Die Hauptdarsteller kamen bei der Vergabe des DFB-Integrationspreises kaum zu Wort. Bei der Gala in Frankfurt richteten sich Aufmerksamkeit und Kameras lieber auf die Prominenz. Die Preisträger blieben weitgehend unbehelligt. Das Medieninteresse war überschaubar. Man kann das als Ignoranz deuten. Oder als Ausdruck einer Normalität, die längst keiner Erklärung mehr bedarf. Für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ist Integration im Fußball schlicht Alltag:
"Der DFB ist eine gesellschaftliche Vereinigung mit fast sieben Millionen Mitgliedern. Wir bekennen uns dazu, dass wir Menschen, die aus welchen Gründen immer hier aus fremden Ländern ankommen, egal welche Hautfarbe, Religion sie haben, das wir sie im Fußball mit offenen Armen empfangen. Und dazu stehen wir."
Auf dem Bolzplatz mag das so sein. So mancher Verein tut sich da schon schwerer. Daran seien aber nicht zwangsläufig Vorurteile schuld, sagt Frederik Böna, der Vorsitzende des Freizeitsportvereins Dornberg. "Es ist oft noch nicht mal eine bewusste und offene Ablehnung. Es ist oft einfach so, dass in einem gefestigten Verein einfach gefestigte und starre Strukturen da sind und deswegen sich Asylbewerber oft schwertun, da in die Mannschaft, in den Kern einzudringen."
Asylbewerber offensiv aufzunehmen
Der FSV Dornberg ist anders. Die Jury des DFB-Integrationspreises hat das bestätigt. Die C-Klassen-Fußballer aus der nordwürttembergischen Gemeinde Hardheim belegten in der Kategorie Verein hinter dem Leipziger Stadtteilklub SV Lindenau den zweiten Platz. Nicht schlecht für einen Provinzverein, der erst 2010 von ein paar Schulfreunden gegründet wurde. Der FSV hat gerade mal 50 Mitglieder. Dass es mehrheitlich Asylbewerber sind, ist kein Zufall, wie der Vorsitzende erläutert. "Unser Verein, der hatte dann einfach das Ziel, die Asylbewerber offensiv aufzunehmen und quasi mit dem Fußball direkt anzusprechen."
Die jungen Vereinsgründer warben in einer nahen Flüchtlingsunterkunft um Mitspieler. Für den zweiten Vorsitzenden Julian Stieber ein Volltreffer: "Der Anfang war natürlich relativ schwierig. Mittlerweile ist es aber so, dass sich das von ganz alleine entwickelt, da wir mehrere Ansprechpartner bei den Asylbewerbern haben und dementsprechend die dann auch Werbung für uns machen. Und dass quasi immer, wenn Neue kommen, automatisch bei uns die Möglichkeit besteht, da Fuß zu fassen und durchzustarten."
Vier Stunden zum Training
Fuß fassen und durchstarten: Das wird den Neuankömmlinge abseits des Spielfelds schwer gemacht. Umso größer ist die Hingabe zum Fußball. Ein Dornheimer Spieler reist zum Training aus 60 Kilometer Entfernung an - mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Eine kleine Odyssee, sagt Frederik Böna. Sie dauert geschlagene vier Stunden. "So weit weg ist es eigentlich nicht. Und er muss, ja, eigentlich viermal umsteigen und teilweise eine Stunde warten, bis der nächste Bus, bis der nächste Zug fährt."
Die Konkurrenz in der C-Klasse Buchen hat sich längst an die bunte Schar des FSV gewöhnt. Julian Stieber kann über die Gegner nur Gutes sagen: "Zu Beginn war's vielleicht nicht ganz so einfach, bis man richtig akzeptiert wurde. Mittlerweile ist es tatsächlich so, dass wir von fast jeder Mannschaft sehr akzeptiert sind und dementsprechend da wirklich schöne - mehr oder weniger - Freundschaftsspiele bestreiten."
Die FSV-Kicker sind ihrerseits dicke Freunde geworden. Dabei ist die Verständigung im Team nicht immer leicht. "Also wir fangen immer an mit Deutsch, und dann wird's oft erst ins Englische übersetzt. Dann sehr oft noch ins Arabische, und dann teilweise noch ins Afghanische - Paschtu, Dari. Ja, Albanisch teilweise auch, manchmal sogar noch Französisch - je nachdem, wer gerade im Training ist."
Ethnische oder religiöse Konflikte spielen keine Rolle mehr
Dass die Sprache keine Rolle spielt, wie Wolfgang Niersbach glaubt, stimmt also nicht ganz. Dennoch hat der DFB-Präsident allen Grund, sich über die Notizen aus der Fußball-Provinz zu freuen. Denn Frederik Böna und seine Mitstreiter können einen Erfolg vorweisen, der so vielleicht nur im Fußball möglich ist: Ethnische oder religiöse Konflikte sind dem kleinen Vielvölkerstaat des FSV Dornberg bis heute fremd.
"Im Gegenteil. Es passiert sogar so, dass bei uns im Verein Serben und Kosovo-Albaner sich auf einmal sehr, sehr gut verstehen, zusammen Fußball spielen. Sunniten, Schiiten, die sich vielleicht in Syrien jetzt nicht so gut verstehen und da völlig unterschiedliche Meinungen haben: Bei uns spielen sie zusammen Fußball und verstehen sich gut. Jesiden genauso. Dadurch, dass wir eigentlich die unterschiedlichsten Gruppen haben, die alle im Fußball gemeinsam miteinander auskommen müssen, gezwungenermaßen, ergeben sich dann teilweise auch untereinander ziemlich gute Beziehungen. Und sie merken auf einmal, dass sie eigentlich auf einer Wellenlänge sind."
Ist das deutscher Fußball-Alltag? Nein, ist es nicht. Die Arbeit solcher Initiativen ist eben nicht selbstverständlich. Und wird sie uns gleichgültig, dann ist dieser Integrationspreis nur noch das Mäntelchen, mit dem wir notdürftig unsere Scham bedecken.