Konzentration auch auf Kleinigkeiten. Das hat den Arbeitsstil von Trainer Nico Kovac in Frankfurt ausgemacht. Dafür haben ihn die Fans und die Verantwortlichen beim hessischen Pokalfinalisten in den vergangenen Jahren geschätzt. Auch in seinen letzten Tagen als Trainer von Eintracht Frankfurt hat Kovac das beibehalten, beschreibt Spieler Kevin-Prince Boateng.
"Er ist halt sehr fokussiert. Er hat uns Sachen vorgegeben, keine nassen Haare zum Beispiel, weil das Wetter immer wechselt, keiner soll krank werden. Das sind so Kleinigkeiten und er hat heute noch mal mit einer sehr, sehr ernsten Stimme und ein bisschen aggressiv klar gemacht, dass er diese Woche nur an uns denkt, und an niemanden anders, und er will unbedingt diesen Pokal gewinnen."
Diese Botschaft hat einen hohen Nachrichtenwert. Denn seit feststeht, dass Kovac ab dem kommenden Monat für Bayern München arbeiten wird, gibt es Zweifel in Frankfurt. Steckt dieser Trainer wirklich noch seine ganze Energie in die Arbeit bei der Eintracht? Nur noch drei Punkte aus fünf Partien sammelte das Team nach Bekanntwerden des Wechsels.
Die gute Saison endete im grauen Mittelmaß der Tabelle. Kovacs Fazit nach der letzten Ligapartie fällt dennoch positiv aus: "Ich sage es immer wieder: Wo kommen wir her? Was hat man uns prognostiziert am Anfang der Saison? Das waren Szenarien, die wir Gott sei Dank nicht sehen mussten, deswegen kann man trotzdem stolz sein."
Alles dem Erfolg unterordnen
Solche Aussagen ärgern viele Frankfurter. Man könne doch nicht stolz sein, die seltene Chance zur Europapokalteilnahme verpasst zu haben, sagen Kritiker. Die Schuld sehen sie im alles überlagernden Theater um seinen Wechsel zu den Bayern. Der ehrgeizige Nico Kovac hat in seiner Frankfurter Zeit mit geradezu fanatischer Akribie gearbeitet: Lebensführung, Freizeitgestaltung, alles sollten die Spieler dem Erfolg unterordnen.
Selbst das Wasser, das sie trinken, muss immer exakt die richtige Temperatur haben. Zuletzt sei Kovac diesen hohen Ansprüchen selbst nicht mehr gerecht geworden, lautet ein Vorwurf. In der entscheidenden Phase der Meisterschaft habe er sich nur um seine persönliche Zukunft gekümmert. Der Trainer widerspricht: "Das, was ich mache, mache ich hundertprozentig von der ersten bis zur letzten Sekunde."
Ein Abschied mit Missklängen
Der sportliche Einbruch zum Saisonende lässt sich aber nicht bestreiten. Am 29. Spieltag war Eintracht Frankfurt Fünfter, nah dran an der Champions League. Am Ende reichte es als Tabellenachter nicht einmal für die Europa League. Es ist ein Abschied mit Missklängen, der zugleich als verbindendes Element zwischen den beiden Finaltrainern betrachtet werden kann.
Der heute als "Spielerversteher" geltende Heynckes war schließlich auch einmal Trainer in Frankfurt. Entlassen wurde er mit dem Ruf, ein autoritärer und verbohrter Disziplinfanatiker zu sein. 1994 überwirft er sich mit den Fußballkünstlern Jay-Jay Okocha, Maurizio Gaudino und Anthony Yeboah. Ohne die besten Offensivspieler funktioniert die Mannschaft nicht, es kommt zur Trennung.
Ist Kovac der Richtige?
"Sportlicher Anfang vom Ende unter Jupp Heynckes. Er zerlegt das einstige Topteam, er vergrault die Stars", bilanziert das "Deutsche Sport Fernsehen" damals. Im Jahr darauf steigt die Eintracht erstmals aus der Bundesliga ab. Bis heute gibt es wohl keine Stadt, in der Heynckes skeptischer gesehen wird. Eine erstaunliche Gemeinsamkeit der Finaltrainer: Am Ende ihrer Frankfurter Zeit ist ihr Ansehen beschädigt.
In München werden sich Spieler und Funktionäre nach den vergangenen Wochen fragen: Ist Kovac tatsächlich der richtige Mann für den FC Bayern? Beleg für die Zweifel: Das Pressegespräch vor dem Pokalfinale und der krasse Gegensatz im Auftreten beider Trainer. Auf der einen Seite ein angestrengter Kovac. Auf der anderen Seite ein feinsinnig scherzender Jupp Heynckes.
Auf die Frage, warum der mit Magenproblemen kämpfende Thomas Müller nicht wie angekündigt zur Pressekonferenz erschienen sei, scherzt Heynckes fröhlich: "Sie wissen ja, dass Thomas Müller gerne redet, deswegen habe ich ihn direkt zum Hotel geschickt, dass wir hier etwas zügiger voran kommen."
Und obgleich Manuel Neuer im Pokalfinale nur in den Kader, nicht aber ins Tor zurückkehrt, ruft er den bangenden WM-Fans zu: "Die Nation kann ganz ruhig sein, ich denke, dass er zur Weltmeisterschaft nicht nur fit wird, sondern dass er auch wieder ein großer Rückhalt der deutschen Nationalmannschaft sein wird."
Heynckes als Trainer von Welt
Neben dieser Nonchalance wirkt Kovac freudlos, angestrengt. Die Konstellation, sein Abschiedsspiel als Trainer der Eintracht gegen seine künftige Mannschaft zu bestreiten, bedeute ihm nichts, behauptet er. Das sei lediglich für die berichtenden Journalisten "ganz amüsant, interessant, aber wir haben eine Aufgabe, deswegen sind wir hier. Wir wollen das Spiel gewinnen, und deswegen werden uns auch auf das fokussieren. Das was morgen ist, ist total unwichtig, das können Sie mir glauben."
Die grundsätzliche Relevanz von Themen zu bestreiten, die jeden interessieren, wirkt jedoch schnell wie ein Ausweichmanöver. Im Vergleich Kovac – Heynckes glänzt der Ältere als Trainer von Welt. Der Jüngere hingegen wird sich noch weiterentwickeln müssen, wenn er wirklich zu einem europäischen Spitzentrainer werden möchte. Aber die große Karriere des Jupp Heynckes zeigt, wie so ein Reifeprozess funktionieren kann.