Bilanz der DFB-Elf
Nicht alles ist immer Weltklasse

Das Länderspieljahr der Fußball-Nationalmannschaft neigt sich dem Ende. Die Euphorie ist durch die letzten Auftritte in der Nations League und durch das Erreichen des EM-Viertelfinals groß. Es ist aber nicht alles Gold was glänzt.

Oliver Fritsch und Stephanie Baczyk im Gespräch mit Matthias Friebe |
Jamal Musiala jubelt über sein Tor gegen Bosnien. Im Hintergrund ist Tim Kleindienst zu sehen.
Um einen Offensivkönner wie Jamal Musiala beneidet Deutschland nach Aussagen von Sportjournalist Oliver Fritsch die ganze Welt. Problematisch seien eher andere Mannschaftsteile. (IMAGO / Bahho Kara)
Eine gute Heim-Europameisterschaft mit einem unglücklichen Ausscheiden und eine souveräne Nations-League-Gruppenphase mit einem unangefochtenen Gruppensieg. Das Länderspieljahr der deutschen Fußballnationalmannschaft liest sich ziemlich positiv und deutlich besser, als noch zu Beginn des Jahres 2024 für möglich gehalten.
Im Sportgespräch diskutieren die beiden Sportjournalisten Stephanie Baczyk (ARD) und Oliver Fritsch (Zeit Online) und blickten zurück auf die letzten Monate der Nationalmannschaft.

Reaktivierung von Toni Kroos als wichtiger Schachzug

Dabei sei die Reaktivierung von Toni Kroos zu Beginn des Jahres, ein extrem wichtiger Schachzug gewesen, um die Heim-EM zu einem erfolgreichen Unterfangen zu machen, sagte Stephanie Baczyk. Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte Kroos für die Europameisterschaft in Deutschland nach seinem Rücktritt 2021 aus der DFB-Elf reaktiviert.
Beide Journalisten lobten die Offensive der DFB-Elf. Andere Nationen würden Deutschland um die beiden Ausnahmekönner Florian Wirtz und Jamal Musiala beneiden. Auch ein Typ wie Niklas Füllkrug tue der Nationalelf sehr gut, dieser habe der Nationalelf auch von seiner Persönlichkeit einfach gefehlt, sagte Baczyk. Kai Havertz sei nach Aussagen von Oliver Fritsch auch ein Spieler, der die DFB-Elf zusammen mit Musiala und Wirtz in den nächsten Jahren in der Offensive werde prägen können.

Die Top-Gegner müssen erst noch geschlagen werden

Sportjournalist Fritsch warf noch einmal einen Blick auf die EM-Spiele. Das Remis gegen die Schweiz sei glücklich gewesen. Im Achtelfinale gegen Dänemark habe der Videoschiedsrichter geholfen. "Der große Top-Gegner ist noch nicht geschlagen worden", sagte Fritsch. Generell sei die Entwicklung beim DFB-Team aber sei sehr positiv, sagte Baczyk.
Auch die Entwicklung von Julian Nagelsmann als Bundestrainer sei sichtbar. "Ich beobachte eine Reifung", sagte Fritsch. Nagelsmann müsse noch nachweisen, dass er eine Mannschaft strategisch aufbauen könne, dies habe er auch noch nicht beim FC Bayern gezeigt. Baczyk lobte in diesem Zusammenhang auch das Trainerteam. Die Kombination mit Nagelsmann und Co-Trainer Sandro Wagner ergänze sich sehr gut. "Wagner ist noch mal etwas näher an der Mannschaft dran und spricht die Sprache der Spieler", sagte Baczyk.
Fritsch lobte Nagelsmann auch dafür, dass dieser den gesellschaftlichen Auftrag der Nationalmannschaft in den Blick genommen hat. Die Nationalmannschaft müsse mehr leisten, als nur zu unterhalten. "Das ist auch sein Verdienst", lobte Fritsch.

Im Mittelfeld fehlt die Qualität

Beide Journalisten analysierten auch die Umpositionierung von Joshua Kimmich, der sich von seiner Position im defensiven Mittelfeld klaglos auf die Rechtsverteidigerposition habe zurückversetzen lassen. Er plädierte aber dafür, Kimmich jetzt wieder ins Mittelfeld zu versetzen. "Das Mittelfeld muss stark sein", sagte Fritsch. Robert Andrich und Pascal Groß hätten nicht die große internationale Erfahrung, um dort prägend zu sein. Es fehlte generell auch im Mittelfeld die Quantität und Qualität an deutschen Spielern.
Baczyk erwähnte bei Nagelsmann auch lobend für seine Kaderauswahl, der nun nur noch die form- und aktuell leistungsstärksten Spieler nominiere und nicht mehr nur verdiente Spieler auswähle, die in der Vergangenheit gute Leistungen gezeigt hätten.
Für einen großen Titel würden der deutschen Mannschaft sicher noch zehn Prozent fehlen, sagte Fritsch. Vor allem im Vergleich mit dem aktuellen Europameister Spanien, wo die ganze Mannschaft individuell extrem gut besetzt ist und auch sehr eingespielt sei. "Strategisch muss noch stärker gearbeitet werden", sagte Fritsch. "Jetzt ist Feintuning gefragt".