Die Fans sind zurück in den Bundesliga-Stadien. Das ist gut für sie, für die Teams, fürs Fernsehen – fürs Klima ist es nicht gut. Denn Hunderttausende Fans, die mit dem Auto zum Stadion fahren und dort Bratwurst essen, sind nicht klimaschonend.
Gleichzeitig ist es aber geliebtes Hobby – und das Geschäftsmodell der Vereine. Ein Dilemma. „Es ist natürlich so, dass die Fußballvereine an sich nicht per se nachhaltig sind und auch nicht ein einhundertprozentig nachhaltiges Kerngeschäft haben“, sagt Neele Rickers, Nachhaltigkeits-Beauftragte beim SC Paderborn.
Klimaschutz bisher nicht in der DNA der Bundesliga
Wie andere Vereine hat der Zweitligist in den vergangenen Jahren angefangen, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Sich sozial zu engagieren, liegt bei fast allen Klubs in der DNA. Auf seinen ökologischen Fußabdruck zu achten, bei vielen nicht.
Das Bewusstsein für die Klimakrise kommt aber langsam auch in der Bundesliga an – bei Sponsoren, Fans und Verantwortlichen. In Paderborn hat die Geschäftsführung um Martin Hornberger dafür gesorgt, dass Nachhaltigkeit als Unternehmensziel strategisch verankert wurde. Jetzt misst der Verein seinen CO2-Ausstoß, hat eine fair produzierte Fan-Kollektion und vor einem Jahr seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht.
„Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass sich die Bundesliga und die 2. Bundesliga bewusst sind, dass sie sich gesellschaftlichen Aufgaben auch stellen müssen“, sagt Hornberger. „Und dazu gehört eben auch das Thema Nachhaltigkeit. Und wir haben eben die große Chance, mit unseren Reichweiten dieses Thema auch ganz nachhaltig zu platzieren.“
Vereine müssen ab 2023 Nachhaltigkeitskriterien erfüllen
Deshalb befürwortet er auch das, was die DFL jetzt plant: Nämlich Nachhaltigkeitskriterien in der jährlichen Lizenzierung zu verankern. Die Richtlinie soll auf der DFL-Mitgliederversammlung verabschiedet werden, der Deutschlandfunk hat für die ARD-Radio-Recherche-Sport die Beschlussvorlage eingesehen.
Ab der Saison 2023/24 sollen die Vereine ökologisch, wirtschaftlich und sozial nachhaltiger arbeiten. Dafür müssen sie zunächst insgesamt 39 Kriterien erfüllen. Manches klingt simpel: Die Vereine müssen zum Beispiel jeweils zwei Maßnahmen zu den Themen Fair Play und Anti-Doping durchführen.
Die DFL verlangt aber auch, dass die Klubs ihren CO2-Fußabdruck messen, eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, Verantwortliche für Nachhaltigkeit einstellen.
Durch die Lizenzierung alleine sind wir noch kein Stück nachhaltiger geworden.
Stefan Wagner, Nachhaltigkeitsberater der TSG Hoffenheim
Diese neuen Kriterien seien ein guter Schritt, sagt Stefan Wagner, Nachhaltigkeitsberater der TSG Hoffenheim. Aber: „Tatsache ist auch: Durch die Lizenzierung allein sind wir noch kein Stück nachhaltiger geworden. Deswegen ist entscheidend, was das auslöst. Und es löst die Notwendigkeit aus, als Bundesliga-Klub die Fragen zu beantworten: Wo stehe ich eigentlich in der Gesellschaft?“
Auch die Hoffenheimer veröffentlichen jetzt schon ihren CO2-Ausstoß, genauso wie auch der VfL Wolfsburg oder Borussia Dortmund. Viele andere Vereine können oder wollen auf Nachfrage aber nicht mitteilen, wie viel CO2 sie verursachen.
Laufmann - "Es gab bremsende Kräfte"
Dass es jetzt Druck vonseiten der DFL gibt, findet Anne-Katrin Laufmann daher wichtig. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte von Werder Bremen hätte sich sogar mehr Tempo gewünscht.
