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Kommentar zu AfD-Umfragehoch
Aus Enttäuschung über die anderen Parteien

Die AfD erreicht in Umfragen die höchsten Werte seit Langem. Das Hoch für die AfD und das gleichzeitige Zustimmungstief für die Ampel-Regierung sei ein Warnschuss, der dringend gehört werden muss, meint Nadine Lindner.

Ein Kommentar von Nadine Lindner |
    Delegierte halten beim Landesparteitag AfD Hessen ihren Stimmzettel. Die hessische AfD diskutiert an diesem Wochenende ihr Programm zur Landtagswahl am 08.10.2023.
    Bei einer Sonntagsfrage zur Bundestagswahl: AfD zieht mit SPD gleich (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Es sind Zahlen, die eine klare Sprache sprechen. Laut ARD-Deutschlandtrend liegen die Kanzlerpartei SPD und die AfD mit 18 Prozent gleichauf. Zwei Fragen schließen sich an: Erstens: Was sind die Ursachen für diese Entwicklung? Und zweitens: Was ist jetzt zu tun?
    Die AfD ist in diesem Jahr zehn Jahre alt geworden und hat in den letzten Monaten eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt. Sie hat kontinuierlich an Wählerzustimmung gewonnen. Im Juni 2022 lag sie nach dem chaotischen Parteitag von Riesa bei elf Prozent, jetzt sind es 18. Hinzu kommt eine inhaltliche Akzentverschiebung, vorangetrieben von Parteichef Tino Chrupalla und seinem Beraterteam.

    AfD steht offen an der Seite Russlands

    So wurde aus der „Bundeswehrpartei“ AfD die „Friedenspartei“ AfD, die gegen Waffenlieferungen an die Ukraine kämpft, die sich offensiv an der Seite Russlands zeigt und immer stärker auf antiamerikanische Töne setzt. Eigentlich galt das lange - vor allem mit Blick auf Wählerschichten im Westen - als politisch nicht vermittelbar. Doch der Ärger über die Ampel lässt viele darüber offenbar hinwegsehen.

    Chrupalla sieht sich angesichts der guten Umfragewerte nun bestätigt und spricht vom vermeintlichen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Dies führe zu einer De-Industrialisierung und treibe der AfD die Wähler zu. Damit liegt Chrupalla größtenteils falsch, denn der Deutschlandtrend zeigt ein anderes Bild: Zwei Drittel der Befragten gaben an, die AfD aus Enttäuschung über andere Parteien potenziell wählen zu wollen.

     FDP muss diplomatischer werden, Kanzler muss endlich führen

    Aber warum können die anderen Oppositionsparteien, CDU und Linkspartei, nicht ebenso stark von der massiven Unzufriedenheit mit der Ampel profitieren? Die Linkspartei ist seit Langem zerstritten, in der Heizungsdebatte kaum wahrnehmbar und die CDU wird für die aktuelle Entwicklung in Mithaftung genommen. Die Union würde am Ende eh mit den Grünen koalieren und gilt damit in einem bestimmten Spektrum als unwählbar.

    Was ist nun zu tun? Drei Punkte sind jetzt wichtig: Die Ampel-Regierung muss dringend verbal abrüsten und wieder in einen produktiven Arbeitsmodus finden. Wenn sich der Eindruck verfestigt, dass nur noch um der eigenen Profilierung und nicht mehr um der Sache willen gestritten wird, könnte die AfD noch stärker profitieren. Kurz: Die FDP muss diplomatischer werden, der Kanzler muss endlich führen. Zweitens: Die Union darf sich nicht der Verführung hingeben und ihre Rhetorik in der Asyldebatte verschärfen. Und drittens müssen demokratische Kräfte in den Kommunen vor Ort gestärkt werden und Minderheiten geschützt werden - vor allem in Ostdeutschland.
    Eine schwache Regierung, starke Populisten, das ist ein Warnschuss, der dringend gehört werden muss.