"Ja, hallo, herzlich willkommen in Ostbelgien. Komm ruhig rein!" sagt Günter Mattelé und strahlt übers ganze Gesicht. Der Handwerker lebt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter in einem schicken Neubau, mit gepflasterter Auffahrt, Doppelgarage und großem Garten in der Nähe von Eupen. Was antwortet er, wenn ihn jemand fragt, wo er herkommt?
"Als erstes, dass ich Belgier bin. Also aus Belgien natürlich. Und, wenn die dann sagen, Du sprichst doch deutsch, dann sage ich, ja, ich komme aus dem deutschsprachigen Gebiet Belgiens."
Die Sprache "Belgisch" existiert nicht: In Belgien gibt es drei Sprachgemeinschaften. Die französischsprachige Wallonie im Süden des Landes, an der Grenze zu Frankreich. Das niederländischsprachige Flandern im Norden, nahe den Niederlanden. Und es gibt die deutschsprachigen Belgier in der Nähe der deutschen Grenze bei Aachen. Schon im 18. Jahrhundert sprachen die Menschen hier deutsche Dialekte. Im Ersten Weltkrieg kämpften sie an der Seite des Deutschen Reiches, mit dem Versailler Vertrag aber ging das Gebiet an Belgien. Bislang heißt diese Region Deutschsprachige Gemeinschaft, abgekürzt "DG". Doch mit diesem Namen ist Günter Mattelé schon lange unzufrieden.
Ein neuer Name soll die Region aufwerten
"Ja, dieses Kürzel 'DG', das sagt eigentlich gar nichts aus für jemanden, der das nicht kennt. Und, wenn man sagt, Deutschsprachige Gemeinschaft, ja das kann ja eigentlich überall sein. Und, wenn man sagt Deutschsprachige Gemeinschaft Ostbelgiens, das ist schon so lang und so sperrig."
So sieht das auch Oliver Paasch, der Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Ein neuer Name soll her, um die Region aufzuwerten und klar zu machen, dass sie - genau wie die Wallonie und Flandern - ein gleichberechtigtes Bundesland in Belgien ist, sagt Ministerpräsident Paasch.
"Mit dem Begriff Gemeinschaft verbindet man außerhalb von Belgien nicht unbedingt eine Region mit Gesetzbebungshoheit. Und, wenn wir Deutschsprachige Gemeinschaft auch noch mit 'DG' abkürzen, das denkt man häufig an Dolce und Gabbana, vielleicht auch an Dresdener Gas, im schlimmsten Fall vielleicht sogar an ein Dachgeschoss. Und das ist für die Außendarstellung einer Region nicht unbedingt förderlich."
Wirtschaftlich stark, geringe Arbeitslosenquote
Ostbelgien - so soll die Deutschsprachige Gemeinschaft in Zukunft heißen. Gegen Flandern und die Wallonie ist die Region ein Zwergstaat. Gerade einmal gut 77.000 Menschen leben hier. Das sind etwas mehr als in Gladbeck. Dennoch hat das belgische Mini-Bundesland ein eigenes Parlament, eine eigene Verwaltung, eigene Kindergärten und Schulen. Eben alles deutschsprachig. Als Grenzgebiet zu Deutschland, den Niederlanden, Luxemburg und der französischsprachigen Wallonie in Belgien fließen hier viele unterschiedliche Einflüsse zusammen. Und dorther könnten in Zukunft neue Arbeitskräfte kommen. Ostbelgien ist wirtschaftlich stark, die Arbeitslosenquote ist mit gut sieben Prozent recht niedrig. Dennoch: Die Alten gehen in Rente, Junge kommen kaum nach, es gibt einen Fachkräftemangel, erzählt Ministerpräsident Oliver Paasch. Die Frage ist allerdings, ob ein neuer Name daran etwas ändern wird. Paasch glaubt daran.
"Wir sind auf Zuwanderung angewiesen. Haben jedes Interesse, uns in der Außendarstellung positiv zu vermarkten. Das gelingt mit dem Kürzel 'DG' nur unzureichend, und deshalb haben wir uns für einen neuen Namen, für den Begriff Ostbelgien entschieden. Dieser Begriff drückt aus, wo wir uns befinden und wer wir sind."
Rechnen wie die Deutschen, leben wie die Franzosen
Bislang wird die kleine Region – egal, ob man sie Ostbelgien oder Deutschsprachige Gemeinschaft nennt - im Rest des Landes so gut wie gar nicht wahrgenommen. Zum Beispiel in der Hauptstadt Brüssel. Das will der 45-jährige Ministerpräsident ändern. Für ihn ist die Mischung das Besondere an Ostbelgien.
"Wir rechnen wie die Deutschen und wir leben wie die Franzosen. Ich glaube, dass man uns zu Recht nachsagt, dass wir fleißig und diszipliniert arbeiten. Aber auf der anderen Seite können wir auch so richtig feiern."
Ostbelgier feiern exzessiv Karneval. Das ist ungewöhnlich für den Rest des Landes Belgien. Und: Viele deutschsprachige Belgier schauen die Fußball-Bundesliga, fiebern aber bei der Europameisterschaft für ihre "Roten Teufel", für die belgische Fußball-Nationalmannschaft. Und an das Gefühl eine geschützte Minderheit am Rande von Belgien zu sein, haben sich viele gewöhnt und gut darin eingerichtet, meint Günter Mattelé. Auch er selbst.
"Wir können uns auch nicht darüber beklagen. Wir haben volle Autonomie hier. Uns geht's super, wir leben hier glücklich und zufrieden. Eigentlich perfekt, hier zu wohnen."