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Analyse nach WM-Aus
Schulze-Marmeling: "Bierhoff wird der Sündenbock bleiben"

Nach dem WM-Aus des DFB-Teams wackelt der Posten von DFB-Manager Oliver Bierhoff. Auch Buchautor Dietrich Schulze-Marmeling legte ihm im Dlf den Rücktritt nahe, nahm aber auch die Bundesliga in die Pflicht, sich mehr um die die DFB-Elf zu kümmern.

Dietrich Schulze-Marmeling im Gespräch mit Astrid Rawohl |
Oliver Bierhoff, Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie, bei der WM in Katar.
Oliver Bierhoff: Der Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie ist seit 2004 für die Nationalmannschaft verantwortlich. (dpa / picture alliance / Harry Langer)
Nach dem WM-Ausscheiden von Katar hat DFB-Präsident Bernd Neuendorf für die kommende Woche eine Krisensitzung mit Bundestrainer Hansi Flick, Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke einberufen. Derweil geht die Analyse und die Suche nach den Ursachen für das frühe WM-Aus der DFB-Elf weiter.
"Es fehlen geeignete Abwehrspieler von internationaler Klasse", sagte Dietrich Schulze-Marmeling im Deutschlandfunk. "Wir haben da ganz offensichtlich auch ein Auswahlproblem."

"Keine Neuner und flinke Außenverteidiger"

Besonders problematisch sei es bei den Außenverteidigern, da würden entsprechende Spieler wirklich fehlen. "Wir haben diese Spieler einfach nicht!" Die Probleme seien aber nicht neu, sondern hinlänglich bekannt. "Wir haben keine Neuner und flinken Außenverteidiger", sagte der Publizist.
Man habe nicht mehr die Qualität in der Spitze, wie noch 2014, als fünf, sechs Spieler auf dem Zenit ihres Könnens waren, sagte der Buchautor. Heute habe man zwar mehr Qualität in der Breite, aber nicht mehr in der Spitze.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf gibt am Flughafen in Doha ein Statement.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf will offenbar für Mittwoch eine Krisensitzung in der DFB-Zentrale in Frankfurt abhalten. (Tom Weller / dpa / Tom Weller)

Frühes WM-Aus war auch Pech

Am Ende sei es auch Pech gewesen, dass die Japaner die Spanier geschlagen hätten und damit für das überraschende deutsche WM-Aus gesorgt hätten. Ansonsten könnte man die deutsche WM-Elf auch als nervenstark bezeichnen und hervorheben, dass sie zwei Mal einen Rückstand aufgeholt habe, sagte Schulze-Marmeling. Die Mannschaft habe extrem viele Chancen herausgearbeitet, aber zu viele vergeben. Wäre eine dieser Chancen verwertet worden, hätte die Geschichte ganz anders ausgesehen, sagte er. Hätte die Mannschaft die Vorrunde überstanden, wäre sie vielleicht in einen Lauf gekommen und hätte das Viertelfinale - vielleicht sogar das Halbfinale erreichen können, führte er weiter fort.
Problematisch sei einfach, dass die Balance in der Mannschaft nicht stimme, hob Schulze-Marmeling hervor. Man habe nicht in allen Mannschaftsteilen die individuelle Klasse. Erschwerend kam bei dieser WM noch hinzu, dass die Zeit zum Einspielen sehr, sehr kurz gewesen sei, um dies zu kompensieren.

Rücktritt von Bierhoff "sinnvoll"

Man müsse bei der Ursachenforschung tiefer ansetzen und nicht nur die handelnden Personen in den Blick nehmen, sagte er. Auch der in der Kritik stehende DFB-Direktor Oliver Bierhoff habe mit der DFB-Akademie wichtige Schritte für die Zukunft angestoßen.
Dennoch legte Schulze-Marmeling dem Europameister von 1996 den Rücktritt nahe. "Für Viele ist er der Sündenbock und wird auch der Sündenbock bleiben, viele werden sich nicht damit zufrieden geben, wenn nicht diese personelle Konsequenz gezogen wird."

Bundesliga stehe in der Pflicht

Viele Fans hätten es ihm nicht verziehen, dass er die Kommerzializierung der Nationalmannschaft vorangetrieben habe, sagte der Publizist. Es sei der Wunsch der Fans, dass die Nationalmannschaft ein bisschen so bleibe, wie der Fußball früher war.
Schulze-Marmeling erwähnte aber positiv, dass Bierhoff selbst auch seit 2014 bestimmte Probleme in der Ausbildung angemahnt habe. Nach Medienberichten könnte zukünftig DFL-Aufsichtsratschef Joachim Watzke bei der Nationalmannschaft eine starke Rolle spielen, während Bierhoffs zweites Tätigkeitsfeld als Direktor und Geschäftsführer der Akademie beschränkt werden soll.
Dies sei positiv zu sehen, denn auch die Bundesliga stehe in der Pflicht, sich um die Nationalmannschaft zu kümmern. In den letzten Jahren hätten bei den Bundesligaklubs vor allem junge ausländische Spiele für Furore gesorgt.
Er habe öfters das Gefühl, dass "die Nachwuchspolitik der Bundesligisten primär in einem großen globalen Scouting besteht, dort Talente möglichst schnell zu entdecken und dann nach Deutschland zu importieren." Das habe aber nichts mit Nachwuchspolitik und Ausbildung zu tun, kritisierte der Autor.