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Deutschland raus aus dem Euro?

Der Investmentbanker George Soros hat bei einem Vortrag in Frankfurt sein Publikum mit einer gewagten These überrascht. Deutschland müsse entweder Eurobonds akzeptieren oder selbst aus der Eurozone austreten. Anders könne die Krise nicht gelöst werden.

Von Brigitte Scholtes |
    Einen Star-Investor kann man nicht alle Tage erleben. Und so war der Hörsaal in der Frankfurter Goethe-Universität gestern Abend auch gut besucht. Die Zuhörer hatten große Erwartungen:

    "Ich möchte gern mal hören, welche Meinungen er hat, wie man diese Krise lösen kann, weil ich selber tendenziell eher skeptisch bin, ob es überhaupt eine Lösung für diese Krise gibt.
    Herr Soros ist in der Vergangenheit schon durch besondere Auffassungen, die nicht unbedingt mit dem Mainstream übereinstimmen, aufgefallen, und deswegen bin ich hier."

    George Soros enttäuschte sie nicht. Der 82-Jährige stellte zu Beginn seines Vortrags die Bedeutung Deutschlands heraus, es sei das einzige Land, das die Eurokrise lösen könne. Aber es betreibe die falsche Politik: Sparpolitik funktioniere nicht. Man könne die Schuldenlast nicht verringern, wenn man das Haushalsdefizit verringere.

    "”Austerity doesn’t work. You cannot shrink the debt burden by shrinking the budget deficit.”"

    Seine Lösungsidee aber dürfte bei der Bundesregierung kaum auf Zustimmung stoßen: Eurobonds müssten her, sagt Soros, denn die könnten wahre Wunder bewirken:

    "Würde man denjenigen Ländern, die den Fiskalpakt einhalten, gestatten, all ihre Staatsanleihen in Eurobonds umzuwandeln, wäre die positive Wirkung kaum weniger als wunderbar. Die Gefahr von Zahlungsausfällen würde verschwinden, und dasselbe gilt für die Risikoaufschläge. Die Bilanzen der Banken würden einen unmittelbaren Schub erhalten, und das Gleiche gilt für die Haushalte der schwer verschuldeten Länder, weil sie weniger Kosten hätten, um ihre bestehende Staatsschuld zu bedienen."

    Unwidersprochen blieb das nicht: Der Einspruch kam vom früheren EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing, der die auf den Vortrag folgende Diskussion moderierte. Eurobonds, mit denen ein Land neue Staatsschulden mit dem Geld der Steuerzahler anderer Länder finanziert, seien ein Verstoß gegen die Grundprinzipien der westlichen Demokratie.

    "”It’s a transfer of taxpayers‘ money without democratic legitimation. This is a clear violation of the fundamental principle of Western democracy, which is: No taxation without representation.”"

    Die Sparpolitik in den Schuldenländern sei der Verstoß gegen die Demokratie, entgegnete Soros. Und wenn Deutschland sich dazu nicht durchringen könnte, dann müsse es eben selbst sie Währungsunion verlassen. Eurobonds könnten auch dann im Markt bestehen, und für die Schuldnerländer hätte ein Austritt Deutschlands große Vorteile:

    "Bei einem Ausstieg Deutschlands würde der Euro abwerten. Die Schuldnerländer würden ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen. Ihre Schulden würden sich real verringern, und mit der Ausgabe von Eurobonds würde die Gefahr von Zahlungsausfällen verschwinden. Die Schuldenstände dieser Länder wären damit plötzlich zu bewältigen."

    Deutschland hat also aus Sicht des Star-Investors die Wahl: Eurobonds akzeptieren oder die Währungsunion verlassen. Alles andere werde über kurz oder lang zum Zusammenbruch des Euro führen, prophezeit der Multimilliardär.

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