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Diabetes am Ende?

Medizin.- Bisher gilt Diabetes vom Typ II als unheilbar. Bereits vor zwei Jahren berichteten Züricher Mediziner, dass sie in einer Teststudie erfolgreich ein Rheumamittel dagegen eingesetzt hatten. Das ist daraus geworden.

Von Michael Stang |
    Diabetes ist die Zivilisationskrankheit schlechthin. Schätzungen zufolge werden in den kommenden 20 Jahren weltweit rund 380 Millionen Menschen an Diabetes erkrankt sein.

    "Das ist erschreckend und man muss ganz klar sehen, Diabetes ist eine Epidemie",

    sagt Marc Donath vom Universitätsspital in Zürich. Vor zwei Jahren fand der Endokrinologe eine der Hauptursachen für Diabetes. Letztlich handelt es sich um eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Die Insulin produzierenden Betazellen werden bei Übergewicht und wenig Bewegung inaktiv und sterben ab. Dadurch kann nicht genügend Insulin produziert werden, das den Blutzuckerspiegel senkt. Die verantwortliche Substanz für das Absterben der Zellen ist Interleukin 1 Beta. Dieser Botenstoff zerstört in einer Art Teufelskreislauf genau die Zellen, die ihn selbst produziert haben. Nachdem die Zürcher Mediziner diese Ursache erkannt hatten, blockten sie bei einer ersten Testreihe die Interleukin-1-Beta-Produktion mithilfe eines Rheumamittels an 70 Patienten. Der zelluläre Selbstmord wurde gestoppt: die Entzündung ging zurück und ein weiteres Absterben der Betazellen blieb aus. Zudem erholten sich einige der Zellen und konnten wieder mehr Insulin produzieren.
    "Damals haben wir eine Proof-of-concept-Studie gemacht, also einfach gezeigt, so kann man es machen. Wir haben es gemacht mit einem Mittel, das denke ich ein schlechtes Mittel war, weil es einmal pro Tag mindestens gespritzt werden müsste, und jetzt haben wir mit der Industrie andere Mittel, die entwickelt worden sind, die man einmal pro Woche, sogar wahrscheinlich einmal pro Monat spritzen kann und die so eine länger dauernde Wirkung haben."

    Die Erfolge weckten alsbald das Interesse der Pharmaindustrie. Schließlich bietet sich hier die Chance eines Medikaments, das weltweiten Absatz finden könnte. Derzeit forschen zehn Pharmafirmen intensiv an einem langfristigen Interleukin-1-Beta-Blocker. Bis auf eine japanische Firma hat Marc Donath zu allen beteiligten Konzernen Kontakt und leitet die Studien zum Teil selbst. Drei Firmen haben bereits mit klinischen Studien begonnen, bei denen die neuen Medikamente aktuell an mehreren Hundert Diabetes-Patienten getestet werden. Der Schweizer Mediziner hofft, dass schon in drei bis fünf Jahren die ersten Produkte auf den Markt kommen werden.

    "Es ist die erste Therapie, die wirklich in der Entstehung der Krankheit eine Rolle gespielt hat und dadurch gab es auch zum ersten Mal wieder mehr Insulin, das von diesen Zellen produziert wurde, ohne dass man sie besonders stimuliert dazu, sondern den Zellen ging es besser, weil sie eben geschützt sind."

    In naher Zukunft sei es möglich, dass sich Diabetespatienten die Blocker selbst spritzen können, ähnlich wie sie es heute mit Insulin mehrmals täglich machen – dann aber nur noch einmal im Monat. Die Methode habe auch das Potential, die Krankheit unter Umständen zu heilen, aber nur bedingt. Entscheidend sei letztlich der Lebenswandel der Patienten.

    "Es ist wie bei einer Infektionskrankheit. Also, eine Tuberkulose kann man heilen heute, aber wenn der Patient sich neu infiziert, dann hat er wieder die Tuberkulose. Und das gleiche wäre, wenn der Patient schlank wird und sich mehr bewegt, dann können wir die Entzündung, die sonst weiter abläuft, stoppen und möglicherweise kann man so vielleicht sogar eine Heilung erreichen. Wird der Patient aber nicht abnehmen oder sogar zunehmen, dann rennen wir dem immer nach."

    Ein weiterer Ansatz könnte daher eine frühere Diagnose einer Diabetes-Erkrankung sein. Im Frühstadium einer Zuckererkrankung sind viele der Insulin produzierenden Betazellen noch intakt. Dies macht die Verabreichung von Interleukin-1-Beta-Blockern einfacher, da in Kombination mit einem veränderten Lebenswandel – weniger kalorienreiche Nahrung und mehr Bewegung – Diabetes eher heilbar zu sein scheint.