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Deutschland vor der Wahl: Mehr Kinder braucht das Land

Solche Töne sind derzeit Musik in den Ohren von Politikern. Denn alles in allem: die Deutschen sind kindermüde. In einer Untersuchung der Weltbank liegt Deutschland weit abgeschlagen auf Platz 180 – von 191 untersuchten Ländern. Jede dritte Frau hierzulande bekommt überhaupt kein Kind.

Von Iris Ollech |
    Ein Horrorszenario für die Politiker. Wenn der Nachwuchs fehlt, wer soll dann die Rente für immer mehr Ältere aufbringen? Immer mehr fahnden die Parteien nach Konzepten, wie sie junge Leute für’s Kinderkriegen begeistern könnten. Familienpolitik hat sich in allen politischen Lagern längst vom Randthema zur Chefsache entwickelt.

    Auch für Bundeskanzler Schröder. Nach seinem Amtsantritt vor 7 Jahren winkt er das Thema Familie noch als "Gedöns" ab. 2002, ein halbes Jahr vor seiner Wiederwahl gibt er dem Thema in seiner Regierungserklärung einen prominenten Platz und stellt die Marschroute für seine zweite Amtszeit vor.

    "Ich denke, in der Familienpolitik gibt es im Moment nichts Wichtigeres als den Ausbau der Kinderbetreuung zu forcieren, und genau das wird der Schwerpunkt unserer Familienpolitik in der nächsten Legislaturperiode sein. Darüber hinaus haben wir uns vorgenommen, auch den Familienleistungsausgleich zu entwickeln, und wir wollen bei der Besteuerung der Familien im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren die Gestaltungsspielräume nutzen."

    Diese Politik voranzutreiben, traut der Kanzler einer erfahrenen Politikerin, dreifachen Mutter und Großmutter zu. Nach der gewonnenen Bundestagswahl im Herbst 2002, holt er die resolute Sozialdemokratin Renate Schmidt in sein Kabinett, als Nachfolgerin von Familienministerin Bergmann.


    "Wir können jetzt natürlich nicht Versäumnisse von drei Jahrzehnten in sieben Jahren versuchen aufzuarbeiten. Wir haben in meinen Augen eine ganze Menge erreicht, also Christine Bergmann mit der Veränderung der Elternzeit, aber auch natürlich mit der Besserstellung der Frauen im Zusammenhang mit dem Kindergeld. Ich habe erreicht, dass endlich das Thema 'Kinderbetreuung’ auch auf Bundesebene eine Rolle spielt, aber das beginnt jetzt, und das muss sich fortsetzen."

    Die 61-Jährige Bayerin Schmidt hat selbst erlebt, wie schwierig es ist, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Zunächst als sehr junge Mutter, die es schaffte, Ehe, Kinder, Beruf und Politik miteinander zu vereinbaren. Und später, nach dem Tod ihres ersten Mannes, war die frühere SPD-Chefin von Bayern alleinerziehend. Schmidt hat sich fest vorgenommen, die Familienpolitik vom "Gedöns-Image" zu befreien.

    "Es ist für unsere Zukunft überlebenswichtig, dass junge Menschen sich entscheiden, ihre vorhandenen, ich betone das, ich will niemandem Kinder einreden, aber ihre vorhandenen Kinderwünsche auch zu verwirklichen. Und dazu muss Familienpolitik dienen. Und das ist nicht so ein weiches Wischiwaschi-Thema, das man, wenn’s wirtschaftlich gut geht mal aus der Versenkung rausholt, und wenn’s wirtschaftlich schlecht geht, wieder verschwinden lässt, sondern das ist das Thema, das gesellschaftspolitische, das bildungspolitische und auch ein ökonomisches par excellence. Und das muss man klarmachen, und das muss man deutlich machen, und ich glaube, das haben in der Zwischenzeit die meisten begriffen."

    In Ländern, in denen viele Mütter arbeiten und es gute Betreuungsangebote für Kinder gibt, sind die Geburtenraten besonders hoch. Zum Beispiel in Frankreich und Skandinavien. Familienministerin Renate Schmidt will deshalb forcieren, dass Frauen nach der Entbindung rascher in den Beruf zurückkehren können.
    Sie verspricht mehr Betreuungsmöglichkeiten und will das Erziehungsgeld umwandeln in ein Elterngeld, das vom Einkommen abhängig ist. Ab der Geburt des Kindes soll es ein Jahr lang gezahlt werden. Der Betrag liegt nach den Vorstellungen der Ministerin bei zwei Dritteln des letzten Einkommens. Der Höchstsatz wiederum soll 1.800 Euro im Monat betragen.
    Damit will Renate Schmidt besonders den kindermüden Akademikern die Baby- und Berufspause schmackhaft machen.

