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Deutschland im Stress

Die Deutschen leiden unter Stress. Ihre alltäglichen Aufgaben belasten sie immer mehr und das macht sie krank. Das hat jetzt die Techniker Krankenkasse in einer neuen Studie untersucht. Interessant dabei: Nicht nur zu viel Arbeit schadet der Gesundheit, sondern auch zu wenig.

Von Björn Schwentker |
    80 Prozent aller Deutschen leiden unter Stress. Jeder dritte sogar dauerhaft. Die Ursachen können vielfältig sein: Arbeitsdruck im Job, finanzielle Sorgen oder einfach nur Ärger im Straßenverkehr. Die Symptome sind immer ähnlich - und werden oft zunächst gar nicht als Stress verstanden, sagt Sabine Voermans, Medizinerin bei der Techniker Krankenkasse Hamburg.

    "Bei Menschen, die im Berufsalltag stehen, haben wir häufig die Beschwerden der Nackenverspannung, der Rückenschmerzen, also scheinbar erst Symptome, wo man sagt: Na ja, ich habe nicht genug Sport gemacht, oder habe falsch gelegen oder habe mich falsch bewegt, aber dort ist es der Stress im Alltag, dass man eine Arbeitsverdichtung hat, dass man Termindruck hat, und das kann dann zu Verspannungen führen, die dann zu Schmerzen später führen."

    Ernst wird es für diejenigen, die unter Dauerbelastung stehen. Gegenüber weniger Gestressten leiden sie mehr als doppelt so häufig unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen - bis hin zum Herzinfarkt. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Techniker Krankenkasse zum Thema Stress. Unter den 1000 Bundesbürgern, die die Experten für die Untersuchung befragten, gaben die meisten als Stressfalle Nummer eins "Druck bei der Arbeit" an. Jeder dritte Berufstätige schuftet bereits an seiner Leistungsgrenze. Doch auch Hausfrauen - oder Hausmänner - gaben an, extrem unter Stress zu leiden.

    "Wo man auch sagt: Mensch, die haben doch ein tolles Leben, können sich den ganzen Tag so einteilen. Hier kommen ganz viele Aspekte noch mal hinzu, dass man die Erziehung richtig machen will, man hat dann vielleicht nur noch einen Verdiener oder ist alleinerziehend, man hat die finanzielle Frage, man hat die eigenen Erwartungen an die Perfektion und die Erwartungen von außen."

    Und dann ist er da, der Druck: Nur keinen schlechten Eindruck machen bei Nachbarn, Freunden oder Eltern. Doch was lässt sich gegen Stress tun? Wichtig sei aktives Zeitmanagement, sagt Medizinerin Sabine Voermans von der Techniker Krankenkasse: Auszeiten einplanen, in denen man sich ohne Handy, Blackberry oder Kinder zurücklehnt, entspannt, vielleicht in einem guten Buch liest. Auch Sport als Ausgleich sei immer eine gute Idee. Doch gerade am Arbeitsplatz reichten Sportangebote nicht.

    "Betriebliches Gesundheitsmanagement ist eben nicht nur die Rückenschule, sondern da ist ganz viel Kommunikation, Transparenz: Wenn ich Entscheidungen transparent mache, wenn ich kommuniziere, können meine Mitarbeiter Schritte weiter verfolgen, mitnehmen und auch mit tragen, und das erreicht dann schon eine gewisse Zufriedenheit. Wenn Sie abgeschnitten sind von Informationen, frustriert dies ebenfalls, kann es auf Dauer krank machen."

    Motivation und Zufriedenheit seien der beste Stresskiller, sagt Medizinerin Sabine Voermans. Und: Wer gerne zur Arbeit gehe, der leiste auch viel mehr. Hier gebe es die größten Missverständnisse. So kann etwa nicht nur zu viel Arbeit zu Burn-out-Symptomen führen, sondern auch zu wenig. Das heißt dann "Bore-out":

    "Wenn ich nicht mehr gefordert bin, wenn ich nicht mehr wahrgenommen werde von meinem Chef, wenn mir nur noch Arbeit zugeschoben wird, die mich nicht mehr fordert, dann schalte ich innerlich ab, resigniere, werde aber frustriert, das kann dann wieder zu körperlichen Symptomen und letztlich zu Stressreaktionen führen."

    Wegen Burn-out- beziehungsweise Bore-out-Symptomen waren über das ganze letzte Jahr in Deutschland rund 40.000 Arbeitskräfte krankgeschrieben. In den letzten fünf Jahren ist das eine Steigerung von 17 Prozent. In Unternehmen könnten dagegen vor allem die Führungskräfte etwas tun, sagt Sabine Voermans. Wenn sie ihrem Personal sinnerfüllte Arbeit geben und es an Informationen und Entscheidungen teilhaben lassen, dann sei das sowohl für das Unternehmen wie auch für die Mitarbeiter gut. Und wenn der Chef versagt? Dann können sich die Mitarbeiter immer noch gegenseitig helfen. Einfach mal ausprobieren:

    "Anerkennung geben, mal loben. Sei es die Hausfrau, die den ganzen Tag dafür sorgt, dass alles reibungslos klappt, oder der Mitarbeiter in der Firma, oder der Kollege: Einfach mal sagen: Mensch klasse, das gefällt mir, das sieht toll aus. Das motiviert, und damit macht sich die Arbeit schon viel leichter."