Risikospiele im Profifußball
Wie realistisch ist ein bundesweiter Polizeikosten-Fonds?

Der Rechtsstreit um Polizeikosten zwischen Bremen und der DFL läuft seit Jahren. Nun hat sich Hamburg aus der Deckung gewagt, strebt einen bundesweiten Polizeikosten-Fonds an. Ob die Länder an einem Strang ziehen werden, ist jedoch zweifelhaft.

Von Julian Tilders |
    Fans des Hamburger SV marschieren unter Aufsicht der Polizei zum Millerntor-Stadion des FC St. Pauli.
    In Hamburg ist ein Derby zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli ein sogenanntes Hochrisikospiel, weil es Gewaltpotential birgt, wenn Fangruppen aufeinandertreffen. Rund 60 dieser Spiele gibt es laut DFL pro Saison. (www.imago-images.de / Philipp Szyza via www.imago-images.de)
    Bremen liegt mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) seit zwölf Jahren im juristischen Clinch darüber, wer bei Hochrisikospielen die zusätzlichen Polizeikosten zahlen soll: die Länder bzw. der Bund und damit wie bisher die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – oder die Profivereine. Der Rechtsstreit wird seit April 2024 vor dem Bundesverfassungsgericht final ausgetragen. Nun gibt es Beistand aus Hamburg, im Fußball eigentlich der große Erzrivale.

    Hamburg strebt bundesweiten Polizeikosten-Fonds an

    Die Hansestädte und Stadt-Staaten halten zusammen: Beide eint ein gemeinsames Interesse – so wollen auch die Regierungsparteien Hamburgs (SPD/Grüne) die Profi-Fußballklubs, in ihrem Fall den FC St. Pauli und den Hamburger SV, an den Polizeikosten für Einsätze im Rahmen der Spiele beteiligen.
    Hamburg schlägt in dieselbe Kerbe wie schon Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): Ein bundesweiter Polizeikosten-Fonds soll her, der die Polizeieinsätze finanziert und in den alle Profivereine einzahlen sollen. Am 18. September soll ein entsprechender Antrag in die Hamburger Bürgerschaft eingebracht werden. Zuerst berichtete am Dienstag (09.09.2024) der NDR darüber.
    Die Deutsche Presse-Agentur zitierte außerdem aus einer Mitteilung von Sina Imhof, der innenpolitischen Sprecherin der Hamburger Grünen. Sie will "die Vereine (...) fair an den Ausgaben beteiligen". Imhof erklärte, die hohen Kosten bei Risikospielen seien "eine Herausforderung, die aktuell vom Gemeinwesen getragen" werde.
    Andy Grote (SPD), der Hamburger Sport- und Innensenator, hatte die Bestrebungen schon Anfang Januar 2024 angedeutet. Er hatte damals gegenüber dem NDR deutlich gemacht, eine Kostenbeteiligung nur für Hamburgs Profivereine sei dabei kein Thema: "Ich bin gegen eine isolierte Lösung für Hamburg. Wir brauchen ein einheitliches Vorgehen deutschlandweit."

    Bundesländer in Polizeikosten-Frage uneinig

    Aber wie realistisch wäre eine bundesweite Lösung, die Hamburg als Bedingung sieht? Mit der Einigkeit ist es zwischen den Bundesländern bekanntermaßen nicht immer weit her. Nur Rheinland-Pfalz hatte in den vergangenen Jahren ebenfalls die Absicht signalisiert, eine Gebührenordnung zu erstellen, mit der die DFL zur Kasse gebeten würde. Was aufgrund der laufenden DFL-Verfassungsbeschwerde allerdings nicht weiter verfolgt wurde.
    Die inhaltliche Einigkeit von Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz verwundert nicht, die Regierungen werden alle von der SPD geführt. Das WDR-Magazin "Sport inside" berichtete im April außerdem von einem durch Fan-Ausschreitungen ausgelösten Umdenken in Niedersachsen (SPD/Grüne) sowie sporadisch bekundeten Sympathien des Saarlands (SPD) und Thüringen für den "Bremer Weg".
    Auf der Gegenseite stehen Nordrhein-Westfalen (CDU/Grüne) und Bayern (CSU/Freie Wähler), in denen über ein Drittel der aktuell 36 Erst- und Zweitligaklubs beheimatet sind. Eine Sportschau-Anfrage beantwortete das Land NRW im April damit, man habe "Chancen und Risiken abgewogen" und halte Bremens Weg für grundsätzlich nicht geeignet, "Gewalttägigkeiten bei Fußballspielen entgegenzuwirken". Und Bayerns Innenministerium betonte: "Die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist und bleibt Kernaufgabe des Staates."

    Hamburger Forderung würde Gerichtsentscheidung pro Bremen voraussetzen

    Damit ein bundesweiter Polizeikosten-Fonds überhaupt möglich wäre, bräuchte es erst einmal eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Rechtsstreit zwischen Bremen und der DFL. Bis zu einem Urteil dauet es wohl noch.
    Die DFL hat bereits zweimal verloren: In der Vergangenheit hatten das Oberverwaltungsgericht Bremen und das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig festgestellt, dass die Beteiligung des Profifußballs an Polizeikosten grundsätzlich rechtmäßig sei. In Bremen bekommt die Rechnungen für Polizei-Zusatzkosten bei Risikospielen der Bundesligist Werder Bremen.
    Sollte die Verfassungsbeschwerde der DFL vom Bundesverfassungsgericht nun abgewiesen werden, hofft Bremens Innensenator Mäurer auf eine Kettenreaktion in den Ländern. Dann würden "sich auch andere Länder für eine Kostenbeteiligung entscheiden", zeigte er sich im April zuversichtlich.

    DFL-Standpunkt: Sicherheit ist Ländersache

    Die DFL hingegen hält die Sicherheit im öffentlichen Raum für "eine staatliche Kernaufgabe", die mit Steuergeldern finanziert werde, die eben auch die 36 Profivereine entrichten. Der Ligaverband verweist zudem auf die eigenen Investitionen in Maßnahmen zur Gewaltprävention oder darauf, dass Gebührenbescheide für Polizei-Zusatzkosten die finanzschwächeren Klubs überfordern könnten.

    Gewaltprävention könnte Polizeikosten senken

    Jüngst meldete sich auch der Präsident des FC St. Pauli zu Wort. Oke Göttlich sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Wir diskutieren erneut nur über Symptome und Repression, nicht über Ursachen und Prävention. Wer soll entscheiden, welche Einsätze von Großveranstaltern bezahlt werden und welche vom Staat?" Der Veranstalter selbst sei weder Störer noch habe er die Störungen veranlasst. "Zahlen soll er trotzdem."
    Es stellt sich also die Frage, ob sich die Debatte statt um die Beteiligung von Vereinen an Polizeikosten nicht eher um die Ursachen für Gewalt und eine bessere Prävention drehen sollte. Die Sportminister-Konferenz stellte im April fest, dass die präventiven Strukturen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der DFL noch viel Luft nach oben hätten.