    "Ich versuche, die Wünsche junger Menschen, denen nahe zu kommen. Junge Menschen wollen heute, anders als vielleicht noch die Generation meiner Eltern, oder ein großer Teil meiner Generation, die wollen heute beides, und zwar Männer und Frauen gleichermaßen: Sie möchten gerne ihre guten Qualifikationen beruflich nutzen, sie möchten also erwerbstätig sein, und sie möchten Kinder haben. Sie möchten deutlich mehr Kinder haben als sie dann tatsächlich bekommen. Und wir haben die Aufgabe in der Politik, diese Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu schließen."

    Ein Ziel, das auch der politische Gegner unterschreiben würde. Denn die Unionsparteien wissen, dass sie mit einem altbackenen Kinder-Küche-Kirche-Image viele Wählerinnen verschrecken. Eine Powerfrau, die genau das Gegenteil verkörpert, hat beste Chancen Familienministerin zu werden, falls CDU/CSU die Bundestagswahl gewinnen.

    Ursula von der Leyen, 46, niedersächsische Sozialministerin, Ärztin und Mutter von sieben Kindern. - Das Familienprogramm der Union trägt maßgeblich ihre Handschrift.

    Familien sollen steuerlich entlastet werden. Für jedes Kind ist ein Grundfreibetrag von 8.000 Euro im Jahr geplant. Wer Nachwuchs bekommt, soll außerdem je Kind 50 Euro monatlich weniger in die Rentenkasse zahlen müssen. Damit sich die Deutschen für Kinder entscheiden, brauchen sie aber vor allem Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft und einen sicheren Job - glaubt von der Leyen.

    "Ich denke, das Familienprogramm ist mutig, und es ist ehrlich. Es beschreibt die Wirklichkeit. Die bedeutet, zunächst müssen wir in diesem Land wieder Arbeit und Wachstum schaffen, denn ohne das kann Familie nicht existieren. Gerade Familien sind elementar auf ein Arbeitseinkommen angewiesen. Die leben eben nicht typischerweise vom Vermögen oder von Mieteinnahmen, sondern die brauchen Arbeitsplätze und der zweite Punkt, der im Familienprogramm ganz klare Akzente setzt ist Generationengerechtigkeit, nämlich dass wir sagen, wer Kinder erzieht, leistet einen Beitrag zu den Sozialsystemen, Stichwort Rente, Stichwort Krankenversicherung, und das muss sich auch niederschlagen in den Beiträgen."

    Die Unionsparteien haben erkannt, dass Konrad Adenauers Satz "Kinder kriegen die Leute sowieso" heute keinen Bestand mehr hat. Eine Familie mit mehr als zwei Kindern gilt mittlerweile beinahe als exotisch.

    Mittagszeit bei Ulrike Hebbeker. Es gibt Nudeln mit Tomatensauce für ihre Kinder Vera, Iris und Matthias, sechs Jahre, vier und ein Jahr alt. Dass sie Kinder wollte, war für die 37-jährige biologisch-technische Assistentin immer selbstverständlich. Ihren Beruf hat sie dafür aufgegeben und ist zufrieden mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter. Ihr Lebensgefährte arbeitet vier Tage in der Woche als Programmierer, die Familie kommt ganz gut über die Runden, Was hält Ulrike Hebbeker von den familienpolitischen Wahlversprechen der Parteien? Ihr Kommentar zum Wahlmanifest der SPD:

    "WIR WOLLEN, DASS DEUTSCHLAND FAMILIENFREUNDLICHER WIRD.
    Hört sich natürlich gut an, nur wie. Sagt mir jetzt nichts.

    WIR WOLLEN, DASS JUNGE MENSCHEN SICH IHRE KINDERWÜNSCHE ERFÜLLEN KÖNNEN.
    Na, ich denke, das kann man auch schon jetzt.

    KINDER SIND ZUKUNFT, KINDER MACHEN FREUDE.
    Kann ich zustimmen.

    MÜTTER UND VÄTER WOLLEN PARTNERSCHAFTLICH ZUSAMMENLEBEN UND SICH FAMILIÄRE UND BERUFLICHE PFLICHTEN TEILEN.
    Das ist, denke ich, von Familie zu Familie unterschiedlich, wer was übernehmen will und kann.

