigene Jugendsendung, Radio Satkula heißt die.“
Ob sorbisch, fränkisch, pfälzisch oder Platt: sich gegen die Standardsprache zu behaupten, ist durchaus politisch. Erst recht, wenn man es in der politischen Sphäre tut. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke sieht hier auch eine geradezu demokratietheoretische Dimension:
„Wenn die Frage kommt: Wo steht der Politiker zwischen Bürgerin und Bürger auf der einen Seite und Staat auf der anderen? Dann soll der ja eigentlich im Idealbild genau dazwischen stehen, er ist der Mittler zwischen Bürger und Staat. Und in dem Moment, wo der dann Dialekt, Regiolekt oder was auch immer spricht, sagen die Leute: Och! Is' ja 'n janz Normaler!“
Erst recht gilt das in Süddeutschland. Auch wenn man da an die Wahl künftiger Landesoberhäupter denkt. Da geht es für den baden-württembergischen Grünen-Politiker Markus Rösler auch um Bürgernähe. Namen will Rösler zwar bewusst nicht nennen. Aber:
„Da wird natürlich auch die Frage sein: Ist das jemand, eine Frau oder ein Mann, die oder der noh bei de Leit isch? Un' noh bei de Leit isch man mit dem Dialekt oi'fach e' Nase'länge voraus!“