Jochen Spengler: Vor 65 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von sowjetischen Truppen befreit. Eine Million Menschen haben die Nazis dort ermordet, die meisten von ihnen Juden. Seit 2005 ist der 27. Januar internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. Um die Erinnerung auch für künftige Generationen wach zu halten, hat der damalige Bundespräsident Roman Herzog schon 1996 den 27. Januar zum nationalen Gedenktag in Deutschland erhoben. Der Deutsche Bundestag begeht den Gedenktag heute mit einer Feierstunde, in der Israels Präsident Shimon Peres, der seit vorgestern zum Staatsbesuch in Deutschland weilt, am Mittag eine Rede halten wird.
Am Telefon ist nun Gil Yaron, ein in Deutschland geborener und seit mehreren Jahren in Israel lebender deutsch-israelischer Journalist und Autor, der nicht, so hat er gesagt, zwischen den Stühlen sitzt, sondern auf zwei Stühlen. Guten Morgen, Herr Yaron.
Gil Yaron: Schönen guten Morgen!
Spengler: Was erwarten Sie denn von der Rede des Friedensnobelpreisträgers und israelischen Präsidenten heute in Berlin?
Yaron: Ich erwarte erst mal keine großen Überraschungen. Die Themen, die Shimon Peres vor dem Bundestag ansprechen wird, sind eigentlich relativ klar. Er wird natürlich von der Geschichte sprechen, er wird davon sprechen, wie notwendig es ist, auch im Jahr 2010 ganz entschieden gegen Antisemitismus in der ganzen Welt vorzugehen – der Antisemitismus, der seinen hässlichen Kopf immer weiter erhebt. 2009 war das Jahr mit den meisten antisemitischen Vorfällen seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber Peres wird auch das Thema ansprechen, das den Israelis heutzutage am wichtigsten ist, nämlich die Bedrohung durch den Iran, die Angst davor, dass ein nuklearer Holocaust dem Staat Israel als Vertreter der Juden in aller Welt bevorsteht, wenn Ahmadinedschad, der Präsident des Iran, eine Atombombe zur Verfügung hat. Aber Peres, wie er ist, möchte natürlich nicht auf einer pessimistischen Note abschließen; er wird auch über eine gute Zukunft sprechen, über Zukunft von Frieden im Nahen Osten, und er wird auch davon sprechen, was für ein gutes Beispiel die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind, in der Jugendliche, wie wir eben in dem Beitrag gehört haben, eine bessere Zukunft gemeinsam aufbauen.
Spengler: Wird so eine Rede in Israel auch beachtet?
Yaron: Ja. Auf jeden Fall wird die Rede von Shimon Peres in Israel beachtet, obwohl man sagen muss, dass erst einmal der internationale Gedenktag für den Holocaust in Israel eine untergeordnetere Rolle spielt als im Rest der Welt, einfach aus dem Grund, dass man hier einen anderen Gedenktag hat und die Beziehungen zu Deutschland hier eigentlich viel mehr zur Normalität gehören, als sie es in Deutschland tun. Der Blick über das Mittelmeer auf die andere Seite ist von hieraus gesehen weitaus entkrampfter, als wenn man es aus Deutschland in Richtung Israel tut.
Spengler: Darauf kommen wir gleich. Ich würde gerne noch einen Moment bei dem Holocaust-Gedenktag bleiben. Sie sagen, Israel hat einen eigenen Holocaust-Gedenktag, sogar zwei, wenn ich richtig informiert bin. Wie ist das überhaupt, der Holocaust in Israel? Wie wird das wahrgenommen? Ist das eine lästige Pflichtveranstaltung inzwischen, oder ist das doch weitaus mehr noch?
