Jörg Meuthen, bislang einer von zwei Bundessprechern der AfD, tritt aus der Partei aus. Er erklärte am 28. Januar 2022 in einem ARD-Interview, Teile der Partei stünden nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und er könne sie nicht mehr auf einen gemäßigten Kurs bringen. Er sprach von einer Niederlage im Machtkampf mit dem formal aufgelösten rechtsextremen Flügel der Partei. Er sei als Parteichef mit seinem Einsatz für einen anderen Weg gescheitert. „Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts. Ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge“, so Meuthen. Gerade in der Coronapolitik habe die AfD etwas Sektenartiges entwickelt. Allenfalls als ostdeutsche Regionalpartei sehe er noch eine Zukunft für die AfD.
Nach Bernd Lucke und Frauke Petry ist Meuthen damit der dritte Parteivorsitzende, der die AfD im Streit um ihre Ausrichtung verlässt. Sein Mandat im Europäischen Parlament will er aber behalten. Dort steht er allerdings kurz vor der Aufhebung seiner Immunität wegen seiner Verstrickung in eine Parteispendenaffäre. Eine Schweizer PR-Firma soll Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 mit einer rund 90.000 Euro teuren Werbekampagne unterstützt haben.
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Joana Cotar verteidigt die AfD
Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die zum Meuthen-Lager gerechnet wird, sagte im Deutschlandfunk, sie teile die Kritik Meuthens nicht. Der größte Teil der Partei sei freiheitlich-konservativ eingestellt und die Basis, die Meuthen zum Sprecher gewählt habe, sei noch immer dieselbe. Sie glaube vielmehr, dass alle drei Vorsitzenden, die aus der AfD ausgetreten sind, dachten, sie könnten die Partei führen und alleine bestimmen, wo es langgehe. Das funktioniere in einer jungen, basisdemokratischen Partei wie der AfD nicht. Sie bedauere den Rücktritt Meuthens, so Cotar, sehe darin aber eine Chance für die AfD, die internen Streitigkeiten nun zu befrieden.
Cotar (AfD): "Die Basis, die Meuthen gewählt hat, ist noch da"
Politikwissenschaftler: "Einschränkung auf Sprachrohr des Zorns"
Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel spielt die Spendenaffäre bei Meuthens Rücktritt zwar ebenso eine Rolle wie die AfD-Nominierung des umstrittenen CDU-Politikers Max Otte als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, die „gänzlich an Meuthen vorbei“ gegangen sei. Entscheidend sei aber gewesen, dass Meuthen bereits seit zwei Jahren nicht mehr die Position in der Partei gehabt habe wie bei seiner Wahl zum Co-Vorsitzenden im Sommer 2015, sagte Schroeder im Deutschlandfunk. Er habe den „Kampf mit den Rechtsextremen“ und um die Verankerung eines neoliberalen Politikmodells in der Partei verloren. Gleichzeitig habe er die extremen Kräfte lange gestützt: „Seine Qualität für die Partei bestand darin, dass er wie kein Zweiter diese rechte Partei verharmlost hat und den Eindruck erweckt hat, es handele sich um eine in der Mitte stehende Partei“, so Schroeder. „Deshalb haben die Rechtsextremen ihn machen lassen, weil er sowas wie ein Schutzschild für sie war.“
Mit Meuthens Austritt falle jetzt die Option weg, dass die AfD sich perspektivisch als Koalitionspartei für FDP und CDU entwickeln könnte. Für die weitere Entwicklung der AfD bedeute dies eine Einschränkung auf ihre Rolle als Protestpartei und als „Sprachrohr des Zorns“. Dafür gebe es auch nach wie vor eine Wählerschaft im „stark verankerten Resonanzboden der Unzufriedenheit mit dem politischen System“ – nicht nur in Ostdeutschland.
Schroeder: "Meuthen hat die AfD verharmlost wie kein Zweiter"
Parteienforscher Vorländer: "Die AfD radikalisiert sich weiter"
Der Parteienforscher Hans Vorländer von der TU Dresden prognostiziert ebenfalls eine weitere Radikalisierung der AfD nach dem Weggang Meuthens. Die Partei sei aber schon lange im Osten radikaler gewesen und Meuthen habe sich damit arrangiert. „Er tritt nach, weil er bemerkt, dass er nichts mehr in der Partei bewirken kann“, so Vorländer. „Er ist kein Märtyrer, er möchte sich gerne so stilisieren, aber das ist er nicht.“
Vorländers Ansicht nach ist die AfD in Ostdeutschland eine "stark verankerte, regionale, ostdeutsche Partei, zum Teil mit Volksparteicharakter". Dort könne sie durchaus auch nach wie vor Erfolg haben. Sei sei nicht nur teilweise auf Landesebene stärkste Partei, etwa in Sachsen und Thüringen, sondern auch in den Kommunen vielerorts stark. Radikale Kräfte gingen dort zum Teil ganz offen auf der Straße Allianzen mit rechtsextremistischen Kräften ein, so Vorländer. Etwa mit der neuen rechtsextremen Partei "Freie Sachsen". Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Kleinstpartei als Verdachtsfall ein.
Was bedeutet Meuthens Abgang für den Kurs der AfD? - Interview mit Parteienforscher Hans Vorländer (31.1.2022)