Es ist ein völlig widersprüchliches Bild, das die AfD derzeit abgibt.
Auf der einen Seite könnte sie bei den anstehenden Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern am ersten September große politische Erfolge erzielen. Die Umfragen sind bekannt, in Brandenburg und Sachsen liegt sie bei über 20 Prozent, könnte stärkste oder zweitstärkste Kraft werden.
Auf der anderen Seite wird die Partei im Westen von einer Reihe interner Machtkämpfe erschüttert. Mehrere Landesvorstände sind kaum arbeitsfähig, weil der rechtsnationale Flügel und andere, die sich als gemäßigter verstehen, um Einfluss ringen. Ende November muss ein neuer Bundesvorstand gewählt werden.
Zahlreiche Konflikte in der Partei
Wohin also steuert die AfD? Die Konfliktfelder sind zahlreich: sie gibt es zwischen radikalem Flügel und eher Gemäßigten, zwischen Ost- und Westlandesverbänden, zwischen Staats– und Marktbefürwortern in der Rentenpolitik.
All das überdeckt derzeit noch der Wahlkampf.
Brandenburg an der Havel, an einem Sonntagnachmittag im August kurz vor der Landtagswahl. Die Luft steht schwül über dem Neustädtischen Markt in der 70.000 Einwohnerstadt, Musik des sogenannten Volks-Rock‘n-Rollers Andreas Gabalier soll die Wartezeit bis zur Rede des Partei- und Bundestagsfraktionschefs Alexander Gauland überbrücken, später läuft Ost-Rock. Gauland betritt schließlich die Bühne, an der in großer Schrift das Wort "Identität" steht.
"Der Zeitpunkt, liebe Freunde, ist erreicht, wo wir selber politisch gestalten wollen."
Gauland will beschwichtigen. Es ist unklar, ob ihm beim Wort Machtergreifung ein Fehler unterläuft oder ob der Parteivorsitzende das Wort ganz bewusst setzt, denn mit Machtergreifung wird sonst die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg 1933 bezeichnet.
Gauland und die "Machtergreifung"
"Sollten Sie Freunde oder Bekannte haben, die sich vor der Machtergreifung der AfD ängstigen, sagen Sie denen bitte, unter der AfD wird niemand verfolgt."
Viel Zuspruch erfährt Gauland, als er auf die innere Sicherheit zu sprechen kommt und Ziele vorstellt, die sich mit den Worten "autoritäre Utopie" zusammenfassen lassen: kein Geld mehr für linke Vereine oder Integrationsprojekte, Sachleistungen statt Bargeld für Asylbewerber, mehr Respekt gegenüber Lehrern und:
"Wir werden die Polizei aufstocken und besser ausstatten. Wir werden die Justiz handlungsfähiger machen. Und wenn es sein muss, neue Gefängnisse bauen."
Gauland steht vor einem Transparent mit der Aufschrift "Wende 2.0 - die friedliche Revolution mit dem Stimmzettel", also eine Absage an die DDR, während er das autoritäre DDR-Schulsystem lobt.
"Wer in der DDR die Schule verließ, der konnte in der Regel lesen, schreiben und rechnen, hatte einen soliden Überblick über die Naturwissenschaften. Und lernte auch noch Gedichte von Fontane auswendig. Das hat niemandem geschadet."
Gauland selbst verließ die DDR, weil ihm das Studium verwehrt wurde. Doch das sagt er nicht mehr.
Auch Andreas Kalbitz macht Wahlkampf mit DDR-Vergleichen. Er ist Spitzenkandidat in Brandenburg und zweiter Mann, Strippenzieher im rechtsnationalen Flügel hinter Björn Höcke. Kalbitz sagte im Juli in Cottbus:
"Es gibt eine Gegenveranstaltung "Platzverweis für Björn Höcke". Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der Demokraten Platzverweise erteilt werden. Auch wenn es sich harmlos anhört, das hatten wir alles schon mal vor 1989, das brauchen wir nie wieder. Dafür steht auch die AfD, sich dafür einzusetzen, die Wende zu vollenden. Die Menschen sind nicht dafür auf die Straße gegangen, um jetzt das erdulden zu müssen, in diesem Land!"
AfD und die DDR-Geschichte
Kalbitz benutzt die Form "wir". Geboren wurde er in München.
Es ist ein Widerspruch: Einerseits wirbt die AfD mit dem Slogan "Vollende die Wende", auf der anderen Seite preist sie das DDR-Schulsystem. Der Eindruck: Die AfD bedient sich der Geschichte, wie es ihr gerade passt.
Jörg Urban, Spitzenkandidat der AfD in Sachsen, der als einziger der drei vordersten Wahlkämpfer im Osten geboren wurde, genauer gesagt 1964 in Meißen, verwendet ebenfalls diese DDR-Referenzen, als er die Entscheidung des Landeswahlausschusses kritisiert, die Landesliste der AfD in Sachsen wegen Formfehlern zu kürzen:
"Während man in der DDR noch dreist Wahlergebnisse gefälscht hat, sorgt man heute schon im Vorfeld dafür, dass der Wählerwille am Ende nicht umgesetzt werden kann."
Urban Mitte Juli im sächsischen Lommatzsch.
Auch Björn Höcke, der aus Nordrhein-Westfalen stammt, bedient sich dieser Bilder und Erinnerungsräume. Viel zitiert wurde seine Aussage vom Brandenburger Wahlkampfauftakt Mitte Juli in Cottbus.
