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Dialekte als Kulturgut

Die französische Nationalversammlung hat jüngst dafür votiert, die Regionalsprachen in der Verfassung zu verankern. Denn diese Sprachen und Dialekte seien schließlich ein Teil des französischen Kulturguts. Welche Regionalsprachen" in Frankreich anerkannt werden, ist indes noch nicht entschieden.

Von Tonia Koch |
    Es ist später Nachmittag. Auf dem Schulhof des Lycee Teyssier in Bitche, das zwischen Saarbrücken und Straßburg liegt, hat sich eine Reihe von Schülern Grüppchenweise auf Bänken niedergelassen. Sie überbrücken in der Sonne ihre Freistunde, unterhalten sich dabei leise. Überall wird Französisch gesprochen. Der im Elsass oder in Lothringen übliche Dialekt ist bei den jungen Leuten nicht zu hören.

    "Die Junge honn Angscht sich lächerlich ze mache. Die Jugendliche denke, dass nur mehr die alte Platt rede."

    Tanja und Margot, sie praktizieren beide Platt zu Hause in ihren Familien. Auch auf dem Gymnasium haben sie das seit diesem Schuljahr angebotene Fach Regionalsprache gewählt. Aber nur eine Stunde die Woche werden die verschiedenen in der Region gesprochenen Dialekte unter die Lupe genommen und auch eingeübt. Für diese Anstrengung der dialektfähigen Schüler gibt es Extrapunkte beim Abitur. Ansonsten wird Deutsch als Fremdsprache gelehrt. Auch das fällt jenen leichter, die sich in der Mundart ausdrücken können, sagt Margot.

    "Viele Wörter gliche sich und da ist es einfacher Deutsch zu erlernen."

    Lothringer Platt wird in drei verschiedenen Ausprägungen entlang von Mosel und Saar, von Luxemburg bis ins nördliche Elsass hinein gesprochen. Aber ob Francique - wie die Lothringer ihr Platt nennen - oder Elsässisch, Platt ist auf dem Rückzug. Die französischen Kulturbehörden setzen ganz auf Hochdeutsch. Und das sei auch gut so, findet der Rektor des Lycee Teyssier, Christian Freyermuth.

    "Wenn ich morgen in Saarbrücken, Zweibrücken oder Pirmasens in einer Firma arbeite, dann muss ich technisch deutsch sprechen und Hochdeutsch, das Platt bringt mir gar nichts."

    Die französischen Kultus-Behörden stehen bislang auf dem Standpunkt, dass Elsässisch und Lothringer Platt eine gesprochene Form des Hochdeutschen darstellen, der Schulunterricht deshalb auf Hochdeutsch zu erfolgen habe. Michel Leroy, Präsident des Rektorat Metz/Nancy dem verlängerten Arm des französischen Bildungsministeriums in Lothringen.

    "Deutsch wird als Regionalsprache angesehen und als Referenzsprache für Rheinfränkisch und Moselfränkisch."

    Eine Ausnahme bilde lediglich die Dritte Form des Francique: Luxemburgisch. Da es bei den Nachbarn in Luxemburg Amtssprache sei, könne es mit den beiden anderen Sprachformen, mit Rheinfränkisch und Moselfränkisch sowie mit Elsässisch nicht auf eine Stufe gestellt werden. Entlang der luxemburgischen Grenze hätten die französischen Schulbehörden auch bereits reagiert, nachdem Umfragen ergeben hätten, dass die Eltern Wert darauf legten, dass ihre Kinder Luxemburgisch beherrschen. Michelle Leroy.

    "Es eröffnet Möglichkeiten, sich auf dem luxemburgischen Arbeitsmarkt zu bewegen. Also es gibt ein Interesse, Luxemburgisch zu entwickeln. Aber nicht in der gleichen Weise wie Hochdeutsch, wonach die Nachfrage überall im Departement Moselle steigt."

    Eine Reihe von Kulturverbänden sowie die Lehrergewerkschaft folgt dieser Argumentation der Behörden nicht. Nur wenn Platt in Kindergärten und Grundschulen unterrichtet werde, fänden die jungen Leute wieder zurück zum Deutschen. Joseph Nousse, Vertreter der Lehrergewerkschaft.

    "Weil die Administration von einer linguistischen Lüge ausgeht, das Konzept von der Sprache des Nachbarn. Der Nachbar spricht Deutsch, wir sollen Deutsch sprechen. Aber wenn ein Forbacher nach Saargemünd geht, dann schwätzt er Platt. Das ist doch im Herzen Europas die einzige gemeinsame Sprache."

    Die Kulturvereine, die sich als Verteidiger des Francique gegen die nationale französische Kulturpolitik sehen, fürchten nicht nur den schleichenden Verlust des Platt, sondern auch, dass das Interesse an Deutsch weiter schwindet. Didier Atamaniuk, Präsident des Vereins "Bei uns dehemm"

    "Denn es gibt keinen Grund mehr, bei uns etwas anderes zu machen als Englisch oder Chinesisch. Wofür Hochdeutsch in Lothringen, wenn die Jungen kein Platt mehr reden."

    Nachdem die Nationalversammlung die französischen Regionalsprachen anerkannt hat, warten die Vereine noch auf eine positive Entscheidung des Senats in dieser Frage. Das Votum ist für Juli vorgesehen. Ob diese Entscheidung der Mundart jedoch tatsächlich zur Renaissance verhilft, ist fraglich. Denn ohne die Schulen stirbt das Platt, das wissen die Vereine. Die Schulbehörde aber will an ihrer Linie festhalten und die lautet: Hochdeutsch bleibt Referenzsprache für das Elsass und Lothringen.