Eigentlich hätte im vergangenen Jahr die Fußball-Europameisterschaft in zwölf verschiedenen Ländern stattfinden sollen. Durch die Corona-Pandemie musste das Event aber um ein Jahr verschoben werden. Und auch, ob das Turnier in diesem Jahr wie geplant transnational stattfinden kann, ist noch ungewiss. "In Zeiten der Pandemie klingt das natürlich völlig verrückt", sagte Oliver Fritsch, Sportjournalist von "Zeit Online", im Dlf. "Die UEFA wird sich im März Gedanken machen müssen. Es hängt vieles am Impfstoff, der das Leben auf unserem Erdball womöglich verändern wird. Womöglich wird es ein Rennen gegen die Zeit." Im Gespräch sei auch eine Reduzierung der Orte oder die Austragung in nur einem Land, so Fritsch.
Ob Fans bei der EM im Sommer dabei sein werden, möchte Fritsch nicht prognostizieren. Er sei jedoch optimistisch. "Die UEFA wird bestrebt sein, Teile des Stadions zu füllen und das wäre auch sehr wünschenswert. Fußball ohne Fans funktioniert zwar, doch es ist ein noch größerer Unsinn als ohnehin schon", so Fritsch, der auch die deutsche Nationalmannschaft als Journalist begleitet.
"Nach wie vor eine der großen Fußballnationen"
Trotz der sportlich zuletzt schwachen Leistungen und der Querelen im Verband traut Fritsch der DFB-Elf bei der EM das Halbfinale zu. "Ich höre zwar öfter, dass es an guten Fußballern fehlen soll. Aber wenn ich mich recht entsinne ist Bayern München im August Champions-League-Sieger geworden, vor allem mit deutschen Fußballspielern. Ich halte Deutschland nach wie vor für eine der großen Fußballnationen und immer zum Favoritenkreis gehörend. Das muss der Anspruch sein."
Allerdings liefe es im Moment nicht rund und die Blicke hätten sich deshalb zu Recht auf Bundestrainer Joachim Löw gerichtet. Der Druck habe laut Fritsch nun zwar abgenommen, aber auch nur, weil andere Themen wie die Bundesliga in den Fokus gerückt seien. "Ich glaube nicht, dass sich bis zur EM noch etwas ändern wird. Joachim Löw hat gewackelt. Der DFB hat an ihm festgehalten, auch weil der Verband gerade selbst nicht im besten Zustand ist. Jetzt werden wir sehen. Ich aber sehr skeptisch, dass das in der Konstellation noch einmal zu etwas Großem führt."
"DFB muss ehrgeizige Ziele formulieren"
DFB-Präsident Fritz Keller hatte derweil das Halbfinale als Ziel ausgerufen, obwohl mit Frankreich und Portugal die aktuellen Welt- und Europameister in der deutschen Gruppe F spielen. "Als DFB muss man auch ehrgeizige Ziele formulieren", sagte Fritsch.
Aber warum kann die DFB-Elf die entsprechenden Leistungen im Moment nicht abrufen? Fritsch‘ Eindruck sei, dass es seit dem Titel 2014 bei WM in Brasilien mit der Nationalmannschaft bergab gehe. "An Talent fehlt es nicht unbedingt. Aber die Generation Internat, die jetzt ausnahmslos für Deutschland spielt, macht mir manchmal den Eindruck, dass die Nationalmannschaft doch nicht mehr so wichtig ist wie der Vereinsfußball. Es mag Ausnahmen geben, aber die Tendenz lässt sich kaum bestreiten. Zumal auch das WM-Aus eher geschäftsmäßig zur Kenntnis genommen wurde."