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Diagnose mit Liquid-Biopsy-Test
Brustkrebs früher erkennen

Die Studien laufen noch, aber schon im Herbst könnte ein neuer Bluttest die Brustkrebserkennung verbessern. Ziel sei es, ein weiteres Diagnose-Angebot zu machen, sagte Sarah Schott vom Universitätsklinikum Heidelberg im Dlf. Verfahren wie Mammografie und Sonografie könne der Test nicht ersetzen.

Sarah Schott im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Blutproben (Symbolbild)
Das neue Diagnoseverfahren sei vor allem für Frauen geeignet, denen sonst gängige Brustkrebsdiagnoseverfahren nicht bekämen, erklärte Sarah Schott vom Universitätsklinikum Heidelberg (imago / Science Photo Library)
Lennart Pyritz: Ein Forschungsteam am Universitätsklinikum Heidelberg hat nach eigenen Angaben einen Test entwickelt, mit dem sich allein anhand von kleinen Blutproben eine Brustkrebserkrankung erkennen lässt. Der Test basiert auf dem Prinzip der sogenannten Flüssig-Biopsie. Dabei wird in Körperflüssigkeiten, in diesem Fall Blut, nach Botenstoffen gesucht, die von Tumorzellen abgegeben werden.
Ich habe vor der Sendung mit einer der Projektleiterinnen telefoniert, Sarah Schott vom Universitätsklinikum Heidelberg. Meine erste Frage war: Vor einem Jahr wurde im Fachmagazin "Science" bereits ein Tumortest auf der Basis von Liquid-Biopsy beschrieben. Was ist das Neue an dem von Ihnen jetzt vorgestellten Test?
Sarah Schott: Genau, also der Liquid-Biopsy-Test, der aus den USA kam, befasst sich ja mit acht Entitäten, die haben da einen anderen Ansatz als den, den wir jetzt primär gewählt haben, sie untersuchen free DNAs , und bei uns ist es eben im Endeffekt so, dass wir uns primär mit microRNA und Methylierungsmarkern beschäftigt haben, also sprich, eine andere Art von Liquid Biopsy über den Krebs im Blut auch nachweisbar ist.
Ralf Krauter: Ist dieser neue Test denn jetzt ein Meilenstein, eine Revolution, oder eher eine Fortentwicklung in einer längeren Entwicklungsgeschichte?
Schott: Genau, also es ist definitiv ein längerer Entwicklungsschritt. Es ist ja so, dass an der Universitätsfrauenklinik schon über zehn Jahre in diesem Bereich geforscht wird und nun eben unterschiedliche Marker, die auch im Rahmen von vielen Doktorarbeiten untersucht wurden, zusammengeführt haben, um tatsächlich auch eine Anwendung, Strategie zu entwickeln, dass sie eben nicht nur nach einem Teil der Liquid Biopsy gucken oder nach einem Marker, sondern eben ganz viele verschiedene Marker kombinieren.
Krauter: Die Trefferquote dieses neuen Tests liegt ja laut Ihren Angaben für Brustkrebspatientinnen unter 50 bei über 80 Prozent, für betroffene Frauen über 50 bei ungefähr 60 Prozent. Was ist denn mit falschpositiven Fällen, also wie oft schlägt dieser Test auch bei Gesunden Alarm?
Schott: Wir haben sehr viele unterschiedliche Ansatzstudien gemacht, eben auch Studien in Hochrisikokollektiven, was ist bei Frauen, die eben eine familiäre Geschichte mit sich bringen, und da haben wir ganz unterschiedliche Sensitivitäten oder eben auch Trefferquoten getroffen. Und bei uns basiert das ganze System auf einem Machine-Learning-Prozess, also so einem Algorithmus, der natürlich auch trainiert wird und man durch diese vielen verschiedenen Studien, Erkenntnisse und vielen verschiedenen Untersuchungen eben eine Treffgenauigkeit erzielen kann, und das ist eben auch abhängig von den Subgruppen, und je mehr Frauen wir untersuchen oder je größer die Studien sind, desto mehr kann man natürlich auch einen Test entwickeln, der eben für jede Frau anwendbar ist.
Aber in der ersten Phase muss man natürlich gucken, welche Marker sind vielleicht auch anders zu gewichten in anderen Subgruppen?
Und da ist das Alter ein relativ wichtiger Faktor, dass man einfach sagen kann, okay, bei älteren Frauen jetzt über 50 sind eben auch diese Marker, die wir gefunden haben, anders zu gewichten. Und so ist es eben auch bei Hochrisikofrauen anders und bei Frauen, die im Endeffekt vielleicht auch unter 40 sind. Deshalb kriegt man da unterschiedliche Gewichtungen.
"Wir wollen gar nicht von Ersetzen sprechen"
Krauter: Was bedeutet das konkret? In welchen Fällen könnte dieser Test künftig besonders hilfreich sein oder sogar gängige Verfahren wie Mammografie vielleicht ersetzen?
Schott: Also ich glaube, wir wollen gar nicht von ersetzen sprechen, weil jede Diagnostik ja ihre Daseinsberechtigung hat und, das wissen wir ja, gerade wenn wir die Mammografie, das MRT und die Sonografie anschauen, dass es eben Tumoren gibt, die man in der Mammografie ganz, ganz gut detektieren kann, und es gibt andere Tumoren, die sieht man überhaupt nicht, und das Gleiche gilt ja für die Sonografie und auch das MRT.
Unser Ziel ist es einfach, eine neue Diagnosesäule aufzumachen, dass man sagt, okay, wir haben eine Ergänzung, wir haben eine Erweiterung der uns zur Verfügung stehenden Verfahren.
Wir haben vielleicht ein Diagnoseverfahren, das man eben Frauen anbieten kann, die sonst vielleicht eben diese Diagnostik nicht bekommen, gerade natürlich auch Frauen in Hochrisikosituationen, bei denen man empfiehlt, sich regelmäßig einer intensiveren Vorsorge zu unterziehen.
Ein langer Weg, ein marktfähiges Produkt zu bekommen
Krauter: Die Studie ist ja noch nicht abgeschlossen. Wieso haben Sie sich jetzt entschieden, die zum jetzigen Zeitpunkt schon so öffentlich vorzustellen?
Schott: Im Endeffekt ist es so, dass es ein langer Weg ist, ein marktfähiges Produkt zu bekommen. Wenn man ein Medikament zulässt, ist es ja auch so, dass man mit einer Phase eins beginnt und dann auch in der Anwendung fortlaufend Studien durchführt. Und genauso wird das auch für dieses Produkt sein, dass es eben, auch wenn es laufende Studien sind, noch fortlaufend Studien geben wird, die dann diesen Einsatz auch spezifizieren werden.
Und wir wollen natürlich auch schauen, wie verhalten sich die Marker beispielsweise unter Chemotherapie, wie verhalten sie sich im Langzeitverlauf? Und wir wollen natürlich Langzeiterkenntnisse auch für die Nachsorge gewinnen. Wichtig ist es ja auch, dass wir sagen können, welchen Effekt haben Therapien und was kann man vielleicht auch langfristig für Therapieerweiterung aus dem Blut hervorziehen und eben rauslesen, um dann Frauen noch eine zielgerichtetere Therapie angedeihen zu lassen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.