„Vor allem, wenn wir über das Thema Klimaschutz sprechen, wird es dem nicht gerecht. Weil ich finde, da haben wir de facto keine Zeit. Aber: Es gab bremsende Kräfte. Und es war immer wichtig, dass wir solidarisch an diesem Projekt arbeiten und auch solidarisch entscheiden“, sagt Laufmann.
„Dass man in solchen Diskussionen, wo ein neuer Themenbereich den Bundesliga-Fußball betrifft, auch mal sehr emotional diskutiert und auch zunächst erst einmal unterschiedliche Meinungen hat, das ist, glaube ich, ganz gut so, weil man dann auch viel intensiver über diese Themen spricht“, sagt auch Martin Hornberger.
In einem monatelangen Prozess – für den die DFL von den Klubs großes Lob erhält – habe man aber ein Mindestmaß an Kriterien gefunden, die erfüllbar seien. Trotz einiger Unsicherheiten bei manchen Klubs, ob die Vorgaben schaffbar sind.
Rettig vermisst harte Sanktionen für Verstöße
Für viele Maßnahmen bekommen die Vereine daher noch ein Jahr mehr Zeit. Sie müssen erst ab der Saison 2024/25 konkret angeben, wie sie ihre CO2-Emissionen senken wollen, wie viele Fanartikel fair produziert werden und wie viele Sponsoring-Einnahmen von Unternehmen stammen, die nicht nachhaltig arbeiten.
Sollten die Vereine die Kriterien aber nicht einhalten, brauchen sie nicht mit Geldstrafen oder Punktabzügen zu rechnen. Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig kritisiert das.
„Da hätte ich mir einen anderen Standard gewünscht. Ich erinnere an die damalige Einführung der Nachwuchsleistungszentren 2006. Da haben wir ein scharfes Schwert benutzt. Wir haben gesagt: Wer nicht in den Nachwuchs investiert und die Kriterien erfüllt, kriegt keine Lizenz. Das fehlt hier völlig.“
Rettig fordert Umdenken von DFL-Spitze
Rettig moniert außerdem, dass es gleichzeitig Praktiken gibt, die dem Nachhaltigkeitsgedanken widersprechen – zum Beispiel, dass selbst bei Spielen bei Tageslicht teilweise das Flutlicht angeschaltet wird, damit das Fernsehbild noch ein bisschen besser ist.
Um wirklich nachhaltig zu sein, bräuchte es in der Bundesliga ein komplettes Umdenken – auch von der neuen DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen, die im Februar in einem BILD-Interview einen Supercup in Saudi-Arabien nicht ausschließen wollte.
„Auch wenn ich jetzt die neue DFL-Geschäftsführung wieder höre: Keine Denkverbote mit Spielen in Saudi-Arabien – dann sind das genau die verkehrten Aussagen in der Frage. Und ich würde mir eher wünschen, zu sagen: Es geht nicht mehr um das Thema Umsatz zu maximieren, sondern es geht dahin, dass wir uns Gedanken machen, wie können wir glaubwürdig den Profi-Fußball neu justieren?“
Die entscheidende Bewertung erfolgt durch die Gesellschaft.
Stefan Wagner, Nachhaltigkeitsbeauftragter TSG Hoffenheim
Mehrheitsfähige Antworten auf diese Frage wird es unter den 36 Vereinen aber wahrscheinlich so schnell nicht geben. Die DFL scheint daher in kleineren Schritten zu planen: Laut Beschlussvorlage soll der Kriterienkatalog in den kommenden Jahren noch erweitert werden. Besonders nachhaltige Klubs könnten dann eine finanzielle Belohnung erhalten.
Und für Hoffenheims-Nachhaltigkeits-Berater Stefan Wagner ist es auch nicht die DFL, vor der sich die Vereine verantworten müssen. „Die entscheidende Bewertung erfolgt ja dann durch die Gesellschaft, auch die Belohnung oder die Sanktion, je nachdem, wie ich mich aufstelle. Und deswegen tut jeder Klub gut daran, sich sofort auf den Weg zu machen. Und ich gehe auch davon aus, dass das passieren wird.“