Wenn Tim Meyer über die Entstehung des DFL-Hygienekonzepts spricht, klingt das teilweise wie eine Fingerübung zur Ablenkung:
"Ich fand es dann aber auch ganz nett, weil ja viele Dinge im März des letzten Jahres oder April des letzten Jahres weggefallen sind und unser Alltag sich überall änderte. Alles wurde ziemlich leer. Alle Dinge, die ich vorhatte im April und Mai, wurden gestrichen. Und so hatte ich wieder eine Aufgabe. Also das war zunächst mal ganz nett, aber wurde dann natürlich auch sehr heiß diskutiert."
Eher durch Zufall mit Hygienekonzept beauftragt
Meyer hatte sich, wenn auch eher unbewusst, selbst in die Position gebracht, das Konzept zu schreiben. Einerseits aufgrund seiner Ausbildung, Vorerfahrung und des Postens als Vorsitzender der Medizinischen Kommission des DFB. Andererseits, weil er sich in Diskussionen um die Fortführung der Wettbewerbe für die Erstellung eines Konzepts einsetzte:
"Da habe ich mir aber gar nicht so viel dabei gedacht. Nur plötzlich kam man dann auf mich zu und sagte: 'Dann machen Sie mal.'" Er habe sich eigentlich gar nicht mehr verweigern können.
Einen Masterplan habe er für das Konzept nicht gehabt, dafür aber die Möglichkeit, sich gute Mitstreiter zu suchen: Die Hygienikerin Barbara Gärtner, die wie Meyer an der Universität Saarbrücken arbeitet, Werner Krutsch von der Universität Regensburg und den BVB-Mannschaftsarzt Markus Braun vom Dortmunder Knappschaftskrankenhaus.
Getragen wird das Konzept von drei Säulen, erklärt Meyer: Meldungen über positive Tests in den Clubs und die Verläufe der Krankheit, Hygienevorschriften, die speziell auf die Situation in den Trainingsstätten und Stadien zugeschnitten sind und regelmäßige Tests der Beteiligten. Eine echte Blase habe es nicht gegeben. Die sei über viele Monate auch nicht aufrecht zu erhalten, glaubt Meyer. Mittlerweile sei das Konzept drei Mal deutlich überarbeitet worden, erklärt er.
Druck durch die öffentliche Debatte
Druck habe er beim Erstellen des Konzepts nicht aufgrund der finanziellen Auswirkungen gespürt, sondern wegen der öffentlichen Debatte, die hochkochte. Vor allem, weil ein Teil der Gesellschaft den Fußball liebe, ein anderer ihn aber gar nicht möge.
Meyer sagt, der Fußball habe genau wie andere Branchen das Bestreben, weiterzumachen. "Dass ein Aspekt wie Neid immer aufkommen kann, wenn es um Menschen geht, die viel Geld verdienen, ist ganz klar", meint der DFB-Arzt.
Für das Konzept habe dies aber überhaupt keine Rolle gespielt. "Ich verstehe auch, dass man debattiert, ob das jetzt das richtige Symbol ist oder nicht. Aber ich denke, (...) beispielsweise, dass Fußball eben auch etwas dazu beitragen kann, dass man in dieser reizverarmten Zeit ein wenig Abwechslung findet. Und letztlich ist es natürlich auch eine Branche mit einigen Menschen, die da arbeiten. Und das sind in erster Linie eben nicht die gutverdienenden Spieler, sondern auch einige andere."
Das beste Konzept werde aber nicht funktionieren, wenn die Disziplin bei der Umsetzung leide. "Jeder merkt, glaube ich in seinem Alltag, dass er nicht zu jeder Minute gleich streng ist, was die Corona-Regeln angeht. So wird es sicherlich auch jungen Menschen gehen, die zwar Fußballspieler sind, gut verdienen, aber dennoch auch einen normalen Alltag junger Menschen gerne haben möchten", sagte Meyer.