    UNSERE GESELLSCHAFT BRAUCHT FÜR IHREN ZUSAMMENHALT, AUCH FÜR MEHR WACHSTUM UND WOHLSTAND, STARKE FAMILIEN MIT MEHR KINDERN.

    GUTE KINDERBETREUUNG, ZEIT FÜR KINDER UND FAMILIE, EFFIZIENTE GELDLEISTUNGEN FÜR FAMILIENPOLITIK, UNTERSTÜTZUNG DER KINDERWÜNSCHE DER MEHRHEIT JUNGER MENSCHEN – DAS IST UNSERE FAMILIENPOLITIK.
    Hört sich sehr schön an, ist aber, wie gesagt, nichts Konkretes. Die Forderungen sind halt, sagen wir mal, berechtigt, nur wie sie das jetzt machen wollen, ist daraus ja nicht ersichtlich. Ich denke, die anderen Parteien wollen das wahrscheinlich in irgendeiner Form genauso, vielleicht anders formuliert."

    Zum Beispiel im Wahlprogramm der CDU:

    "DIE FAMILIE IST DIE WICHTIGSTE FORM DES ZUSAMMENLEBENS. WIR STEHEN ZUM BESONDEREN SCHUTZ VON EHE UND FAMILIE.
    Ich bin ja selber nicht verheiratet, was einen ja nicht an einer Familie unbedingt hindern muss. Ist halt auch Ansichtssache.

    DIE MENSCHEN WOLLEN IN GLÜCKLICHEN PERSÖNLICHEN VERHÄLTNISSEN LEBEN.
    Ja, glücklich machen kann die CDU wahrscheinlich auch nicht alle.

    DAS KÖNNEN EHE, FAMILIE UND ANDERE FORMEN DES ZUSAMMENLEBENS SEIN, DIE LEBENSSINN, GEBORGENHEIT UND GLÜCK VERMITTELN. WEIL WIR ZUKUNFT WOLLEN, IST UNSER MAßSTAB: VORRANG FÜR FAMILIEN UND KINDER! DESHALB SCHAFFEN WIR BESSERE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR FAMILIEN UND KINDER.
    Das behaupten die jetzt, ob die das dann machen, weiß ich nicht. Und wie sie’s machen wollen, steht halt auch nicht drin. Das sind halt einfach so Vorgaben, aber das zu erfüllen ist nicht so einfach."

    Dass sie eine bessere Zukunft für Kinder und Familie wollen: Dieses vage Wahlversprechen glaubt Ulrike Hebbeker den Sozialdemokraten und der Union gleichermaßen. Doch ob sie es auch einlösen, da ist sie skeptisch.

    "Beide wollen im Prinzip ja so ziemlich das Gleiche, denke ich. Ich nehme denen auch ab, dass sie auch wirklich was verbessern wollen, nur inwieweit sie das können und machen und Geld dafür haben, wird sich dann halt zeigen nach der Wahl."

    Wie will der jeweilige politische Gegner seine vollmundigen Ankündigungen finanzieren? Das fragen sich auch die konkurrierenden Parteien selbst. Maria Eichhorn, die familienpolitische Sprecherin der Union hält das geplante Erziehungsgeld der SPD von bis zu 1800 Euro monatlich für utopisch.

    "Das Elterngeld ist ein Luftschloss, das die SPD baut, denn die Finanzierung ist überhaupt nicht gesichert. Wir wollen eine seriöse Familienpolitik machen und keine Luftschlösser."

    4,2 Milliarden Euro würde das Elterngeld nach den Berechnungen der SPD kosten. Davon müssten die Kosten für das derzeitige Erziehungsgeld abgezogen werden. Bliebe eine Mehrbelastung von 1,2 Milliarden Euro. Die findet Familienministerin Schmidt durchaus finanzierbar und macht der Union ebenfalls eine Rechnung auf.

    "Der Rentenbonus, den die Union vorschlägt, wird bereits im Jahr 2009 mindestens so viel kosten wie mein Elterngeld, und ab dem Jahr 2010 deutlich mehr, und die Kosten für den Rentenbonus werden ansteigen und anwachsen auf insgesamt vier Milliarden Euro. Obwohl mir bislang noch kein junges Paar und kein junger Mensch gesagt hat, wenn ich doch nur einen Rentenbonus von 50 Euro hätte, dann würde ich mich für ein Kind entscheiden, weil das ist nicht das, was junge Leute brauchen."