Yaron: Nein. Ich glaube ganz im Gegenteil, es ist keine lästige Pflichtveranstaltung. Der Holocaust ist noch immer ein entscheidender Teil der Identität der modernen Israelis, selbst wenn es um Teile der Bevölkerung geht, die den Holocaust nicht selber durchgemacht haben, wie zum Beispiel die Hälfte der Bevölkerung. Leute, die ihre Wurzeln in arabischen Staaten haben und hier nach der Staatsgründung eingewandert sind, die nicht unter Nazi-Herrschaft gelitten haben, die haben den Holocaust zum Teil auch zu ihrer eigenen Geschichte gemacht heutzutage. Es gibt kaum eine Schulklasse, die nicht Yad Vashem, die zentrale Holocaust-Gedenkstätte, besucht und es gibt fast keinen Soldaten, der nicht im Laufe seines Armeedienstes nicht dieselbe Holocaust-Gedenkstätte besucht und sagt, dadurch, dass ich jetzt Soldat in der israelischen Armee bin, verhindere ich, dass so was in der Welt noch mal geschehen kann, und vor allem, dass so etwas meinem Volk noch mal widerfahren kann. Das ist ein ganz zentraler Bestandteil der heutigen israelischen Identität.
Spengler: Nun ist ja für den Holocaust Deutschland verantwortlich. Was denken dann auch junge Israelis, wenn das immer noch so im Bewusstsein ist, heute über Deutschland?
Yaron: Da muss man wirklich der israelischen Staatsführung ein Kompliment machen. Im Prinzip seit David Ben Gurion, dem ersten Premierminister Israels, machen die Israelis eine ganz klare Unterscheidung zwischen Deutschen und Nazis, und so ist natürlich das Wort Nazi noch immer sehr negativ behaftet in Israel und wird es wahrscheinlich auch in Ewigkeit bleiben, aber das Wort Deutsche und Deutschland hat in Israel durchaus positive Konnotationen heute. Mehr als die Hälfte der Israelis denken zum Beispiel, dass Deutschland eine positive Erscheinung in der Welt ist, wünschen sich eine größere Rolle für Deutschland in der EU, die intensivere Beziehung zwischen Israel und Deutschland. Und das wohl Überraschendste: Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat gefunden, dass jeder dritte Israeli heute meint, dass Deutschland aufgrund des Holocaust keine besondere Verpflichtung mehr zu Israel hat, sondern dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel eigentlich normal sein sollten.
Spengler: Haben Sie eine Erklärung dafür?
Yaron: Wie gesagt, das ist diese große Unterscheidung, die gemacht wird, zwischen Nazis und Deutschen hier in Israel. Ich kenne keinen Deutschen, der hier Israel besucht hat und der damit eine negative Erfahrung gemacht hätte, dass er hier herkam. Deutsche werden hier meist recht herzlich aufgenommen, und weil man anerkennt, was Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg getan hat: eine wirkliche Sühnearbeit, eine wirkliche Reuearbeit. Die Geschichte wurde in Deutschland aufgearbeitet, wie es sich gehört, und in Israel erkennt man auch an, dass Deutschland einer der wichtigsten und treuesten israelischen Partner in der ganzen Welt ist.
Spengler: Es gibt viele Zeitungsberichte, die davon berichten, dass gerade junge Israelis besonders an Berlin interessiert seien, dass Berlin besonders angesagt sei. Können Sie das eigentlich bestätigen?
Yaron: Ja. Ich glaube, Berlin gilt als einer der coolsten Plätze in der Welt im Augenblick hier in Israel. Hunderttausende Israelis fahren jedes Jahr nach Deutschland, die Lufthansa ist die wichtigste Fluglinie nach El Al, der israelischen Fluglinie. Israelis benutzen also deutsche Fluglinien und kommen über Berlin, über München, über Frankfurt nach Europa und in die ganze Welt, nutzen Deutschland als Tor zur Welt und bleiben natürlich dann auch in Deutschland hängen. Berlin an sich ist in Israel sehr beliebt.
Spengler: Gibt es auch junge Israelis, die Deutsch lernen, oder ist das eine absolute Minderheit?
