Archiv


Deutschland rekrutiert spanische Fachkräfte

Mit über 45 Prozent hat Spanien die höchste Jugendarbeitslosigkeit der Europäischen Union und Deutschland braucht Fachkräfte. Über das Job-Netzwerk Eures suchen deutsche Unternehmen auf der Iberischen Halbinsel nach geeigneten Kandidaten.

Von Julia Macher |
    "Hallo, mein Name ist Jordi, ich bin 31 Jahre alt. Ich arbeite als Produktionsingenieur, aber ich bin Informatiker von Beruf."

    Deutschunterricht an der Escola Oficial de Idiomas in Terrassa, einer Industriestadt in der Nähe von Barcelona. Auf dem Lehrplan: Dativdeklinationen mit der Konstruktion "träumen von". Für Jordi Garcia ist das leicht zu beantworten. Er träumt von einem Job in Deutschland:

    "Ich möchte eine bessere Lebensqualität, im Job und außerhalb. Hier geht man um halb neun Uhr morgens aus dem Haus und kommt dann um acht Uhr abends zurück. Durch die Immobilienblase sind die Wohnungspreise gestiegen und im Vergleich zu Deutschland sind die Löhne sehr niedrig. Außerdem möchte ich meinen Kindern eine Zukunftsperspektive bieten – und in Spanien ist die Arbeitsmarktsituation auch für die nächsten Jahre angespannt."

    Seine Sprachlehrerin hat ihm geraten, doch in Deutschland sein Glück zu versuchen. Also hat Jordi seinen Lebenslauf auf das europäische Portal Eures gestellt und eine Beraterin kontaktiert, in dieser Woche steht das erste Treffen mit ihr auf dem Programm.

    Von ihr will er erfahren, wie das Gesundheitssystem funktioniert, mit welchem Gehalt er rechnen kann. Sie wird dann bei den Stellenangeboten nach einem Angebot suchen, das auf Jordis Profil zutrifft und gegebenenfalls ein Kennenlerngespräch organisieren. Die Chancen stehen gut: Die Firmen, die derzeit in Spanien rekrutieren, suchen neben Luftfahrtingenieuren vor allem IT-Spezialisten. Außerdem hat Jordi das Deutsch-Sprachniveau B1 und ist damit besser qualifiziert als die meisten. Eures-Koordinator Arnau Soy:

    "Ursprünglich, bei der ersten Rekrutierungswelle im April, Mai, Juni verlangten die Arbeitgeber ein B2-Niveau in Deutsch. Da das nur wenige haben, haben wir auf mehr Flexibilität gedrängt. Jetzt wird meistens Englisch verlangt, Deutsch ist erwünscht."

    Der Eures-Koordinator der katalanischen Arbeitsagentur hatte im Frühjahr diesen Jahres mit einer Flut von Bewerbern zu kämpfen. Deutschland stellt 100.000 spanische Ingenieure ein, schrieben damals die spanischen Zeitungen überschwänglich. Inzwischen ist – weitaus realistischer – von insgesamt 10.000 Stellen die Rede, die in den nächsten Jahren besetzt werden: meist hoch qualifiziertes Fachpersonal. Das Problem der spanischen Arbeitslosigkeit wird sich darüber nicht lösen lassen.

    "Die Profile, die die deutschen Firmen suchen, sind sehr spezifisch. Eben deswegen haben viele der Kandidaten in Spanien einen Job, könnten in Deutschland aber das Doppelte verdienen. Für die Arbeitgeber ist Erfahrung sehr wichtig. Dabei haben wir gerade unter den Ingenieuren viele Kandidaten, die frisch von der Hochschule kommen und eigentlich hoch qualifiziert sind."

    Viele von ihnen bewerben sich nun auf Stellen für unqualifizierte Arbeiter: Sie wollen Drei-Monatsverträge, etwa als Saisonkräfte für den Online-Versandhandel Amazon, nutzen, um anschließend direkt vor Ort ihr Glück zu versuchen.

    Solche Sprünge ins kalte Wasser bleiben Jordi Garcia erspart. Sein Job als Fertigungsingenieur bei einem Optoelektronik-Unternehmen ist relativ sicher.

    Nein, ein fixes Datum für den Umzug habe er sich nicht gesetzt. Er will warten, bis wirklich das Traumangebot aus Deutschland kommt.