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Deutschland Tour
Neubeginn für den Radsport

Die vorerst letzte Auflage der Deutschland Tour fand 2008 statt. Zehn Jahre später wird es einen Neustart der Rundfahrt geben. Der neue Veranstalter A.S.O. will den Radsport nach seiner Krise in Folge der Dopingproblematik auf dem wichtigen deutschen Markt wiederbeleben.

Matthias Friebe im Gespräch mit Kaas Reese |
    Die beiden Radprofis André Greipel (r.) und Marcel Sieberg vom Team Lotto Soudal zeigen bei der Streckenpräsentation zur Deutschland-Tour 2018 auf die Karte mit den vier Etappen.
    Die beiden Radprofis André Greipel (r.) und Marcel Sieberg vom Team Lotto Soudal bei der Streckenpräsentation zur Deutschland Tour 2018 (dpa / Arne Dedert)
    Klaas Reese: Die letzte Deutschland Tour hat ja 2008 stattgefunden. Zehn Jahre Pause. Warum hat die Tour so lange ausgesetzt?
    Matthias Friebe: Die Deutschland Tour hat eine Tradition, kann man fast sagen, dass sie nicht Jahr für Jahr ausgetragen wird. Die erste Ausgabe gab es schon 1911 und dann hat es in den 88 Jahren danach bis 1990 gerade mal 22 Ausgaben gegeben. Da gab es immer wieder lange Pausen. Das war also in der Geschichte schon so üblich. Und dann gab es eigentlich eine ganz gute, fest eingeführte Tradition: von 1999 bis 2008, da gab es zehn Ausgaben am Stück. Und seitdem eben jetzt seit zehn Jahren Pause und das kann man relativ leicht erklären: Das war eben die absolute Hochdopingzeit im Radsport. ARD und ZDF waren aus der Übertragung der Tour de France ausgestiegen. Man wusste nicht, ob es eine Übertragung der Deutschland Tour geben würde und, ob das Rennen noch eine Zukunft hat. Und dann hat man sich damals dazu entschieden, das Rennen einzustellen. Und deshalb hat es so lange gedauert, bis jetzt wieder der Bedarf da war, dieses Rennen wieder zu beleben.
    Vertrag für die nächsten zehn Jahre
    Reese: Es haben natürlich auch die Sponsoren gefehlt. Rennveranstalter ist jetzt die A.S.O., die auch die Tour de France veranstaltet. Warum kommt der Veranstalter aus dem Ausland?
    Friebe: Es ist gar nicht so leicht im Radsport einen Veranstalter zu finden, der so ein Rennen ausrichtet. Die A.S.O. ist gerade der Veranstalter schlechthin im Weltradsport. In Deutschland ist sie auch schon bekannt, zum Beispiel durch das Ein-Tages-Rennen am 1. Mai 'Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt', wie es ja seit einigen Jahren heißt. Man hat in Deutschland extra einen Verein gegründet. Der heißt: 'Die Gesellschaft zur Förderung des Radsports'. Deren Geschäftsführer ist Claude Rach und der ist gleichzeitig auch bei der A.S.O. zuständig für die Weiterentwicklung der Rennen. Mit ihm habe ich über dieses Rennen gesprochen. Er sagt zur Deutschland Tour und zur Ausrichtung durch die A.S.O.: "Wie kann das sein, dass es hier keine Etappenfahrt gibt? Genau diese Überlegung haben wir uns auch gemacht – mit der Perspektive, dass Deutschland auch für unsere anderen Rennen auch ein sehr, sehr wichtiger Markt ist, weil die Deutschen Fahrer bei der Tour de France extrem erfolgreich sind." Diesen Erfolg, den es bei der Tour de France gegeben hat, will man natürlich beidseitig nutzen. Es gibt jetzt einen Vertrag für zehn Jahre – also für die nächsten zehn Jahre gibt es die Deutschland Tour, wenn nichts dazwischen kommt. Die A.S.O. will weiter expandieren. Der deutsche Markt ist sehr wichtig für den Veranstalter und eigentlich profitieren beide Seiten von diesem Vertrag. Auch der Bund Deutscher Radfahrer, weil die A.S.O. auch entsprechend Sponsoren mitbringt und so auch dieses Rennen auf eine Basis stellen kann.
    ASO-Manager Claude Rach, Geschäftsführer des Radklassikers "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt", blickt am 01.05.2017 bei der Siegerehrung in Frankfurt am Main (Hessen) in die Runde. 
    A.S.O.-Manager Claude Rach (Arne Dedert/dpa)
    Reese: Nun kennen ja alle natürlich die Tour de France. Aber neben diesem bedeutendsten Rennen der Welt ist auch der Giro d’Italia und die Vuelta bekannt. Also neben diesen drei großen Dreiwochen-Rundfahrten, wie fällt da der Vergleich zur kleineren Deutschland Tour aus?