Yaron: Das ist noch eine Minderheit. Die neue Betonung wird in Schulen vor allem im Augenblick auf China gesetzt. Da wird ein neues Programm durchgesetzt von der israelischen Regierung, die versucht, den Israelis Chinesisch beizubringen. Deutsch ist da eher eine dritte oder vierte Geige im Orchester. Aber das Goethe-Institut berichtet doch von vollen Klassen, von jungen Israelis mit deutschem Hintergrund, die Deutsch lernen wollen, die glauben, dass auch aufgrund der wichtigen, der umfangreichen Handelsbeziehungen zwischen Israel und der EU sie Deutsch können sollten, um sich auch eine bessere geschäftliche Basis für ihre Zukunft zu sichern. Viele Israelis fahren durch Deutschland und wollen auch Deutsch können. Es sind zwar nicht Hunderttausende, aber es sind bestimmt mehrere Hundert oder Tausend jedes Jahr, die gerne Deutsch lernen wollen.
Spengler: Herr Yaron, in Deutschland tun wir uns aufgrund unserer Vergangenheit schwer, mitunter an der israelischen Politik Kritik zu üben. Wie wird denn deutsche Kritik, so es sie gibt, in Israel wahrgenommen?
Yaron: Ich glaube, man sollte da mehrere Komponenten verstehen. Das erste ist: die Israelis sind so beschäftigt, sich selbst damit zu kritisieren, dass es ihnen natürlich sehr schwer fällt, von außen Kritik zu hören. Außerdem ist ja natürlich die Kritik, die in Deutschland verübt wird, wie Sie schon sagten recht brav. Wenn es um Israel geht, das ist weitaus zahmer als das, was die Israelis über sich selbst täglich sagen. Allein schon deswegen würde man das in Israel weniger hören.
Aber zweitens ist Israel natürlich auch meistens mit einer Nabelschau beschäftigt. Man hört weniger darauf, was im Ausland gesagt wird. Von den 60 Minuten Nachrichten, die es hier abends im Fernsehen gibt, im Vergleich zu der Viertel Stunde Tagesschau in Deutschland, sind ungefähr 50 Minuten dem Nahen Osten und israelischen Themen gewidmet. Da bleibt natürlich nur wenig Zeit, um zu hören, was in der Welt noch geschieht. Wenn aber dann Kritik aus dem Ausland kommt – und da ist Deutschland nicht anders als andere Staaten -, darauf reagieren die Israelis oft recht zimperlich. Sie sagen, ihr habt keine Ahnung, was wir hier durchmachen, welchen Gefahren und welchen Herausforderungen wir gegenüberstehen, ihr solltet euch lieber ruhig verhalten, wir üben unsere Kritik schon lieber selbst.
Spengler: Gil Yaron, deutsch-israelischer Autor in Tel Aviv. Danke für das Gespräch.
Yaron: Auf Wiederhören!
Am Telefon ist nun Gil Yaron, ein in Deutschland geborener und seit mehreren Jahren in Israel lebender deutsch-israelischer Journalist und Autor, der nicht, so hat er gesagt, zwischen den Stühlen sitzt, sondern auf zwei Stühlen. Guten Morgen, Herr Yaron.
Gil Yaron: Schönen guten Morgen!
Spengler: Was erwarten Sie denn von der Rede des Friedensnobelpreisträgers und israelischen Präsidenten heute in Berlin?
Yaron: Ich erwarte erst mal keine großen Überraschungen. Die Themen, die Shimon Peres vor dem Bundestag ansprechen wird, sind eigentlich relativ klar. Er wird natürlich von der Geschichte sprechen, er wird davon sprechen, wie notwendig es ist, auch im Jahr 2010 ganz entschieden gegen Antisemitismus in der ganzen Welt vorzugehen – der Antisemitismus, der seinen hässlichen Kopf immer weiter erhebt. 2009 war das Jahr mit den meisten antisemitischen Vorfällen seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber Peres wird auch das Thema ansprechen, das den Israelis heutzutage am wichtigsten ist, nämlich die Bedrohung durch den Iran, die Angst davor, dass ein nuklearer Holocaust dem Staat Israel als Vertreter der Juden in aller Welt bevorsteht, wenn Ahmadinedschad, der Präsident des Iran, eine Atombombe zur Verfügung hat. Aber Peres, wie er ist, möchte natürlich nicht auf einer pessimistischen Note abschließen; er wird auch über eine gute Zukunft sprechen, über Zukunft von Frieden im Nahen Osten, und er wird auch davon sprechen, was für ein gutes Beispiel die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind, in der Jugendliche, wie wir eben in dem Beitrag gehört haben, eine bessere Zukunft gemeinsam aufbauen.