"Insgesamt gute Disziplin"
Daher schicke er in gewissen Abständen immer wieder Ermahnungen raus. "In der Hoffnung, dass wir alle erreichen. Und ich finde zumindest, dass es insgesamt recht gut geklappt hat - wenn man mal davon absieht, dass immer einzelne Fälle wieder gemeldet werden, in den Medien auftauchen."
Anfänglicher Ärger über bekannt gewordene Verstöße habe sich jeweils nach einigen Tagen bei ihm wieder gelegt. "Vielleicht ist das auch bei so vielen Leuten normal. Wenn man davon absieht, halte ich das für ein insgesamt gute Disziplin, die wir in den letzten Monaten hatten."
Keine konkrete Aussage zu den Fällen in Hoffenheim
Mit der Umsetzung sei er aber grundsätzlich zufrieden, Infektionsketten innerhalb der Vereine habe es nicht gegeben. Dabei hatte es bei der TSG Hoffenheim zahlreiche Corona-Fälle gegeben, weshalb das Trainingsgelände geschlossen werden musste. Auf Nachfrage verwies Meyer dazu aber auf die Verantwortlichen vor Ort.
Zu den Auswirkungen einer Coronavirus-Infektion auf Spieler sagt Meyer, dass es eine medizinische Begleitung auch für die Genesenen gibt: "Dass ist nicht wie bei jeder anderen Virusinfektion, wo es, wenn alles wieder in Ordnung ist, einfach mal weitergeht. Sondern da ist eine höhere Sorgfalt gefordert."
Verbindliche Vorgaben nach Corona-Infektionen schwierig
Allerdings hatte der VfL Wolfsburg seinen Spieler Marian Pongracic nach einer Infektion schnell wieder von Anfang an spielen lassen - der Abwehrspieler musste dann mit Atemnot in der Halbzeit ausgewechselt werden.
Trotzdem spricht sich Meyer dagegen aus, von Seiten der DFL einheitliche Regeln vorzugeben. "Es ist nicht so einfach, einem Arzt verbindliche Vorgaben zu machen. Und es ist auch nicht sinnvoll, denn es sind sehr, sehr viele einzelne Aspekte zu berücksichtigen, die einen Spieler betreffen."
Stattdessen setzt er darauf, dass die Mannschaftsärzte den Empfehlungen folgen, die von der "Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin" stetig aktualisert werden. "Ohne hier auf Einzelfälle einzugehen, sind die Kollegen in den Vereinen extrem gründlich unterwegs", versichert Meyer.
Impfung für Sportler ist Entscheidung der Politik
Eine Impfung von Bundesliga-Spielern sei im Moment noch kein Thema - denn die Impfstrategie sei ganz klar geregelt. "Wir haben priorisierte Gruppen. Und da sind gesunde junge Fußballspieler in der allerletzten Gruppe."
Meyer ist auch der Gedanke "fremd", vor den Olympischen Spielen oder EM Spieler der Nationalmannschaft zu impfen. Er wisse nicht, ob sich die Bundesregierung damit auseinandersetzt, "ob sie für Repräsentanten Deutschlands solche Dinge einräumt", so Meyer. "Ich bin aber der Meinung, das kann nur eine Entscheidung der Verantwortungsträger sein - nicht im Sport, sondern in der Politik."
"Der Fußball muss die Impfung nicht vorzeitig haben"
Er erwarte eine solche Entscheidung aber nicht. Und der DFB-Teamarzt ist auch der Meinung, mit den bestehenden Hygienekonzepten vernünftig zu spielen. "Deswegen muss man eigentlich für den Fußball diese Impfung nicht vorzeitig haben."
Meyer geht auch davon aus, dass die Europameisterschaft im Sommer stattfindet. Allerdings rät er generell dazu, finale Festlegungen so spät wie möglich zu machen. "Ich denke, hier wird man sicherlich noch ein wenig warten müssen, um sagen zu können, in welchen Rahmenbedingungen das Ganze stattfindet, beziehungsweise mit welchen Sicherungsvorkehrungen man arbeiten muss."
Hier hören sie die ausführliche Version des Gespräches. Im Radio haben wir aus Zeitgründen eine gekürzte Variante gesendet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.