
Deutschland steht vor finanziellen Herausforderungen. Wie soll eine neue Bundesregierung die nötigen Investitionen stemmen? Soll die Schuldenbremse reformiert werden oder braucht es Sondervermögen? Beide Wege bedeuten neue Schulden und erfordern eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Die Sondierungen zwischen Union und SPD könnten auf den Beschluss von Sondervermögen für die Bundeswehr und die Infrastruktur hinauslaufen.
Welche Vorschläge zu Sondervermögen gibt es?
Es geht um große Summen. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag von führenden Ökonomen. Laut Nachrichtenagentur Reuters schlugen Clemens Fuest, Michael Hüther, Moritz Schularick und Jens Südekum zwei Sondervermögen vor. Demnach sollte die Bundeswehr 400 Milliarden Euro bekommen. Weitere 400 bis 500 Milliarden Euro an Sondervermögen wären für Investitionen für Bund und Länder veranschlagt.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagte gegenüber Reuters mit Blick auf Friedrich Merz: "Der aller Voraussicht nach künftige Kanzler muss sehr schnell ein starkes Signal senden, die Verteidigungsbereitschaft deutlich zu steigern."
Zügiges Handeln ist auch deshalb gefragt, weil die Finanzlage Deutschlands wenig Anlass zu Hoffnung gibt. Der amtierende Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) machte das deutlich bei der ersten Sondierungsrunde von Union und SPD am 28. Februar.
Was bedeutet Sondervermögen?
Sondervermögen ist kein Vermögen, sondern es sind Schulden, die außerhalb der Kreditlinien des Bundeshaushalts und der Schuldenbremse aufgenommen werden. Ein Sondervermögen erfordert einen Artikel im Grundgesetz und ein Ausführungsgesetz. Darin wird festgelegt, wofür das Geld verwendet werden soll und in welcher Zeitspanne die Schulden zurückgezahlt werden müssen. Die Rüstungsindustrie braucht auch Planungssicherheit.
Eckart Lohse von der FAZ wies darauf hin, dass das Geld „nicht plötzlich auf dem Tisch“ liegt. Es gehe um längere Zeiträume. Die 100 Milliarden Euro aus dem ersten Sondervermögen für die Bundeswehr, das nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 beschlossen wurde, endet 2027.
Hinsichtlich des Abbaus künftiger Schulden müsste CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz von seinen Äußerungen im Wahlkampf abrücken. Er hatte wiederholt auf Steuereinnahmen aus einer wachsenden Wirtschaft verwiesen. Nicht ausgeschlossen, dass stattdessen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer kommt.
Wie stehen Union und SPD zu Sondervermögen?
Eine grundsätzliche Einigung von Union und SPD auf Sondervermögen ist absehbar. SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich am 3. März 2025 allgemein. In den nächsten Tagen solle geklärt werden, wie eine Finanzierung von Verteidigung und Infrastruktur aussehen könne. Es gehe um erhebliche Investitionen in Schulen, Schienen und Sicherheit.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betonte die Dringlichkeit einer Einigung in Finanzfragen. Aus der Union kamen zuvor entsprechende Signale. Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte: „Wir müssen klarmachen, dass unsere Sicherheit mehr Verantwortung, aber auch mehr Mittel bedeutet.“
Wie könnte Sondervermögen im Bundestag verabschiedet werden?
Für die Verabschiedung eines Sondervermögens ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat notwendig. Diese besitzen Union und SPD nach der Bundestagswahl nicht. AfD und Linke haben im Bundestag zusammen eine Sperrminorität.
Die Linke hat bereits signalisiert, dass sie einem Sondervermögen für Aufrüstung nicht zustimmen wird. Die AfD lehnt Sondervermögen und eine Reform der Schuldenbremse ab.
Deshalb gibt es Überlegungen, eine Abstimmung noch kurzfristig mit den alten Mehrheiten herbeizuführen. Das wäre mit Union, SPD und Grünen möglich. Von den Grünen gab es dazu bisher unterschiedliche Signale. Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich für eine Reform der Schuldenbremse aus.
Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge plädiert für eine umfassende Reform, diese bringe langfristige Planungssicherheit. Weitere Sondervermögen, wie Friedrich Merz sie plane, könnten nur eine zeitweise Überbrückung sein. Sie seien der „kurzsichtigste Weg“.
Der neue Bundestag konstituiert sich am 25. März 2025. Der alte hat zwar rechtlich bis dahin das volle Mandat, aber wohl ein Legitimationsproblem bei so weitreichenden Entscheidungen.
Ist eine Reform der Schuldenbremse vom Tisch?
Vorerst wird es wohl keine Reform der Schuldenbremse geben. Auch dafür wäre wie für ein Sondervermögen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich. Man wäre auf die Stimmen von Linkspartei oder AfD angewiesen, die zusammen eine Sperrminorität haben. Die Linke plädiert für eine Abschaffung der Schuldenbremse zugunsten von mehr Investitionen, zum Beispiel in den ökologischen Umbau der Industrie.
Der CDU-Vorsitzende und wahrscheinlich nächste Kanzler Friedrich Merz schloss zuletzt eine Lockerung noch im alten Bundestag aus. Auch im Wahlkampf hatte sich die Union dagegen ausgesprochen.
Schon zu Zeiten der Ampelregierung hatten SPD und Grüne dafür geworben, die Schuldenbremse zugunsten von mehr Investitionen zu reformieren. Das Thema dürfte allerdings erhalten bleiben.
Forderungen zur Reform der Schuldenbremse gibt es auch aus den unionsgeführten Bundesländern. Die Schuldenbremse ist für die Länder noch strenger als für den Bund. Nicht ausgeschlossen, dass eine Reform später kommt und die Union wegen der zugespitzten außenpolitischen Lage zustimmt.
bth