Spengler: Wird so eine Rede in Israel auch beachtet?
Yaron: Ja. Auf jeden Fall wird die Rede von Shimon Peres in Israel beachtet, obwohl man sagen muss, dass erst einmal der internationale Gedenktag für den Holocaust in Israel eine untergeordnetere Rolle spielt als im Rest der Welt, einfach aus dem Grund, dass man hier einen anderen Gedenktag hat und die Beziehungen zu Deutschland hier eigentlich viel mehr zur Normalität gehören, als sie es in Deutschland tun. Der Blick über das Mittelmeer auf die andere Seite ist von hieraus gesehen weitaus entkrampfter, als wenn man es aus Deutschland in Richtung Israel tut.
Spengler: Darauf kommen wir gleich. Ich würde gerne noch einen Moment bei dem Holocaust-Gedenktag bleiben. Sie sagen, Israel hat einen eigenen Holocaust-Gedenktag, sogar zwei, wenn ich richtig informiert bin. Wie ist das überhaupt, der Holocaust in Israel? Wie wird das wahrgenommen? Ist das eine lästige Pflichtveranstaltung inzwischen, oder ist das doch weitaus mehr noch?
Yaron: Nein. Ich glaube ganz im Gegenteil, es ist keine lästige Pflichtveranstaltung. Der Holocaust ist noch immer ein entscheidender Teil der Identität der modernen Israelis, selbst wenn es um Teile der Bevölkerung geht, die den Holocaust nicht selber durchgemacht haben, wie zum Beispiel die Hälfte der Bevölkerung. Leute, die ihre Wurzeln in arabischen Staaten haben und hier nach der Staatsgründung eingewandert sind, die nicht unter Nazi-Herrschaft gelitten haben, die haben den Holocaust zum Teil auch zu ihrer eigenen Geschichte gemacht heutzutage. Es gibt kaum eine Schulklasse, die nicht Yad Vashem, die zentrale Holocaust-Gedenkstätte, besucht und es gibt fast keinen Soldaten, der nicht im Laufe seines Armeedienstes nicht dieselbe Holocaust-Gedenkstätte besucht und sagt, dadurch, dass ich jetzt Soldat in der israelischen Armee bin, verhindere ich, dass so was in der Welt noch mal geschehen kann, und vor allem, dass so etwas meinem Volk noch mal widerfahren kann. Das ist ein ganz zentraler Bestandteil der heutigen israelischen Identität.
Spengler: Nun ist ja für den Holocaust Deutschland verantwortlich. Was denken dann auch junge Israelis, wenn das immer noch so im Bewusstsein ist, heute über Deutschland?
Yaron: Da muss man wirklich der israelischen Staatsführung ein Kompliment machen. Im Prinzip seit David Ben Gurion, dem ersten Premierminister Israels, machen die Israelis eine ganz klare Unterscheidung zwischen Deutschen und Nazis, und so ist natürlich das Wort Nazi noch immer sehr negativ behaftet in Israel und wird es wahrscheinlich auch in Ewigkeit bleiben, aber das Wort Deutsche und Deutschland hat in Israel durchaus positive Konnotationen heute. Mehr als die Hälfte der Israelis denken zum Beispiel, dass Deutschland eine positive Erscheinung in der Welt ist, wünschen sich eine größere Rolle für Deutschland in der EU, die intensivere Beziehung zwischen Israel und Deutschland. Und das wohl Überraschendste: Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat gefunden, dass jeder dritte Israeli heute meint, dass Deutschland aufgrund des Holocaust keine besondere Verpflichtung mehr zu Israel hat, sondern dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel eigentlich normal sein sollten.
Spengler: Haben Sie eine Erklärung dafür?
Yaron: Wie gesagt, das ist diese große Unterscheidung, die gemacht wird, zwischen Nazis und Deutschen hier in Israel. Ich kenne keinen Deutschen, der hier Israel besucht hat und der damit eine negative Erfahrung gemacht hätte, dass er hier herkam. Deutsche werden hier meist recht herzlich aufgenommen, und weil man anerkennt, was Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg getan hat: eine wirkliche Sühnearbeit, eine wirkliche Reuearbeit. Die Geschichte wurde in Deutschland aufgearbeitet, wie es sich gehört, und in Israel erkennt man auch an, dass Deutschland einer der wichtigsten und treuesten israelischen Partner in der ganzen Welt ist.
