Nach der jüngsten Eskalation im Konflikt zwischen der radikalislamischen Hamas und dem israelischen Militär haben sich auch etliche prominente Fußballer zu Wort gemeldet, zum Beispiel mit Solidaritätsbotschaften für die Palästinenser. Zwei von ihnen: der langjährige deutsche Nationalspieler Mesut Özil und der ägyptische Stürmer Mohamed Salah.
Als eine Plattform für Annäherung betrachtet der israelische Historiker Moshe Zimmermann das Fußballnationalteam Israels: "Im Fußball ist die arabische Bevölkerung, die etwa 20 Prozent der Bevölkerung stellt, noch stärker repräsentiert als in der Gesellschaft insgesamt. Und deswegen gibt es dort viel mehr Berührungspunkte zwischen Arabern und Juden", sagt Zimmermann, der lange an der Hebräischen Universität Jerusalem geforscht hat, unter anderem zur deutschen Sozialgeschichte, zur Geschichte der deutschen Juden und zum Antisemitismus.
Doch es gibt im israelischen Fußball auch Institutionen, die einer Integration entgegenwirken, etwa der Verein Beitar Jerusalem, der bislang keinen arabischen Spieler verpflichtet hat und als wichtiges Netzwerk für rechtskonservative Politiker gilt. "Die Fangruppe La Familia im Umfeld von Beitar ist eindeutig rassistisch, antiarabisch, antimuslimisch", sagt Moshe Zimmermann im Deutschlandfunk-Sportgespräch. "Auch ohne Bezug zum Fußball ist sie eine Art Stoßtruppe für jüdische Nationalisten. Und sie randaliert sehr oft nicht nur am Rande des Stadions, sondern überall im Land." La Familia soll in den vergangenen Wochen für Ausschreitungen gegen arabische Israelis mobilisiert haben.
Flucht vor den Nazis durch Osteuropa
Dass der Fußball auch Brücken zwischen einstigen Feinden schlagen kann, zeigte der Februar 1970: In Tel Aviv spielte die israelische Nationalmannschaft gegen Borussia Mönchengladbach, nur fünf Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik. Einer der Protagonisten dieses Spiels, der israelische Trainer Emanuel Schaffer, hatte seine Trainerausbildung an der Deutschen Sporthochschule in Köln absolviert.
Dort lernte Schaffer die deutsche Trainerikone Hennes Weisweiler kennen. Gemeinsam brachten sie die Reise von Mönchengladbach nach Tel Aviv auf den Weg, wo die deutschen Spieler 25 Jahre nach dem Holocaust freundlich empfangen wurden. "Dieses Fußballspiel ist ein wesentlicher Beitrag dafür gewesen, dass sich die diplomatischen Beziehungen und auch die menschlichen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland stark verbessert und einen Schub bekommen haben", sagt der Historiker Lorenz Peiffer, der lange an der Leibniz Universität Hannover gewirkt und sich dort intensiv mit der Geschichte des jüdischen Sports in Deutschland beschäftigt hat.
Die Historiker Peiffer und Zimmermann haben nun eine Biografie von Emanuel Schaffer veröffentlicht. Darin schildern sie auch die Kindheit Schaffers im Ruhrgebiet und seine Flucht vor den Nazis durch Osteuropa. "Durch die Ermordung seiner Eltern und Schwestern hat Schaffer großes Leid erfahren", sagt Lorenz Peiffer. "Er ist dann nach Israel immigriert."
Nach dem Krieg setzten sich auch deutsche Sportfunktionäre wie Willi Daume oder Carl Diem für einen Austausch mit Israel ein. Dass sie im Nationalsozialismus mit politischen Eliten vernetzt waren, war im israelischen Sport der 1950er- und 1960er-Jahre noch kein Thema. "Dieses Bewusstsein entwickelte sich erst später", sagt Moshe Zimmermann. "Die deutsche Seite versuchte, die Vergangenheit zu unterdrücken, und die israelische Seite versuchte, von dieser Vergangenheit wegzuschauen, um zurück zur Normalität zu kommen. Das klingt heute, im 21. Jahrhundert, etwas sonderbar. Aber damals nach dem Krieg war das gang und gäbe."
Sportliteratur in Israel nur Randerscheinung
Für ihre Recherchen zu Emanuel Schaffer war Lorenz Peiffer in deutschen Stadtarchiven unterwegs, Moshe Zimmermann forschte in Israel. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Publikationen zu jüdischen Fußballpersönlichkeiten erschienen, etwa zum früheren Präsidenten des FC Bayern, Kurt Landauer, zum Gründer des Magazins Kicker, Walther Bensemann oder zum in Auschwitz ermordeten Nationalspieler Julius Hirsch.
Das Buch über Emanuel Schaffer erweitert nun die Debatte um die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Allerdings interessieren sich in Israel nur wenige Menschen für eine politische und historische Perspektive auf den Fußball, sagt Moshe Zimmermann: "Literatur über die Sportgeschichte ist hier eine Randerscheinung. Es gibt dafür kaum Interesse von Verlagen."
In Deutschland hingegen ist der Fußball in Historiker-Netzwerken etabliert. Auch der Deutsche Fußball-Bund beschäftigt sich in Projekten mit der Erinnerungskultur. Regelmäßig besuchen seine Jugendteams auf Reisen nach Israel auch die nationale Gedenkstätte Yad Vashem. Lorenz Peiffer war überdies an einer Freiluft-Ausstellung in Israel beteiligt, die jüdische Sportbiografien in den Mittelpunkt stellte. Peiffer sagt: "Es gab eine Tradition des jüdischen Fußballs auch vor der Gründung des Staates Israel. Für das Land spielt das heute noch eine wichtige Rolle."
Emanuel Schaffer: "Zwischen Fußball und Geschichtspolitik – eine jüdische Trainerkarriere"
Verlag Die Werkstatt, Bielefeld. 192 Seiten, 22 Euro
Verlag Die Werkstatt, Bielefeld. 192 Seiten, 22 Euro