    Noch im Wahlkampf 2002 hatte auch die Union mit einem Elterngeld geliebäugelt. Sie nannte es damals Familiengeld. Nun will sie damit nicht noch einmal in den Wahlkampf ziehen, ohne genau zu sagen, woher das Geld kommen soll. Dieses Credo bringt die familienpolitische Sprecherin, die CSU-Abgeordnete, Maria Eichhorn, auf den Punkt.

    "Das ist letztendlich eine Frage der Finanzierbarkeit. Natürlich könnte man sich noch vieles weitere denken, aber es wird sicher die Frage nach den Kinderbetreuungskosten kommen, nach der Absetzbarkeit, dass dieses ausgebaut wird, das bleibt selbstverständlich auf der Agenda. Aber wir haben uns jetzt entschieden, den Kinderbonus zu forcieren, um einen wesentlichen Beitrag zur Generationengerechtigkeit damit zu leisten."

    "Grundsätzlich gilt, dass wir nur das versprechen, was wir auch halten können und halten werden. Es wäre natürlich schön, wenn man noch mehr versprechen könnte. Wir halten aber nichts davon, Luftschlösser ins Programm hineinzuschreiben, sondern wir wollen ehrlich bleiben."

    Dass die Versprechen nach der Wahl auch eingelöst werden, das wünscht sich auch Marcus Ostermann. Als Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes vertritt er rund 11.000 Familien, die in der parteiunabhängigen Interessenvertretung organisiert sind, einer Lobby, die an der Durchsetzung vieler familienpolitischer Leistungen mitgewirkt hat. Die jetzigen Wahlvorschläge der Parteien gehen Ostermann nicht weit genug.

    "Wir hatten eigentlich erwartet, dass Familienpolitik eine noch zentralere Rolle spielen würde, und dass die Programme noch konkretere Verbesserungsvorschläge für die Familien enthalten würden. Das, was jetzt dort in den Programmen drin steht, das sind Dinge, die sich schon in den letzten Jahren abgezeichnet haben, wo man sehen konnte, hier werden neue Konzepte entwickelt. Insgesamt ist aber das, was jetzt von allen Parteien angeboten wird, viel zu wenig, und von daher sind wir in diesem Bereich auch etwas enttäuscht."

    Beim Familienverband ist Renate Schmidt eine alte Bekannte. Sie war einige Monate dessen Vorsitzende, bis sie 2002 Ministerin wurde. Verbandsgeschäftsführer Marcus Ostermann zieht eine Bilanz ihrer Politik.

    "Ich glaube, da muss man fairerweise zugestehen, dass es gerade in der letzten Legislaturperiode gelungen ist, die Bedeutung des Themas für die gesamte Gesellschaft, die Wichtigkeit der Familienpolitik stärker in den Focus zu rücken. Das ist, glaube ich, was das Bewusstsein angeht und die Platzierung des Themas ein großes Verdienst, dass viel mehr Entscheidern bewusst geworden ist, welche Bedeutung eine vernünftige Familienpolitik hat, welchen Stellenwert die Familie in unserer Gesellschaft hat. Das ist sicher etwas Erfreuliches, was in der letzten Zeit passiert ist."

    Für ihre Politik hat Familienministerin Schmidt sich Partner gesucht. In ihrem Programm "Lokale Bündnisse für Familie" wirbt sie darum, dass Kommunen, Verbände und Elterninitiativen Hand in Hand arbeiten. Und sie appelliert an die Wirtschaft, bessere Arbeitsbedingungen für berufstätige Eltern zu schaffen.

    "Wir haben uns vorgenommen, die Unternehmen dazu zu motivieren, solche familienfreundlichen Arbeitsbedingungen anzubieten. Wir haben Hilfestellung geleistet, wir haben wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, die zum Ergebnis hatten, dass sich Investitionen in Familienfreundlichkeit lohnen, und zwar betriebswirtschaftlich lohnen, mit einer durchschnittlichen Rendite von 25 Prozent, und wir haben einen Unterbau für das Ganze gegründet, ich habe im Januar 2004 die Initiative, "Lokale Bündnisse für Familie" gestartet. In der Zwischenzeit gibt es 189 davon, in den Kommunen, die sich daran beteiligen, wohnen 22 Mio. Menschen, 200 weitere dieser Bündnisse sind in Vorbereitung. Und es beteiligen sich in der Zwischenzeit über 1000 Unternehmen an diesen lokalen Bündnissen, und über die Hälfte aller IHKs."

