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Die Ackerflächen werden knapp

Siedlungen, Straßen und Gewerbegebiete verbrauchen immer mehr Fläche - auf Kosten von Feldern, Wäldern und ungenutzter Natur. Gegen den Flächenverbrauch hat der Bauernverband eine Kampagne gestartet. Doch die stößt bei Naturschützern auf Kritik.

Von Jule Reimer |
    90 Hektar pro Tag oder 120 Fußballfelder: So groß ist die Fläche an Acker- und Grünland, die täglich hierzulande verloren geht, weil Autobahnen, Golfplätze, Industrie- oder Wohnsiedlungen gebaut werden. DBV-Präsident Gerd Sonnleitner:

    "Wir haben ja eine Petition beim Bundestag eingereicht, wir haben jetzt nach kurzer Zeit schon weit über 50.000 Unterschriften. Da unterschreiben nicht nur Landwirte, sondern auch besorgte Bürger, dass es mit dem Flächenverbrauch und Flächenentzug nicht so weitergehen darf. Und da wollen wir auch einen Schutzstatus für land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche."

    Die Landwirte treibt unter anderem die Sorge, sie müssten für den Trassenausbau der Stromleitungen zu viel Acker oder Wald aufgeben. Umwelt- und Naturschutzorganisationen haben den Bauernverband jedoch aufgefordert, seine Kampagne zu stoppen. Man begrüße eigentlich jeden Aufruf für weniger Flächenverbrauch, erklärt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND:

    "Aber dann im gleichen Atemzug zu sagen, es dürfen keine ökologischen Ausgleichsmaßnahmen mehr realisiert werden, heißt, dass das Naturschutzgesetz endgültig ad absurdum geführt wird. Denn Eingriff ist Eingriff und der Eingriff muss in seinen Wirkungen minimiert werden."

    Was sich beim ersten Lesen der Petition nicht erschließt: Der Bauernverband fordert zwar, in Dörfern und Städten verdichtet zu bauen und für Gewerbe Industriebrachen zu nutzen. Gleichzeitig schießt er massiv gegen die naturschutzrechtliche Ausgleichsregelung: Wer eine Autobahn baut, muss bislang dafür einen Ausgleich an der Natur leisten – sprich: Er muss eine Ersatzfläche ökologisch aufwerten. Zum Beispiel ein Stück normaler Acker – mit der Folge, dass die Fläche nicht mehr für den konventionellen Maisanbau, sondern nur noch für Ökolandbau oder als Grünland genutzt werden darf.

    Der Bauernverband wünscht sich stattdessen einen Ausgleich in Form einer Geldzahlung oder sogenannte "produktionsinterne Maßnahmen". Blühstreifen in einem Maisacker einzusäen reicht nach Ansicht der Naturschutzverbände jedoch nicht aus, wenn dem Artensterben als Folge der Intensivlandwirtschaft etwas entgegengesetzt werden soll. Ihr Misstrauen wird zusätzlich genährt durch die Pläne, die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gerade in ihrer neuen "Charta für Landwirtschaft und Verbraucher" veröffentlicht hat: Hubert Weiger vom BUND findet diese wenig eindeutig, mit einer Ausnahme:

    "Das Einzige, was konkret ist, ist das Geschenk an den Deutschen Bauernverband, dass in Zukunft ökologische Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr – wie es so verstanden wird - 'zulasten landwirtschaftlicher Flächen' erfolgen."

    Unverständnis für das Anliegen des Bauernverbandes auch im Bundesamt für Naturschutz in Bonn. Auf Anfragen des Deutschlandfunks nennt die Behörde Zahlen aus Thüringen und Bayern: Betroffen vom Naturschutzausgleich seien dort zwischen 0,1 bis 0,5 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Die Bilanz des bayrischen Umweltministers Markus Söder: Die Regelung beeinträchtige die Landwirtschaft nicht.

    Die französische Nachrichtenagentur Agence France Press unterstellte am Freitag dem Bauernverband höhere Ziele: Gerd Sonnleitner, der auch Präsident des Europäischen Bauernverbandes Copa ist, meine mit der Kampagne eigentlich die geplante EU-Agrarreform. Sieben Prozent, so will es EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos, sollten die Landwirte nämlich künftig für die Artenvielfalt reservieren. Sonnleitner befürchtet:

    "Es ist zwar sprachlich umschrieben mit ökologischer Vorrangregelung, ist aber als Stilllegung gemeint und das können wir uns ernährungstechnisch als auch in Hinblick auf die Energiewende nicht leisten, sieben Prozent aus der Ackerfläche zu nehmen."

    EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos wiederum hat eine Stilllegung von produktiven Äckern vergangenen Freitag in Berlin dementiert.

    Es gehe um Flächen außerhalb der Produktion, um Hecken oder Brachen, sagte Ciolos, die in den Betrieben meistens sowieso vorhanden seien. Er wolle die Landwirte lediglich durch Fördergelder dazu bewegen, diese Flächen für die Artenvielfalt zu pflegen. Und Ökolandbau sei selbstverständlich immer erlaubt.

    Auf der Internetpetitionsseite des Bundestages wird derweil munter über Sinn oder Unsinn der DBV-Petition diskutiert. Unterzeichnet werden kann diese noch bis zum 18. Februar.


    Links zum Thema:

    Landwirtschaftliche Bodennutzung: Landwirtschaftliche Bodennutzung - Flächenverbrauch senken und landwirtschaftliche Nutzflächen schützen

    BUND: Die Stoppt-Landfraß-Kampagne des Deutschen Bauernverbandes und sein Einsatz gegen Ausgleichsflächen für den Naturschutz (PDF-Dokument)

    DNR, BUND und NABU: Verkehrs- und Siedlungsbau statt Naturschutz bekämpfen (PDF-Dokument)