Der möglicherweise vergiftete russische Kremlkritiker Alexej Nawalny wird nun an der Berliner Universitätsklinik Charité behandelt. Die Organisation "Cinema For Peace" hatte den Transport Nawalnys nach Berlin aus einem Krankenhaus in der sibirischen Stadt Omsk organisiert. Dort hatten die Ärzte einer Verlegung zunächst widersprochen und erst nach Stunden doch zugestimmt. Unklar ist nach wie vor, warum Nawalny auf einem Flug von Sibirien nach Moskau plötzlich zusammengebrochen und ins Koma gefallen war. Seine Anhänger vermuten, dass er vor dem Flug einen vergifteten Tee getrunken habe und dass der Kreml dafür verantwortlich gewesen sei.
Deutsch-russische Beziehungen schon seit Jahren beeinträchtigt
Die Politologin Susan Stewart von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist der Ansicht, dass das Ausfliegen von Nawalny nach Deutschland zunächst nicht so viele Auswirkungen auf die deutsch-russischen Beziehungen haben werde, zumal Präsident Wladimir Putin dem Transport nach Berlin zugestimmt hätte. Entscheidend werde das Ergebnis der Untersuchung Nawalnys sein, konkret, ob er aus Sicht der deutschen Ärzte vergiftet wurde oder nicht. Daraus ergebe sich dann die Frage: Wer steckt dahinter?
Abgesehen von der weiteren Entwicklung im Fall Nawalny, seien die deutsch-russischen Beziehungen ohnehin schon seit Jahren massiv beeinträchtigt, so Stewart. Es gäbe kaum gemeinsame Interessen oder Positionen, weder im Bezug auf die internationale Lage noch im Bezug auf die nachbarschaftlichen Beziehungen. Moskau arbeite vielmehr daran, Deutschland zu schwächen, worauf etwa die Russland zugeschriebenen Hackerangriffe auf den Bundestag hindeuten.
EU muss Konsens in Russlandpolitik finden
Dennoch sei es wichtig, im Dialog mit Russland zu bleiben, betonte die Politikwissenschaftlerin. Dazu müsste aber ein langfristiger Ansatz gefunden werden, auch innerhalb der Europäischen Union, in der es keinen Konsens in der Russlandpolitik gebe.
Deutschland sollte die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft nutzen, aber auch darüber hinaus Initiative ergreifen, um einen Dialog anzustoßen, der zu mehr Konsens in der Russlandpolitik führe. Denn Moskau werde so weiter agieren wie bisher.
Die EU müsste das Verhalten Russlands in den vergangenen Jahren - seit der Annexion der Krim 2014, genau analysieren und auf dieser Basis eine gemeinsame Politik einleiten, die dem Agieren Moskaus Rechnung trage, schlägt Stewart vor. Wichtig sei, dass die EU-Mitgliedsstaaten ihre Kapazitäten stärker bündeln und als einheitlicher Akteur gegenüber Russland auftreten. Problematisch sei allerdings, dass die USA zunehmend als internationale Ordnungsmacht ausfalle. Das ermögliche Russland, den Westen weiter zu spalten.