    Friebe: Kann man natürlich nicht vergleichen. Die Tour steht über allem und auch Giro und Vuelta sind in einer ganz anderen Kategorie. Es gibt so eine Einteilung nach Stufen und die Deutschland Tour wird in die Stufe 2.1 eingeordnet. Das bedeutet: Sie steht auf einer Stufe mit jetzt nicht sonderlich bekannten Radrennen, zum Beispiel der Estland-, Japan- oder Aserbaidschan-Rundfahrt. Das ist erstmal die Kategorie. Ist also ungefähr die vierte Liga, wenn man das so sieht, von der Wichtigkeit der Rennen her. Geplant ist aber, das Rennen in den nächsten Jahren auszubauen. Das hat auch Fabian Wegmann gesagt, früher bekannter Radfahrer vom Team Gerolsteiner. Er ist jetzt der Tour-Chef, der sportliche Leiter der Deutschland Tour: "Drei Wochen definitiv nicht. Aber eins, zwei Tage kann die Rundfahrt auch noch wachsen. Es wird mit Sicherheit keine Achttages-Rundfahrt werden. Aber ein bisschen länger wird sie. Aber, wie gesagt: man muss ja nicht immer ganz groß anfangen." Fabian Wegmann also deutet an, dass das Rennen um einige Tage ausgeweitet werden könnte, dann wäre man wieder bei der Länge wie es bei der letzten Austragung vor zehn Jahren hatte.
    "Das ist für euch und nicht nur mit euch"
    Reese: Also noch ein kleines Rennen. Aber das kann sich ja ändern. Gilt das auch für das Fahrerfeld?
    Friebe: Das wird sich natürlich auch da bemerkbar machen, dass es noch ein kleineres Rennen ist. Hinter den Kulissen laufen schon die Verhandlungen. Etwa die Hälfte der Topteams, der Pro Tour-Teams, die man kennt, von der Tour de France zum Beispiel, die werden dabei sein. Vor allem die deutschen Fahrer, auf die hat man es abgesehen. Viele von denen wollen dabei sein, sagt auch Claude Rach von der A.S.O: "Deshalb bin ich wirklich davon überzeugt, dass wir alle deutschen Topfahrer am Start haben, weil die auch das Gesamtkonzept mit uns tragen. Sie sind nicht einfach nur Teilnehmer, sondern Mitwirkende und das war für uns extrem wichtig, denen auch das Gefühl zu geben: das ist für euch und nicht nur mit euch." Also das heißt mit Sicherheit: das deutsche Team 'BORA hansgrohe' wird dabei sein und auch die Teams, wo die prominenten Deutschen Fahrer fahren - Toni Martin, Andre Greipel, Marcel Kittel – die werden dabei sein, also Lotto und Katusha. Dazu sollen noch vier unterklassige deutsche Teams dabei sein. Und es soll die Möglichkeit geben, sich über andere Rennen, zum Beispiel die Radbundesliga, für die Deutschland Tour zu qualifizieren.
    Fabian Wegmann, Renndirektor der Deutschland-Tour
    Fabian Wegmann, Renndirektor der Deutschland-Tour (imago sportfotodienst)
    Reese: Die ARD und das ZDF werden das Ganze dann auch übertragen. Mit welchem Projekt gehen denn die Veranstalter das Projekt Deutschlandtour an?
    Friebe: Ja. Es soll ein ganzheitliches Konzept sein, sagen sie: "Deutschland, deine Tour." Man hat auch von Anfang an darauf Wert gelegt, dass auch die Fans und Zuschauer einbezogen werden. Man konnte auf einer Internetseite zum Beispiel Streckenabschnitte vorschlagen, wo man gewisse Empfehlungen aussprechen konnte: 'Ich kenne hier einen besonderen Berg. Fahrt doch mal da lang, hier ist es besonders schön.' Das wurde auch tatsächlich mit beachtet bei der Streckenplanung. Man will Breitensportevents machen. Es soll ein großes 'Jedermann-Event' geben. Die Anzahl der Veranstaltungen rund um das Profirennen soll viel, viel größer sein und viel, viel mehr Menschen an den Straßenrand und auf die Strecke locken als das eigentliche Profirennen. Das wiederum hat vier Etappen. Gestartet wird in Koblenz am Deutschen Eck. Dann geht es über Bonn, Trier und Merzig bis nach Stuttgart, wo dann das Finale ist. Und, was auch noch ganz wichtig ist bei der Deutschland Tour: Sie wird an einem günstigen Termin ausgetragen, denn man ist drei Wochen nach der Tour de France. Da ist noch ein bisschen Radsport in den Medien. Man kennt noch Namen und Gesichter – vielleicht ein paar, die man bei der Tour de France gesehen hat. Und: Vier Tage vor dem Start der Deutschland Tour findet das wichtigste Ein-Tages-Rennen in Deutschland statt, die 'Cyclassics' in Hamburg, von daher hat man zumindest schon mal die ganzen Mannschaften in Deutschland und macht es denen leicht, einfach in Deutschland zu bleiben und die Deutschland Tour mitzufahren.
    Schwerpunkt auf dem Breitensport
    Reese: Man hofft also auf einen Wiederbelebung der Deutschland Tour. Nun ist das Ganze aber erstmal kleiner in Baden-Württemberg. Was glauben Sie, ist das Konzept Deutschland Tour noch zeitgemäß und kann das wieder größer werden. Oder ist das wieder nur ein kurzer Hype?
    Friebe: Ich glaube, dadurch, dass das so ganzheitlich angelegt ist, dass man den Schwerpunkt vor allen Dingen auf den Breitensport und auf die Zuschauer legt. Dass man auch die Menschen einfach wieder dazu bewegen will, Fahrrad zu fahren und auch das Potenzial Fahrradfahren in Deutschland ausnutzen will, hat man da durchaus eine Chance. Und es wird halt sehr breit von den deutschen Spitzenfahrern getragen, die ja sehr erfolgreich sind bei der Tour de France in den letzten Jahren. Deswegen, wenn man das so angeht und, das muss man immer dazu sagen: wenn es keine prominenten deutschen Dopingfälle gibt, dann hat das Rennen eine Chance.