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Deutschlands jüngste Kapitänin
"Wir müssen an Bord 200 Prozent geben"

In Deutschland gibt es rund 1.000 Kapitäne - und nur neun sind Frauen. Eine von ihnen ist Dorothee Gaedecke. Auch wenn sie nichts auf ihre "Jungs" kommen lässt - sich an Bord zu behaupten, ist für Frauen ungleich schwerer als für Männer. Ein Besuch bei der jüngsten Kapitänin Deutschlands in ihrem Heimathafen Lübeck.

Von Johannes Kulms |
    Die Kapitänin Dorothee Gaedeke
    Die Kapitänin Dorothee Gaedeke (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Die Treppe zur Brücke der "Ilka" ist eng und steil. Oben angekommen wartet ein Gewirr aus Bildschirmen, Hebeln, seltsam anmutenden technischen Boxen – und natürlich einem Steuerrad.
    Der Blick durchs Fenster geht hinaus über auf das Deck des 72 Meter langen Küstenmotorschiffs, das an diesem Nachmittag im Lübecker Hafen liegt. Die Brücke ist der Lieblingsplatz von Dorothee Gaedeke. "Von hier oben habe ich einen Rundumblick und hab alles im Blick – und das mag glaube ich jeder gern."
    Auch karrieremäßig ist die 29-Jährige oben angekommen: Seit Januar ist die gebürtige Lübeckerin Kapitänin auf der "Ilka" – und damit eine Exotin. Laut der Knappschaft Bahn-See gab es zum Ende des letzten Jahres in Deutschland 1003 Kapitäne. Gerade mal acht von ihnen waren Frauen. Also weniger als ein Prozent.
    Männliche Hierarchien
    Dorothee Gaedeke ist die jüngste Kapitänin. "Ja, das war natürlich ein unbeschreibliches Gefühl, als ich die Beförderung erhalten habe. Und ich habe mich sehr gefreut, an Bord einzusteigen und dann endlich ein eigenes Schiff zu bekommen. Ich kannte ja die Besatzung schon und das hat sich schnell eingespielt."
    MS Ilka im Hafen von Lübeck
    MS Ilka im Hafen von Lübeck (Deutschlandradio / Johannes Kulms)
    Ihr Schiff ist vor allem an der deutschen Küste unterwegs und transportiert insbesondere landwirtschaftliche Produkte. Vier Männer hat Gaedeke nun unter ihrem Kommando. Wobei: Was heißt Kommando – ich spiele meine neue Macht nicht aus, sagt die eher kleine Frau mit den blonden Haaren.
    Bereits beim Segeln als Jugendliche in der Gruppe habe sie gelernt, sich auch gegen männliche Hierarchien zu behaupten. Eine Hierarchie, die sie auch als Kapitänin weiterhin spürt: "Also, wir müssen an Bord 200 Prozent geben. Wir leisten nicht dasselbe, sondern wir leisten ja mehr - aber um eben anerkannt zu werden. Ja, man muss ja die Männer davon überzeugen, dass Frauen eben wirklich das gleiche an Bord leisten können. Und das muss man ihnen Tag auf Tag beweisen."
    Frauen und Unruhe an Bord
    Vor allem zu Beginn ihrer Karriere musste sie lernen, Grenzen zu setzen. Zum Beispiel, wenn ein Kollege einen sexistischen Spruch brachte. "Es ist harte Arbeit. Also, in meiner Ausbildung im ersten Praxissemester, da hab ich Schritt für Schritt Pionierarbeit geleistet. Und viel mit den Männern gesprochen und da Vorurteile abgebaut."
    Maria Esser kennt solche Geschichten. Sie arbeitet bei der Hamburger Wasserschutzpolizei und ist Vorsitzende des Verbands "Frauen zur See". "Also, ich würde sagen, das dauert noch ein bisschen, bis das eine Normalität in der Seefahrt ist, dass es dort Frauen gibt."
    Immer wieder erreichen sie Berichte darüber, wie schwer es sei, sich als Frau an Bord zu behaupten. Und es käme vor, dass Kapitäne sich mit weiblichen Crewmitgliedern schwer täten, weil sie befürchten, dass es dann Unruhe geben könnte auf dem Schiff. "Oft ist es ja leider so, dass es dann ja auf die Frau projiziert wird und nicht auf die Männer. Und dann ist es aus deren Sicht natürlich das kleinste Übel wenn man sagt: Na gut, dann lässt man einfach keine Frauen mehr an Bord und dann hat sich das auch erledigt."
    "Mit viel Entbehrung verbunden"
    Dabei war früher der Anteil von Frauen in der Seefahrt höher, vor allem als Stewardessen oder Funker heuerten sie an. Doch weil die Schiffe immer größer und die Mannschaften gleichzeitig immer kleiner würden, habe sich das geändert, sagt Esser. Andererseits gebe es inzwischen mehr Frauen, die sich für ein Studium an einer Seefahrtsschule entschieden: "Das war auch lange – wie es halt in vielen Berufen ist – nicht so in den Köpfen drin, dass man das auch machen kann, würde ich sagen. Das wächst halt sehr langsam. Aber das ist natürlich auch mit viel Entbehrung verbunden, dass man lange von zu Hause weg ist."
    Der Verband Deutscher Reeder wünscht sich mehr Frauen an Seefahrtsschulen und in maritimen Studiengängen an der Uni. Der Verband bemüht sich nach eigenen Angaben auf Messen vor allem für eine Botschaft zu trommeln: Dass Frauen in der Seefahrt jeden Job genauso gut ausfüllen können wie Männer.
    Zurück auf der "Ilka", die in wenigen Minuten den Lübecker Hafen verlassen wird. Kapitänin Dorothee Gaedeke hofft darauf, dass sich mehr Frauen dazu entscheiden, den gleichen Schritt wie sie zu wagen: "Ich denke, ein besonderer Vorteil von Frauen ist es, dass sie sich um ihre Umwelt kümmern und organisieren. Und das ist ja auch bekannt, dass Frauen anders agieren als Männer. Und es ist gerade wichtig, dass in einer Männerdomäne eine Frau da ist. Weil sich dann das Team noch besser ergänzen kann und noch besser zusammenspielt. Und für mich ist es ganz wichtig, dass es meinen Jungs gut geht – denn ich kann ohne meine Jungs hier nicht arbeiten."