Beladen mit Einkaufstaschen kommt ein älteres Ehepaar vom Einkauf. Wählen? Morgen? Das ist doch keine Frage:
"Wir haben … " - "Zeit" - "Nur 200 Meter bis zum Wahllokal."
Eine etwa gleichaltrige Dame folgt den beiden.
"Ich weiß auch schon was ich wähle. Also, habe immer hin- und her überlegt, aber mittlerweile weiß ich es. Und ich freue mich schon drauf."
Ganz so begeistert ist eine Frau um die 50 nicht:
"Es ist keines von den Angeboten super, aber ich weiß was ich wähle."
"Also ich finde es nicht so leicht zu entscheiden, was man wählt, weil viele Programme sich schon ähneln und ich nicht ganz die Unterschiede herausfinden kann."
Gibt eine Studentin offen zu.Ein Herr mittleren Alters hat bereits aufgegeben:
"Also ich habe mich total ausgeklinkt aus dem Geschehen, weil die Parteiprogramme kenne ich ja sowieso und von daher weiß ich zwar auch nicht was ich wählen soll, aber ich weiß, was ich nicht wählen soll."
Wiederum sicher ist auch er, dass er morgen wählen wird.
"Ich habe keine Briefwahl gemacht, wollte ich ursprünglich machen, aber ich habe es irgendwie … na ja, nicht auf die Reihe gekriegt."
Briefwahl beliebt wie nie – aber es gibt auch Ängste
Andere scheinen da etwas besser organisiert zu sein. Denn bei dieser Bundestagswahl wird mit einem Briefwähler-Rekord gerechnet. Fast jeder Vierte wählte schon bei der letzten Wahl 2013 zuhause. Vor allem in Großstädten könnten es dieses Mal noch mehr Briefwähler werden. Diesen Trend bestätigen auch einige der Befragten in der Tübinger Innenstadt:
"Ich habe Briefwahl gewählt vor drei Wochen. Ich habe da meine feste Vorstellung und da stehe ich dazu, egal wie jetzt irgendwelche Schwankungen noch eintreten."
Die Briefwahl wurde 1957 eingeführt und war dafür gedacht, vor allem Patienten, Urlaubern und Menschen, die am Wahlsonntag arbeiten müsse, die Stimmabgabe vorab zu ermöglichen.
2008 entschied der Bundestag, dass künftig jeder ohne Begründung die Briefwahl nutzen darf. Doch Kritiker sehen in dieser Freiheit auch eine Gefahr: Wer Wochen vor dem eigentlichen Wahlsonntag wählt, kann nicht mehr auf aktuelle Ereignisse reagieren, so die Befürchtung. Diese Dame will noch ein anderes Risiko erkannt haben:
"Die Briefwahl macht mir so viel Angst. Da kann man so viel manipulieren: Sie bringen das der Oma und sagen: "Ich mach das Kreuzle für dich." Oder sie gehen ins Altersheim und die sagen: "Wir füllen ihnen das aus."
Wählen - gerade nicht wie immer
Eine Studentin eilt vorbei, sie würde überhaupt gerne wählen, suche aber seit Tagen ihre Wahlbenachrichtigung. Eine andere jüngere Frau weiß zwar wo die Wahlbenachrichtigung liegt, ist aber noch nicht entschieden, was sie wählen wird:
"Also Wahl-O-Mat werde ich in jedem Fall machen, und dann werde ich in jedem Fall noch einmal ganz genau schauen, was die einzelnen Parteien … auch auf den Wahlplakaten nochmal genau draufschauen und nochmal ein bisschen nachhaken, was denn meine Interessen sind und dann schauen, welche Parteien das dann auch meisten vertreten."
Anders eine Studentin, die bereits per Briefwahl ihre Stimme abgegeben hat.
"Ich habe mich vielseitig informiert und war dann darin bestätigt, dass eigentlich meine Entscheidung so war, wie immer."
Gerade nicht wie immer will morgen ein Herr mittleren Alters wählen.
"Und dieses Mal werde ich es ändern. Weil ich der Meinung bin, dass mal eine Partei Stimmen kriegen soll, mehr eine kleine Partei. Die Zweitstimme ist eher eine Proteststimme, wo ich da mal abgebe. Die wird auch die Wahl nicht groß verändern."
"Ist schon manchmal schief gelaufen und anders gekommen, als man es erwartet hat. Aber es ist spannend."
So eine ältere Dame, während eine etwa gleichaltrige Frau bereits den Wahlausgang zu kennen glaubt.
"Also ich würde es gerne wünschen, dass es anders ausfällt, aber ich bin eigentlich überzeugt, dass es so wie die Mehrheit so hier die Meinung hat, wird es ausgehen."
"Das ist leider durch die vielen Umfragen so, dass die Leute denken, sie brauchen gar nicht mehr wählen. Aber ich mir nicht so sicher, ob das so entschieden ist."
"Nicht zur Wahl gehen, ist der falsche Weg"
Wie geht diese Bundestagswahl 2017 aus? Viele Zahlen sind zu hören, und ob Jung oder Alt, fast alle sind sich sicher: Die Koalitionsverhandlungen dürften nicht einfach werden.
Auf die Frage, ob es besser sei, die AfD zu wählen, als nicht zu wählen, antwortete CDU-Kanzleramtschef Peter in einem Interview mit "nein". Dem widersprechen nahezu alle Befragten in dieser nicht repräsentativen Umfrage in der Tübinger Innenstadt.
"Nee, also in einer Demokratie soll man zur Wahl gehen. Also ich kann auch nicht auffordern, eine Partei nicht zu wählen. Man muss informieren, welche politische Richtung die AfD hat, aber nicht zur Wahl zu gehen, ist der falsche Weg."
Wie hat der Wahlkampf auf Sie in den vergangenen Wochen gewirkt? Eine Dame überlegt lange und gibt dann eine umso kürzere Antwort: "Langweilig"
Einem älteren Herrn fallen doch noch ein paar Sätze mehr dazu ein
"Zwischen den beiden sogenannten Großen war es doch eher gemütlich."
"Ich finde es auch immer blöd, zu versuchen, vor der Wahl die großen Unterschiede, die es gar nicht gibt, da herauszukehren. Von daher fand ich es eigentlich ziemlich fair. Und ich finde es auch gut, dass es einigermaßen moderat hier in Deutschland abgeht."
Glaubt man dem Gefühl einiger Studentinnen und Studenten, wurde nie so viel über Politik diskutiert, wie vor dieser Bundestagswahl.
"Also ich habe mit meinen Freunden vor einigen Jahren noch viel weniger über Politik geredet als jetzt. Klar, wir wurden auch älter, aber es wurde auch einfach aktueller und es haben sich mehr Meinungen gebildet, die man auch tatsächlich sagen muss. Und es wird auch nicht mehr akzeptiert, wenn jemand etwas sagt, was einem total gegen den Strich geht."
Wahlabend vor dem Fernseher - oder dem Streaming-Portal
Fast alle Befragten in der Tübinger Innenstadt eint die Planung für den Wahltag: Alle wollen sich morgen aktuell über die Ergebnisse informieren.
"Der Wahlausgang interessiert mich natürlich. Da werde ich schon eine Weile vor dem Fernseher verbringen."
"Ich werde wahrscheinlich zu Hause im Internet auf Streaming-Portal schauen."
"Von Anfang an, um 18 Uhr bestimmt. Sofort!"
"Doch, ich verfolge die Ergebnisse"
"Wir schauen es immer im Haus zusammen an, mit ganz vielen Familien."