"Die größte Motivation für uns, diese Arbeit zu machen, ist es, Diabetes-Patienten zu helfen. Für sie ist es oft schmerzhaft, den Blutzucker zu messen. Und das jeden Tag über viele Jahre hinweg. Um das zu ändern, haben wir ein Pflaster entwickelt, das die Glukosekonzentration schmerzfrei bestimmen und bei Bedarf ein Medikament unter die Haut abgeben kann."
Hyunjae Lee von der Seoul National University in Südkorea arbeitet in seiner Doktorarbeit an dehnbaren, elektronischen Sensoren. Diese sind das Herzstück des neuartigen Pflasters.
"Unser Pflaster besteht aus einer dünnen, durchsichtigen und weichen Silikon-Schicht. Darin eingebettet sind zwei Bereiche mit verschiedenen Komponenten: Der eine Bereich ist für die elektrochemische Glukose-Messung zuständig, der andere kann aus Mikronadeln ein Medikament abgeben."
Die Entwicklung von Lee und seinen Kollegen ist etwa fünf mal fünf Zentimeter groß und kann zum Beispiel um das Handgelenk geklebt werden. Weil das Pflaster sehr elastisch ist, funktioniert es auch dann noch, wenn es gedehnt oder gestaucht wird. Es misst die Glukosekonzentration nicht im Blut, sondern im Schweiß. Studien haben gezeigt, dass es zwischen der Glukosekonzentration im Schweiß und der im Blut eine Korrelation gibt.
Messung und Abgabe eines Medikaments
"Ein kleiner Feuchtigkeitssensor stellt fest, wann genügend Schweiß für die Messung vorliegt. Dann bestimmt ein zweiter Sensor die Glukosekonzentration. Ist sie hoch, wird im anderen Teil des Pflasters die Temperatur erhöht und die winzigen Nadeln geben ein Medikament in die Haut ab, das den Blutzucker wieder senkt."
Die Wissenschaftler setzten in ihrer Studie das Medikament Metformin ein und klebten sechs Mäusen mit Diabetes ein Pflaster auf den Bauch. Der Blutzuckerspiegel sank im Laufe von sechs Stunden wieder auf Normalniveau. Außerdem testeten die Forscher ausschließlich die Glukose-Messung bei zwei ihrer Studenten. Das Pflaster liefere verlässliche Ergebnisse.
Auch andere Wissenschaftler haben in der Vergangenheit an ähnlichen Messgeräten gearbeitet. Erst 2015 präsentierte eine Forschergruppe ein Pflaster mit Insulin gefüllten Mikronadeln, allerdings ohne Sensoren. Hyunjae Lee sieht bei seiner Entwicklung klare Vorteile:
"Ein winziger pH-Sensor sowie ein Temperatursensor im Pflaster können die Glukose-Messwerte falls nötig korrigieren. Das ist manchmal notwendig, denn die Milchsäure im Schweiß kann die Messung beeinflussen, ebenso die Körpertemperatur. Das wurde in früheren Studien nicht berücksichtigt."
Ein kleines Gerät, das mit dem Pflaster verbunden ist, wertet die Messdaten aus und schickt sie drahtlos an das Smartphone des Diabetikers. Jetzt müssen klinische Studien an Menschen die Wirksamkeit des Pflasters unter Beweis stellen. Lee und seine Kollegen wollen ihre Entwicklung weiter verbessern und noch kleiner machen. In etwa fünf Jahren könnte sie marktreif sein.
Metformin als Medikament nicht unbedingt geeignet
Das hält auch Richard Guy für möglich, Pharmakologe an der Universität im britischen Bath. Er war an der aktuellen Studie nicht beteiligt, hat sie aber genau gelesen:
"Ich denke, das könnte der richtige Zeitpunkt sein für solch ein Pflaster. Es ähnelt ja den ganzen Wearables, die zur Zeit sehr angesagt sind."
Neben den klinischen Studien müssten allerdings noch weitere Tests durchgeführt werden, so Richard Guy, zum Beispiel, wann Teile des Pflasters ausgetauscht werden müssen. Außerdem sei Metformin als Medikament für den Einsatz am Menschen in diesem Fall vermutlich ungeeignet, weil die benötigte Menge in solch einem kleinen Pflaster praktisch gar nicht verabreicht werden könne.
Die Anzahl der Mikronadeln lasse sich jedoch noch erhöhen und benutzte Nadeln könnten einfach ausgetauscht werden, so Hyunjae Lee. Wie lange Diabetiker das Pflaster dann tatsächlich ohne Unterbrechung tragen können, ist aber noch unklar. Dennoch:
"Zum ersten Mal haben Wissenschaftler mit diesem Pflaster eine gute Idee geliefert, wie die Glukose-Messung mit einer Medikamentengabe kombiniert werden kann. Ich denke, dass sie noch nicht hundertprozentig erfolgreich waren, ein wirklich praktikables Gerät zu liefern, auch wegen Metformin, aber als Machbarkeitsnachweis ist es ziemlich beeindruckend."