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Deutschland vergeudet weiterhin Bildungstalente

In Deutschland leben nach Angaben der Bundesregierung etwa 500.000 ausländische Akademiker, deren Examina nicht anerkannt werden. Maria Böhmer, Staatsministerin im Kanzleramt, möchte das ändern. Das Anerkennungsverfahren für akademische Abschlüsse aus dem Ausland soll vereinfacht werden. Aber der Weg zum Ziel scheint steinig zu sein.

Von Dorothea Jung |
    "Ich habe 17 Jahre lang als Deutschlehrerin in Russland gearbeitet, und in Berlin hab ich als kaufmännische Angestellte gearbeitet, aber im Jahre 2004 hat die Firma Insolvenz angemeldet und seitdem suche ich Arbeit und hoffe, dass ich etwas für mich finde."

    Tatjana Schubert, 50 Jahre alt, geboren im Kaukasus, heiratete 1996 nach Deutschland. Gern hätte sie sofort nach ihrer Ankunft in Berlin als Lehrerin gearbeitet. Doch da sie einen sogenannten "reglementierten" Beruf hat, für den in Deutschland ganz bestimmte Ausbildungsgänge vorgeschrieben sind, muss sie sich an eine Anerkennungsbehörde wenden, bevor sie an einer Schule unterrichten darf. Aber wo ist die? Das herauszufinden, sei für jeden Migranten kompliziert, bekennt Barbara Buchal-Höver. Sie leitet im Sekretariat der Kultusministerkonferenz die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen.

    "Die Zuständigkeit für die Anerkennung liegt bei den Ländern, und da sind jeweils unterschiedliche Behörden für unterschiedliche Berufe zuständig. Und dann sind manchmal in einem Bundesland mehrere Behörden für einen Beruf zuständig!"

    Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen informiert die Verwaltungen der Länder über ausländische Hochschuleinrichtungen und Abschlüsse. Aber oft dauert es viel zu lange, bis ein Antragsteller erfährt, was sein Examen in Deutschland wert ist. Tatjana Schubert zum Beispiel wartete anderthalb Jahre auf die Antwort, dass sie lediglich an einer Europaschule mit Russisch-Schwerpunkt unterrichten dürfte. Sie ist jetzt arbeitslos. Genau wie Valentina Ziegler aus Sibirien.

    "Ich bin eine Psychologin von Beruf, und ich habe noch einmal eine Ausbildung gemacht als Psychotherapeutin; und ich habe wirklich große Erfahrung in diesem Berufsbereich; und jetzt bin ich arbeitslos und tut mir leid."

    Valentina Ziegler kam vor drei Jahren nach Berlin, ist Mitte 50 und würde gerne noch einmal die Ärmel hochkrempeln. Als Psychologin gehört sie zur Gruppe der sogenannten "nicht-reglementierten" Berufe. In diese Kategorie fallen zum Beispiel auch Naturwissenschaftler, Ökonomen, Ingenieure. Diese Akademiker können sich eigentlich auf dem Stellenmarkt frei bewerben. In Wirklichkeit werden sie jedoch von den Jobcentern als unqualifiziert geführt. Und die Arbeitgeber trauen ausländischen Diplomen nur wenig. Psychologin Valentina Ziegler wünscht sich aber, dass der Arbeitsmarkt ihre Erfahrungen mit zwei Kulturen als wertvoll ansieht. Und Lehrerin Tatjana Schubert ergänzt:

    "Ich bin hier in diesem Leben schon integriert. Und deshalb denke ich, ich kann von verschiedenen Seiten so mit der Sprache, mit Erziehung, mit dem Unterricht, mit Beratung den Menschen vielleicht helfen."

    Im Bundesbildungsministerium, in der Kultusministerkonferenz und im Stab der Integrationsbeauftragten ist man sich einig:

    1. Migranten mit akademischen Abschlüssen brauchen eine zentrale Anlaufstelle.
    2. Arbeitgeber und Arbeitsagenturen müssen besser informiert werden, damit sie die bi-kulturellen Ressourcen migrantischer Bewerber effizienter nutzen.
    3. Außerdem ist mehr Geld nötig für Sprachkurse und Anpassungsmaßnahmen zur Nachqualifizierung der Betroffenen.
    Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte des Bundes, ist entschlossen, noch vor Ende der Legislaturperiode dem Kabinett ein Eckpunktepapier mit diesen Zielen vorzulegen.

    "Wenn ich sage, wir stimmen uns innerhalb der Bundesregierung derzeit ab und wir brauchen dafür auch die Abstimmung in den Ländern, dafür braucht man natürlich eine Grundlage, in dem Fall braucht man Eckpunkte, sodass man dann sagen kann: Das ist die Basis, von der wir ausgehen können, und in der nächsten Legislaturperiode dann auch die gesetzgeberischen Weichen stellen können."

    Ein Erfolg im Zuständigkeitswirrwarr ist aber bereits erzielt: Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen wird in Zukunft nicht nur für Verwaltungen da sein. Schon im Herbst 2009 soll es auch für Privatpersonen möglich sein, sich dort die ausländischen Diplome anerkennen zu lassen.

    Hinweis für interessierte Migrantenakademiker:

    Die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen unterhält eine Datenbank namens "anabin", die man per Link über die Webseite der Kultusministerkonferenz erreichen kann. Die Datenbank dokumentiert die Bildungssysteme von etwa 180 Staaten und stuft sie ein. Mit "anabin" kann ich mich also als Ausländer schon einmal grob vorinformieren, wenn ich wissen möchte, was mein Diplom in Deutschland wert ist. Auf der Webseite finde ich auch die richtige Anlaufstelle in meinem Bundesland, die für die Anerkennung meines Diploms zuständig ist.

    http://www.kmk.org/zab.html
    oder direkt:
    http://www.anabin.de