Spengler: Es gibt viele Zeitungsberichte, die davon berichten, dass gerade junge Israelis besonders an Berlin interessiert seien, dass Berlin besonders angesagt sei. Können Sie das eigentlich bestätigen?
Yaron: Ja. Ich glaube, Berlin gilt als einer der coolsten Plätze in der Welt im Augenblick hier in Israel. Hunderttausende Israelis fahren jedes Jahr nach Deutschland, die Lufthansa ist die wichtigste Fluglinie nach El Al, der israelischen Fluglinie. Israelis benutzen also deutsche Fluglinien und kommen über Berlin, über München, über Frankfurt nach Europa und in die ganze Welt, nutzen Deutschland als Tor zur Welt und bleiben natürlich dann auch in Deutschland hängen. Berlin an sich ist in Israel sehr beliebt.
Spengler: Gibt es auch junge Israelis, die Deutsch lernen, oder ist das eine absolute Minderheit?
Yaron: Das ist noch eine Minderheit. Die neue Betonung wird in Schulen vor allem im Augenblick auf China gesetzt. Da wird ein neues Programm durchgesetzt von der israelischen Regierung, die versucht, den Israelis Chinesisch beizubringen. Deutsch ist da eher eine dritte oder vierte Geige im Orchester. Aber das Goethe-Institut berichtet doch von vollen Klassen, von jungen Israelis mit deutschem Hintergrund, die Deutsch lernen wollen, die glauben, dass auch aufgrund der wichtigen, der umfangreichen Handelsbeziehungen zwischen Israel und der EU sie Deutsch können sollten, um sich auch eine bessere geschäftliche Basis für ihre Zukunft zu sichern. Viele Israelis fahren durch Deutschland und wollen auch Deutsch können. Es sind zwar nicht Hunderttausende, aber es sind bestimmt mehrere Hundert oder Tausend jedes Jahr, die gerne Deutsch lernen wollen.
Spengler: Herr Yaron, in Deutschland tun wir uns aufgrund unserer Vergangenheit schwer, mitunter an der israelischen Politik Kritik zu üben. Wie wird denn deutsche Kritik, so es sie gibt, in Israel wahrgenommen?
Yaron: Ich glaube, man sollte da mehrere Komponenten verstehen. Das erste ist: die Israelis sind so beschäftigt, sich selbst damit zu kritisieren, dass es ihnen natürlich sehr schwer fällt, von außen Kritik zu hören. Außerdem ist ja natürlich die Kritik, die in Deutschland verübt wird, wie Sie schon sagten recht brav. Wenn es um Israel geht, das ist weitaus zahmer als das, was die Israelis über sich selbst täglich sagen. Allein schon deswegen würde man das in Israel weniger hören.
Aber zweitens ist Israel natürlich auch meistens mit einer Nabelschau beschäftigt. Man hört weniger darauf, was im Ausland gesagt wird. Von den 60 Minuten Nachrichten, die es hier abends im Fernsehen gibt, im Vergleich zu der Viertel Stunde Tagesschau in Deutschland, sind ungefähr 50 Minuten dem Nahen Osten und israelischen Themen gewidmet. Da bleibt natürlich nur wenig Zeit, um zu hören, was in der Welt noch geschieht. Wenn aber dann Kritik aus dem Ausland kommt – und da ist Deutschland nicht anders als andere Staaten -, darauf reagieren die Israelis oft recht zimperlich. Sie sagen, ihr habt keine Ahnung, was wir hier durchmachen, welchen Gefahren und welchen Herausforderungen wir gegenüberstehen, ihr solltet euch lieber ruhig verhalten, wir üben unsere Kritik schon lieber selbst.
Spengler: Gil Yaron, deutsch-israelischer Autor in Tel Aviv. Danke für das Gespräch.
Yaron: Auf Wiederhören!