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Dialog zwischen Ost und West

Als Ort des Dialogs zwischen Ost und West versteht sich das Wiesbadener Filmfestival "goEast", das vor sieben Jahren vom Deutschen Filminstitut gegründet wurde. Diesmal hat der estnische Spielfilm "Magnus" den Hauptpreis des Festivals gewonnen. Er erzählt vom Kampf eines Vaters gegen die Melancholie und den Selbstmord seines Sohnes.

Von Martin Hamdorf |
    Langsam tuckert ein Kahn voller Menschen über einen breiten Fluss. An seinem Ufer leben zwei alte Frauen, Mutter und Tochter - in einer Kleinstadt, zwischen Traum und Wirklichkeit, Gegenwart und Vergangenheit und in hellen leuchtenden Sommerfarben. Die Zeit vergeht und scheint doch still zu stehen. Der ukrainische Wettbewerbsbeitrag "Am Fluss", der erste Spielfilm der jungen Regisseurin Eva Nejman, ist poetisch, aber unverschlüsselt:

    "Ich bin an einem Fluss aufgewachsen - und Fluss, das ist auch die Frische, das Lustige, das Lebendige überhaupt. Das ist nicht im übertragenen Sinne, das ist keine Metapher, das ist tatsächlich das, was man am Fluss empfindet, das Leben."

    Auch dieses Jahr waren die Filme in Wiesbaden so unterschiedlich wie ihre Regisseure und ihre Herkunftsländer.

    Der estnische Film "Magnus" erzählt mit melancholischem Realismus, mit in braunen und grauen Farben gehaltenen zurückhaltenden Bildern einen authentischen Fall: den Kampf eines Vaters gegen die Melancholie und den Selbstmord seines Sohnes. Der Vater des Toten selbst spielt die Titelrolle.

    Viele Filme spiegeln ihre Gesellschaft über sehr persönliche Alltagsgeschichten. In Wiesbaden trifft sich auch eine neue Generation osteuropäischer Filmemacher, sagt der Präsident der Jury, der deutsche Produzent Eberhard Junkersdorf:

    "Das war für mich eigentlich eine Feststellung, die sich sehr aufgedrängt hat, dass sehr viele junge Leute die Filme dort machen - ich weiß nicht, wie sie sie finanzieren, nachdem der Staatsfilm ja wohl weggefallen ist – aber sie schaffen es trotzdem, Filme zu machen - die auch aus meiner Warte als erster oder zweiter Film, die der Regisseur macht, sehr professionell sind: hervorragende Schauspieler, das Sujet ist durchdacht und es macht Spaß auch, diese Filme zu sehen."

    Viele Filmemacher widersetzen sich auch mit schwarzem Humor, gängigen Klischees vom exotischen Elend. So erzählt der russische Wettbewerbsbeitrag "Einfache Dinge" sehr humorvoll den listigen Kampf eines lebenslustigen, aber nicht sehr wohlhabenden Narkosearztes um eine neue Wohnung. Dabei zeigt er auch die sozialen Missstände im heutigen St. Petersburg auf. Aber Regisseur Aleksej Popogrebski hält wenig von dunklen Gemeinplätzen der russischen Seele:

    "Von einem typisch russischem Film erwartet man, dass er das Thema mit metaphysischen Metaphern im Tarkowsky-Stil, oder als düsteres soziales Elend schildert. Um ganz ehrlich zu sein, als ich den Film fertig hatte, war mir klar, dass er nicht der große Festivalhit werden würde. Erst als er erfolgreich auf den großen russischen Festivals lief, hatten auch internationale Festivals plötzlich Interesse.

    Ich hatte einmal ein interessantes Gespräch mit einem europäischen Verleiher. Er sagte mir: Wir mögen deinen Film alle sehr, aber er ist schwer zu verkaufen. Eine Geschichte, wie du sie erzählst, könnte auch in anderen Ländern spielen. Warum sollen wir dafür einen russischen Film einkaufen?"

    Ein zentraler Programmpunkt ist seit der Gründung des Wiesbadener Festivals das wissenschaftliche Symposium. Dieses Jahr ging es um die Bedeutung des Dokumentarfilms in Jugoslawien und Ex-Jugoslawien für die nationale Identitätsbildung und Aufarbeitung der Vergangenheit. Der Filmkritiker Bernd Buder ist einer der Organisatoren des Symposiums:

    "Diese Aufarbeitung fehlt auch noch. Also, der Opferstatus wird oft hervorgekehrt, auch berechtigterweise, aber er wird oft mythologisch überhöht und auch missbraucht, um einseitige Propaganda zu betreiben."

    Das Symposium ging aber auch auf die subversive Kraft des jugoslawischen Dokumentarfilms der 60er Jahre ein, der, so der Filmhistoriker und Gründer des Symposiums, Hans-Joachim Schlegel, immer schon die offizielle Regierungspropaganda ad absurdum geführt habe:

    "Und dazu gehören unter anderem auch eine ganze Reihe von Filmen, in denen bereits fast prophetisch deutlich wird, was dann in den 90er Jahren passiert ist, obwohl es ja offiziell immer noch die große Völkerfreundschaft und die Harmonie, die multi-ethnische Harmonie gab. Aber wir haben eine ganze Reihe von Filmen gezeigt, wo man zeigte, was da für Risse in dieser sogenannten Harmonie drin waren."