"Wie konnte es passieren, dass so oft hintereinander DFB-Präsidenten zurückgetreten sind?" Diese Frage habe man sich im DFB-Präsidium gestellt, betont Interimspräsident Rainer Koch zwei Monate vor der Neuwahl des obersten deutschen Fußball-Funktionärs. Reinhard Grindel, Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger, Gerhard Mayer-Vorfelder. Sie alle verließen nicht planmäßig das Amt.
Die Antwort, die man im DFB darauf gefunden hat? Das bisherige Aufgabenprofil habe es unmöglich gemacht, so Koch, dauerhaft erfolgreich zu sein. Man habe erkannt, "dass die DFB-Präsidenten immer zerrieben worden sind zwischen den massiven Aufgaben, die es zu erfüllen gilt und den Interessengegensätzen, die innerhalb des Hauses des DFB natürlicherweise aufeinanderstoßen."
Wirtschaftlichen Aufgaben sollen abgetrennt werden
Gemeint sind vor allem die altbekannten Gegensätze zwischen Profi- und Amateurbereich. Die Lager hatten schon Grindel und seine Vorgänger vergeblich annähern wollen. Zu den jetzt geplanten neuen Strukturen zählen hauptsächlich zwei Stränge. Zum einen die Trennung des eingetragenen Vereins von einer GmbH. Koch: "Die wirtschaftlichen Aufgaben sollen in der nächsten Zeit nach der Absicht des Präsidiums auf Tochtergesellschaften ausgelagert werden, auf die DFB-GmbH. Wir können im Moment nur ‚sollen‘ sagen, weil wir noch steuerrechtlichen Prüfungen auch mit den Finanzbehörden vorzunehmen haben. Aber es ist die erklärte Absicht."
Dabei geht es natürlich auch um Fragen der Gemeinnützigkeit. Die steht schon lange auf dem Spiel. Der Ökonom Wolfram Richter sagte schon im Februar im Deutschlandfunk, der Teil des DFB, der mit Profit und Geld verdienen betraut ist, sei zu groß: "Das sollte eigentlich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eher eine Randerscheinung sein. Nur beim DFB haben wir die Situation, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb das Bild des DFB nach außen prägt und die Förderung des Breitensports, der ideelle Bereich marginalisiert wird. Und deshalb kann man natürlich fragen, ob das Ganze noch im Sinne des Gesetzgebers ist."
Sonderkompetenzen des neuen Präsidenten sollen gestrichen werden
Mit der neuen Struktur wird es auch um die Erhaltung der Gemeinnützigkeit des großen breitensportlichen Teils im DFB gehen. Nikolaus Schneider, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, leitet übergangsweise die Ethikkommission des DFB. Für ihn steht außer Frage, im Sportgeschäft gehe es um zu große Summen, "die mit allem, was ich als Gemeinnützigkeit kenne, nicht verträglich sind." Das betonte Schneider im Deutschlandfunk-"Sportgespräch" und machte vor allem die Strukturen des DFB für viele Probleme verantwortlich: "Ethik vermittelt sich auch durch Strukturen. Es gibt Strukturen, die helfen hinzuschauen. Und es gibt Strukturen, die ermutigen gerade dazu, Umwege zu gehen oder sich im Verschwiegenen zu bewegen."
An den Strukturen wollen die Verantwortlichen jetzt rütteln und ändern als Zweites auch die Rolle des Grindel-Nachfolgers im Amt des DFB-Präsidenten. Schneider: "Wir wollen zukünftig ganz klar regeln, dass im DFB-Präsidium Kollektivführung stattfindet. Deswegen werden alle Sonderkompetenzen und operativen Sonderzuständigkeiten gestrichen. Bislang ist im Paragraph 34 eine Richtlinienkompetenz festgeschrieben und eine Zuständigkeit des Präsidenten für die Nationalmannschaften und den Leistungssport. Diese Regelungen werden ersatzlos gestrichen."
Unter dem Schlagwort, das Amt werde bald eher Bundespräsident denn Bundeskanzler sein, machten die Überlegungen schon vor einigen Wochen die Runde. Interimschef Rainer Koch präzisierte jetzt, die Rolle werde eine andere: "Aber nicht dahingehend, wie mancherorts spekuliert wird, dass es sich um einen schwachen, eine schwache Präsidentin handelt. Ganz im Gegenteil, sie wird schon allein deswegen eine starke Persönlichkeit sein können, weil sie nämlich mit den neuem Aufgabenzuschnitt die Gewähr bietet für längere Zeit im Amt bleiben zu können."
Noch kein genaues Aufgabenprofil
Genaue Aufgaben sind aber noch nicht öffentlich formuliert. Die oberste Repräsentanten-Funktion bleibt auf jeden Fall beim Präsidentenamt. Was das bedeutet, formulierte Ethik-Chef Schneider schon im Juni mit dieser einfachen Formel: "Ein guter Verbandschef ist ein Mensch, der für diesen Verband in der Öffentlichkeit überzeugend auftritt."
Gewählt wird am 27. September in Frankfurt. Bis zum 29. August müssen die Kandidaten nominiert sein. Einige Tage vorher stellt die sechsköpfige Findungskommission ihren Vorschlag vor. Interimspräsident Koch, Vize Ronny Zimmermann sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge beraten gemeinsam mit Reinhard Rauball, Christian Seifert und Peter Peters von der DFL. Dabei sei man auf einem guten Weg, so Koch.
Die Kommission wurde von einer Personalagentur unterstützt, die auf Basis vieler Gespräche ein Aufgaben- und Charakterprofil erarbeitet und entsprechende Namen vorgeschlagen hat. Wie viele das sind, wollte Koch nicht sagen, er sprach nur von einer Shortlist, die deutlich kleiner sei als ein WM-Kader der Nationalmannschaft. "23 sind es nicht, aber sehen Sie es mir bitte nach, dass wir im Interesse der von uns angesprochenen Kandidaten auch keine Eingrenzungsaussagen treffen wollen", so Koch.
Koch wünscht sich einen gemeinsamen Kandidaten mit der DFL
Eine ganz klare Aussage trifft Rainer Koch immer wieder in Sachen Zusammenarbeit mit dem Ligaverband DFL. In jedem Fall soll es einen gemeinsamen Kandidaten geben: "Wenn wir sechs uns gemeinsam auf eine Persönlichkeit verständigen, dann haben wir natürlich die Hoffnung, dass wir nicht so sehr daneben greifen, dass alle anderen das Gefühl haben, das ist keine Auswahl."
Es wird jetzt vor allem um die Aufgaben und den Zuschnitt des Amtes gehen, damit der nächste DFB-Präsident nicht wieder vorzeitig gehen muss.