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Die 500-Euro-Frage

Mit dieser Entscheidung hatte kaum jemand gerechnet: Das Bayerische Verfassungsgericht hat das Volksbegehren "Studiengebühren abschaffen" für zulässig erklärt. Bayerns Bürgerinnen und Bürger dürfen darüber entscheiden, ob die Studenten auch weiterhin 500 Euro Studienbeitrag pro Semester zahlen müssen.

Von Michael Watzke |
    Es war eine große Überraschung, als der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichts Karl Huber verkündete:

    "Die gesetzlichen Voraussetzungen des Volksbegehrens "Studiengebühren abschaffen" sind gegeben."

    Mit dieser Entscheidung hatte kaum jemand gerechnet. Sie bedeutet: die bayerischen Bürgerinnen und Bürger dürfen darüber entscheiden, ob die Studenten in Bayern auch weiterhin 500 Euro Studienbeitrag pro Semester zahlen müssen. Das Volksbegehren hatten die Freien Wähler unter ihrem Bildungs-Experten Prof. Michael Piazolo initiiert:

    "Denn es ist ein Thema, das man auch transportieren kann. Bei dem viele Menschen sagen: 'Nein, wir wollen nicht, dass hier die Studierenden dafür zahlen müssen. Das ist Aufgabe des Staates.’"

    Rund 30.000 Unterschriften hatten die Freien Wähler gesammelt und dem bayerischen Innenministerium übergeben. Doch das CSU-geführte Ministerium lehnte das Volksbegehren ab, weil es angeblich in die Budgethoheit der bayerischen Staatsregierung eingriff, die in Artikel 73 der Landesverfassung festgeschrieben ist. Deshalb musste das Bayerische Verfassungsgericht entscheiden.

    "Die Richter sind da unserer Linie gefolgt und haben gesagt, es geht um den Körperschafts-Haushalt der Hochschulen. Das ist nicht Staatshaushalt, und deshalb greift auch nicht der Artikel 73. Und deshalb ist unser Volksbegehren zulässig."

    Eine empfindliche Niederlage für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der sich vor dem Richterspruch sehr zuversichtlich gezeigt hatte. Jetzt weist er darauf hin, dass sich auch SPD und Grüne, obwohl sie gegen Studiengebühren sind, nicht dem Antrag der Freien Wähler angeschlossen hatten.

    "Die Mehrzahl der anderen Fraktionen war ja der Meinung, dass das so nicht zulässig ist. Jetzt haben wir Klarheit. Das ist entscheidend. Und auf der Grundlage können wir weitermachen."

    Doch so klar, wie Herrmann behauptet, ist die Lage für die bayerischen Regierungsparteien nicht. Derzeit bespricht das Kabinett, wie es sich verhalten soll. Die Studiengebühren gleich abschaffen, um eine mögliche Niederlage beim Volksentscheid zu verhindern? Bayerns Ministerpräsident Seehofer hatte eine solche Abschaffung im vergangenen Jahr ins Gespräch gebracht. Doch sowohl seine eigene Partei als auch die FDP war dagegen. Bayerns liberaler Wissenschaftsminister Heubisch will auch nach dem Gerichtsurteil an den 500 Euro Studienbeitrag pro Semester festhalten.

    "Wenn wir international an der Spitze mitspielen wollen, brauchen wir Studienbedingungen, die dem internationalen Niveau angemessen sind. Und deshalb brauchen wir auch die Studienbeiträge."

    Heubisch ist insgeheim gar nicht so unglücklich mit der Richter-Entscheidung. Denn noch ist der Volksentscheid gegen Studiengebühren nicht in trockenen Tüchern. Die Gegner müssen nun erst einmal Unterschriften von 10 Prozent der bayerischen Wahlbevölkerung sammeln. Das sind rund 900.000 Unterstützer, die sich im kommenden Winter in den Rathäusern ihrer Erstwohnsitze eintragen müssen. Eine hohe Hürde, denn in Bayern gibt es nur rund 350.000 Studenten. Professor Piazolo von den Freien Wählern fordert deshalb eine gemeinsame Kraftanstrengung der bayerischen Studiengebühren-Gegner.

    "Selbstverständlich lade ich alle Oppositionsparteien – SPD und Grüne – zur Teilnahme ein. Wir müssen das gemeinsam machen. Wir haben auch das gemeinsame politische Ziel. Ich bin für jeden dankbar, der mitmachen will."

    SPD und Grüne haben sich den Freien Wählern bereits angeschlossen. Nun sind vor allem die bayerischen Studenten gefragt. Sie müssen Überzeugungsarbeit leisten, als Unterstützer und Unterschriften-Sammler für das Volksbegehren. Studenten wie Franziska Hilbrandt von der Studierenden-Vertretung in Regensburg und Franziska Traube, die Vorsitzende der bayerischen Landes-Asten:

    "Unser Ziel war es immer, die Studiengebühren schnellstmöglich abzuschaffen, deshalb ist das Urteil für uns positiv."
    "Uns wär es recht, wenn die Gebühren so bald wie möglich abgeschafft werden."

    Das Ziel scheint nun erreichbar. Gewinnen die Gebührengegner, fügen sie auch der bayerischen Staatsregierung eine empfindliche Niederlage im Landtagswahlkampf zu. Verlieren sie, ist es Rückenwind für CSU und FDP.