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Ehemaliger DFB-Präsident
Theo Zwanziger jahrelang von Katar bespitzelt

Als es um die Vergabe der Fußball-WM 2022 ging, war der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger einer der schärfsten Kritiker Katars. Das Emirat ließ Zwanziger deshalb zweieinhalb Jahre lang mithilfe einer US-Firma bespitzeln.

Von Thomas Kistner | 28.02.2022
Theo Zwanziger
Theo Zwanziger (picture alliance / dpa / Ennio Leanza)
Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger wurde jahrelang im Auftrag von Katar bespitzelt, WM-Veranstalter 2022.
Als geheim eingestufte Dokumente zeigen, dass die US-Firma Global Risk Advisors, unter der Regie eines früheren CIA-Mitarbeiters, von Anfang 2012 bis Mitte 2014 das „Projekt Riverbed“ betrieben hat, eine verdeckte Operation im privaten und geschäftlichen Umfeld des damals scharfen Katar-Kritikers Zwanziger.

Ziel: Widerstände gegen WM-Vergabe brechen

Riverbed, zu Deutsch „Flussbett“, habe das Ziel verfolgt, die Widerstände des Spitzenfunktionärs gegen die WM-Vergabe zu brechen. Zwanziger hatte von 2011 bis 2015 als Vorstand im Fußball-Weltverband Fifa eine herausragende Rolle in der Katar-Frage inne. Er leitete eine Fifa-Reformkommission, die mithilfe namhafter Schweizer Korruptionsexperten sowohl die umstrittene WM-Vergabe als auch die heikle Menschenrechtslage im Golf-Emirat untersuchte. Auch trat er als Vertreter der Fifa bei Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty, Arbeitergewerkschaften und der EU-Menschenrechtskommission auf.
Katar drängte er auf die Abschaffung des menschenunwürdigen Kafala-Systems, das ausländische Arbeiter von Bürgen abhängig macht.

Projekt endete mit Erfolgsmeldung

Die „Riverbed“-Dokumente führen zehn Millionen Dollar als Gesamtkosten für das Projekt auf, das 2014 mit einer Erfolgsmeldung beendet wurde: Zwanziger, hieß es, würde nun nicht mehr Katars Integrität attackieren, sondern die „anhaltenden sozialen Veränderungen“ lobpreisen, die dank der WM in Katar stattfänden.
Nachdem Zwanziger dann aber 2015 das Emirat als „Krebsgeschwür des Fußballs“ bezeichnete, legte das Emirat andere Bandagen an und verklagte ihn. Ein Gericht entschied später zugunsten Zwanzigers.

Beratungsfirma spricht von Medienbeobachtung

Katar ließ Anfragen zu Riverbed ebenso unbeantwortet wie die Beratungsfirma. In den USA allerdings bestätigte sie gegenüber Associated Press die Existenz des Projekts – nur sei die Darstellung von Einflussnahme und Bespitzelung falsch, es habe sich nur um eine banale Medienbeobachtung gehandelt. Schon im Herbst wurde die Detektei allerdings mit Berichten über andere dubiose Projekte im WM-Kontext konfrontiert.
Für Zwanziger birgt der Sachverhalt hohe Brisanz. Er sieht Verbindungen zu diversen Vorkommnissen in der seit 2015 publik gewordenen Skandalchronik des DFB, die mit der Sommermärchen-Affäre begann. Auch darin spielt Katar eine zentrale Rolle. Zwanziger, auf den nach Aktenlage mehrere Personen in seinem engsten Umfeld angesetzt waren, will sich am Donnerstag bei einer Pressekonferenz äußern.