Wenn Matthew Webber das Modell eines Insulin-Moleküls betrachtet, sieht er es mit den Augen eines Ingenieurs. Er weiß, welchen Einfluss die einzelnen chemischen Gruppen auf die Eigenschaften des Hormons haben; wie schnell es aktiviert oder abgebaut wird zum Beispiel. Dieses Wissen wollen Matthew Webber und seine Kollegen am Massachusetts Institute of Technology nutzen, und durch gezielte Veränderungen wie das Hinzufügen einer chemischen Gruppe die Funktion des Hormons beeinflussen.
"Eine Art Heiliger Gral in der Diabetes-Forschung ist die Idee, ein intelligentes Insulin zu entwickeln, das nur dann aktiv ist, wenn es gebraucht wird. Es könnte ständig im Körper anwesend sein, im Blut zirkulieren und auf den Anstieg des Blutzuckerspiegels nach einer Mahlzeit reagieren, indem es aktiv wird. Wie ein Schalter für das Insulin."
Zwar gibt es schon Varianten von Insulin, die entweder schneller wirken oder länger im Körper verfügbar bleiben und kontinuierlich aktiv sind. Doch keines dieser Moleküle schafft es, die Dynamik von körpereigenem Insulin und damit die genaue und schnelle Regulation des Blutzuckerspiegels zu imitieren. Und das wäre wichtig, weil ständige Schwankungen langfristig Organe und Blutgefäße schädigen können. Darüber hinaus kann eine falsche Dosierung zu einer lebensbedrohlichen Unterzuckerung führen.
Auf dem Weg zum intelligenten Insulin
All diese Nebeneffekte soll ein intelligentes Insulin verhindern, an dem Matthew Webber und seine Kollegen arbeiten.
"Wir haben das natürliche Insulin genommen und es an einer ganz bestimmten Stelle verändert. Wir haben eine chemische Gruppe angehängt, die Glucose binden kann. Und wenn Glucose gebunden ist, verändern sich die Eigenschaften dieser Gruppe und das Insulin wird aktiv. Wenn also der Blutzuckerspiegel steigt, geht auch die Insulinaktivität rauf und wenn der Blutzuckerspiegel normal ist, ist die Insulinaktivität niedrig."
Eine weitere chemische Modifikation sorgt dafür, dass das inaktive Insulin über mehrere Stunden im Körper bleibt, ohne abgebaut zu werden, und so jederzeit verfügbar ist. In Versuchen mit diabetischen Mäusen konnte eine einzige Injektion des modifizierten Hormons den Blutzuckerspiegel der Tiere über bis zu 14 Stunden konstant halten, auch wenn in dieser Zeit mehrere Mahlzeiten simuliert wurden.
Goldstandard im Tierversuch
Und was fast noch wichtiger ist: Im Vergleich mit gesunden Mäusen setzte die Wirkung des künstlichen Insulins mindestens so schnell ein wie die des körpereigenen Insulins.
"Wir konnten tatsächlich das Niveau der Regulation durch die Bauchspeicheldrüse erreichen, und das ist der Goldstandard, also das Beste, was man erreichen kann."
Bevor davon auch menschliche Diabetes-Patienten profitieren können, sind allerdings weitere Tests nötig. Zurzeit suchen die Wissenschaftler nach Kooperationspartnern in der pharmazeutischen Industrie, um ihre Entwicklung auch klinisch zu erproben. Matthew Webber hält es für möglich, dass noch weitere Modifikationen nötig sind:
"Ich denke, dass das eine sehr vielversprechende Option ist, aber es muss sich noch zeigen, ob das schon die Wunderwaffe sein kann, oder ob es bessere Wege gibt, ein intelligentes Insulin zu entwickeln."
Und dafür, sagt Matthew Webber, wollen er und seine Kollegen weiter arbeiten.