    Amelie Winkler spielt zusammen mit ihrem dreijährigen Sohn Benno mit bunten Holzklötzchen. Das Besondere: nicht im heimischen Kinderzimmer, sondern auf ihrer Arbeitsstelle, der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bonn. Die unterstützt die Aktion der Familienministerin für mehr Familienfreundlichkeit und hat ein Eltern-Kind-Zimmer eingerichtet. Für die Kleinen gibt es hier eine gemütliche Spielecke, einen Kassettenrekorder und Computer.

    Für die Großen einen Bildschirmarbeitsplatz. So kann die Wissenschaftlerin Winkler weiter an ihrem Projekt über Tiefseeforschung tüfteln, während ihr Sohn spielt.

    "Heute ist der Grund, dass ich gerne noch ein paar Stunden aufarbeiten möchte. Das Zimmer hier ist eine sehr schöne Einrichtung, weil es einem ermöglicht, plötzliche Engpässe in der Betreuungszeit, die ganz leicht mal auftreten können, wenn Kinder krank werden oder wenn sie zwar nicht mehr richtig krank sind, aber noch nicht richtig in den Kindergarten gehen können. Oder wenn plötzlich ein Kind früher abgeholt werden muss. Das kann man ganz schön überbrücken, wenn man überhaupt die Möglichkeit hat."

    Das Eltern-Kind-Zimmer ist immer gut belegt. Und Familienfreundlichkeit rechnet sich auch für den Arbeitgeber. Seit es das Angebot gibt, fallen ein Drittel weniger Mitarbeiter aus, weil sie sich zu Hause um ihre kranken Kinder kümmern.

    " Und dass zu meiner Überraschung, als ich wieder angefangen habe zu arbeiten letztes Jahr, dass da zusätzliche Betreuungszeiten in Kindergärten nicht so eingerichtet sind, dass man als Alleinerziehende wirklich einen Ganztagsjob wahrnehmen kann oder jedenfalls nur mit äußerst großen organisatorischen Problemen oder auch Zeitproblemen."

    Die Personalreferentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Martina Zobel, zieht Bilanz.

    "Für die DFG ist es sehr wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Da gibt es viele verschiedene Elemente mittels derer man das tun kann. Und das führt allgemein dazu natürlich, dass die Arbeitsmotivation und die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer gesteigert wird, wovon alle Seiten profitieren."

    Kinder in die Welt zu setzen, muss sich wieder lohnen, verspricht die rot-grüne Koalition. Doch was hat sie erreicht in sieben Regierungsjahren? Durch die Steuerreform zahlt eine Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern heute rund 2.000 Euro weniger Steuern als noch 1998. Alleinerziehende sind steuerlich entlastet worden. Auch das Kindergeld stieg, auf jetzt 154 Euro pro Kind. Die Sozialausgaben für Kinder und Familie rangieren im europäischen Vergleich im oberen Drittel.
    Doch Geld allein macht Familien nicht glücklich. In den alten Bundesländern finden nicht einmal drei von Hundert Kindern unter drei Jahren einen Betreuungsplatz. Es ist noch viel zu tun, findet Marcus Ostermann vom Deutschen Familienverband.

    "Wir brauchen, damit Familienpolitik erfolgreich ist, eine viel, viel stärkere Lobby für Familien. Die kann auch dadurch stattfinden, dass in den wichtigen gesellschaftlichen Gruppierungen Menschen erkennen, wie wichtig das Thema ist, und den Finger heben und sich melden, dass Familien nicht immer bei politischen Projekten hinten anstehen und hinten runterfallen und die Prioritäten woanders gesetzt werden. Und dazu wollen wir auch in diesem Wahlkampf unseren Beitrag leisten."

    Ihre drei Kinder halten Ulrike Hebbeker den ganzen Tag auf Trab. Zeit, sich mit dem Wahlkampf zu beschäftigen, findet sie deshalb selten. Und wenn sich die Parteien jetzt mit familienpolitischen Versprechungen übertrumpfen und um ihre Stimme buhlen, lässt das Ulrike Hebbeker kalt.

    "Ich wähle immer die, die man halt so immer wählt, und das wird sich jetzt dadurch nicht ändern, es sei denn, sie würden etwas Katastrophales vorschlagen, aber das werden sie ja nicht machen. Ne, also, davon wird die Wahl bei mir nicht beeinflusst. Ich denke, die haben alle ihre Vorschläge, und die haben alle ihre Vor- und Nachteile, nur, was dann umgesetzt wird, das ist nachher sowieso die Frage, ob das dann auch so gemacht wird."