Archiv


Dichter und Dramatiker

Vor 50 Jahren starb Bertolt Brecht, der berühmteste deutsche Dramatiker des 20. Jahrhunderts. Brechts große Stücke wie "Die Dreigroschenoper", "Mutter Courage und ihre Kinder", "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" und "Leben des Galilei" gehören zum festen Repertoire auf den Bühnen der Welt. Außer seinen Stücken und theatertheoretischen Schriften hat Brecht auch ein umfangreiches Werk an Prosa und Gedichten hinterlassen.

Von Holger Teschke |
    Mit der Premiere der "Dreigroschenoper" am 31. August 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm wird der 1898 in Augsburg geborene Dichter und Dramatiker Bertolt Brecht über Nacht berühmt. Auch der Komponist Kurt Weill und dessen Frau Lotte Lenya, die die Seeräuber-Jenny spielt, sind plötzlich in aller Munde und werden wie Brecht zu Stars in der Theaterszene der Weimarer Republik. Ihre nächste große Zusammenarbeit, die Oper vom "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", ist so provokant, dass die Nazis zur Premiere 1930 in Leipzig einen Theaterskandal inszenieren.

    Brecht und Weill stehen fortan ganz oben auf ihren schwarzen Listen. Nach dem Reichstagsbrand gelingt beiden die Flucht aus Deutschland. Im amerikanischen Exil sehen sie sich in New York und in Hollywood wieder. Hier erlebt Brecht, dass seine Mahagonny-Visionen vom entfesselten Kapitalismus nur allzu treffend gewesen sind.

    Als Brecht im Oktober 1948, aus dem amerikanischen Exil kommend, wieder in Berlin eintrifft, liegt die Stadt in Trümmern. Aber das Theater am Schiffbauerdamm ist wie durch ein Wunder unzerstört geblieben. Hier will er seine im Exil geschriebenen großen Stücke wie die "Mutter Courage", den "Puntila" und den "Galilei" selbst inszenieren und sein episches Theater gegen den von Moskau verordneten pathetischen Naturalismus durchsetzen. Gemeinsam mit Helene Weigel, Hanns Eisler, Ernst Busch und Paul Dessau gründet er das Berliner Ensemble. Aber erst im März 1954 kann das Ensemble vom Deutschen Theater ins Theater am Schiffbauerdamm umziehen, wo Brecht mit den Proben zum "Kaukasischen Kreidekreis" beginnt.

    Nach der "Kreidekreis"-Premiere beginnt Brecht den "Galilei" zu probieren. Doch schon Ende April 1956 muss er die Proben aussetzen und geht in die Charité, um die Folgen einer Virusgrippe auszukurieren. Am 14. August 1956 verschlechtert sich sein Zustand rapide, und eine Viertelstunde vor Mitternacht stirbt er an den Folgen eines Herzinfarkts.

    Am 17. August versammeln sich die engsten Freunde schweigend am Grab, da Brecht sich jede Art von Rede testamentarisch verbeten hat. Die offizielle Vereinnahmung des "sozialistischen Klassikers" durch Staat und Partei, die der Festakt im Berliner Ensemble am nächsten Tag einläuten soll, unterlaufen Hanns Eisler und Ernst Busch, in dem sie dem toten Freund statt seiner berühmter Kampflieder aus den Lehrstücken einen kleinen Song aus seiner Bearbeitung von Farquhars "Pauken und Trompeten" als letzten Gruß nachschicken:

    "Wenn ich von dir gehen werde
    Für die Männer, für die Pferde
    Liegt das große Schiff der Königin am Kai.
    Nimm dir einen andern, Minnie,
    Denn dies Schiff geht nach Virginie
    Und die Liebe, und die Liebe ist vorbei."