"Vor Kurzem sagte mal einer zu mir nach einer Veranstaltung: ‚Herr Höcke, ich habe mittlerweile Angst, am Mittagstisch mit meinen Kindern ein offenes Wort zu wechseln. Aus Sorge davor, dass sich die Kleinen in der Schule verplappern könnten.‘ Ja, es ist schon wieder soweit. Es fühlt sich schon wieder so an wie in der DDR. Und dafür haben wir nicht die friedliche Revolution gemacht, liebe Freunde."
Höcke sagt "Wir". Dabei hat er die Wende 1989 als 17-Jähriger vor dem Fernseher verfolgt, wie er später in einem Interview einräumt.
Die AfD soll an die Macht, finden mehrere Zuhörer
Es ist also ein roter Faden, ein Topos, den die AfD in verschiedenen Varianten bespielt. So schreibt die AfD Brandenburg wörtlich: "Wer heute ‚anders' denkt, wird genauso unterdrückt, wie es einst die Stasi tat." Dass das Ministerium für Staatssicherheit der DDR damals Oppositionelle gezielt einschüchterte und inhaftierte, im Gegensatz zum heutigen Verfassungsschutz, der keine polizeilichen Befugnisse hat, bleibt unerwähnt.
Zurück nach Brandenburg an der Havel. Die Tatsache, dass die beiden Spitzenkandidaten der AfD, Andreas Kalbitz in Brandenburg und Björn Höcke in Thüringen, im Westen geboren sind und nun die friedliche Revolution für sich vereinnahmen, stört keinen der Zuschauer – im Gegenteil. Die AfD soll an die Macht, finden mehrere Zuhörer:
"Solange sich hier nichts ändert. Das ist für mich die einzige Alternative, die anders denkt als alle anderen."
"Was die Etablierten können, traue ich denen auf alle Fälle auch zu."
"Ich hab NPD gewählt schon immer seit der Wende, die Chance was zu verändern hat jetzt die AfD, nicht die NPD mit 0.3 Prozent bei der Europawahl."
"Was er gesagt hat, stimmt, wir wurden zwar viel gedeckelt, aber wir hatten ein gutes Schulsystem."
"Es muss sich alles ändern, alles, die machen nur noch Politik für sich selbst. Ich darf mich nicht dazu äußern, dann bin ich ein Nazi, warum?"
David Begrich von miteinander e.V. in Magdeburg analysiert seit Jahren die Rhetorik der AfD. In seinem neuesten Thesenpapier "Der Osten steht auf" zieht Begrich folgende Schlüsse:
"Die AfD bedient das Narrativ eines notwendigen zweiten Systemwandels: Heute wie damals sei es angezeigt nach Ausdrucksformen des Protests – im Sinne eines ‚Regime Change‘ - und seiner Durchsetzung zu suchen. Die Bezugnahme auf die DDR- und Wendeerfahrung soll ihr Image als Anti-Establishment-Partei befördern. Zugleich geht es um die Verächtlichmachung der politischen Mitbewerber und der repräsentativen Demokratie."
Gegen Vereinnahmung der friedlichen Revolution durch AfD
Die konservative Publizistin Liane Bednarz beklagt, dass die anderen Parteien im Hinblick auf die deutsche Ost-West-Geschichte der AfD das Feld überließen. Beim Küchentischbeispiel von Höcke…
"Da klickt es sofort bei der mittleren und älteren Generation in der DDR, die diese Erfahrungen der Diktatur gemacht haben. Das macht die AfD leider sehr geschickt und tut so, als würden wir hier in einer Art Quasi-Diktatur leben. Und da haben die etablierten Parteien wenig Gegenerzählung entgegenzusetzen."
Das heißt für Bednarz: Die Erfolge seit der Wiedervereinigung stärker herausstellen.
Matthias Quent ist Soziologe in Jena, er leitet das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, das unter anderem von der Amadeu-Antonio-Stiftung getragen wird. Er blickt - auch biographisch - eher aus einer linken Perspektive auf die AfD:
"Man hatte den Eindruck, die Menschen fühlen sich regelrecht bestätigt, dass es jetzt eloquente westdeutsche AfD-Kader sind, die in ostdeutsche Provinzstädte kommen und dort sagen: Ihr seid die Avantgarde, ihr seid die Zukunft Deutschlands. Dann müsse Westdeutschland nachziehen. Das ist das Narrativ der Aufwertung, das im Wahlkampf stattfindet, das von der AfD und anderen Akteuren der Neuen Rechten gepflegt wird."
Nach langem Zögern setzen sich nun DDR-Bürgerrechtler gegen die Vereinnahmung der friedlichen Revolution durch die AfD zur Wehr. Die Robert-Havemann-Gesellschaft wirft der Partei vor, "Geschichtslügen" zu verbreiten.
"Die DDR war eine kommunistische Diktatur und die Bundesrepublik ist eine freiheitliche Demokratie. Wer diese Unterschiede nicht anerkennt, verharmlost die SED-Diktatur."
Wie stark die Bürgerrechtler mit dieser Gegenerzählung durchdringen und wie stark die AfD tatsächlich wird, wird sich am 1. September in Sachsen und Brandenburg sowie Ende Oktober in Thüringen zeigen. Die Ergebnisse der jüngsten Umfragen wie dem Deutschlandtrend waren eher ein Dämpfer für die Rechtspopulisten. Wenige Tage vor der Wahl scheint der Aufwärtstrend der AfD vorerst gestoppt. In Brandenburg liegen SPD und AfD jetzt gleichauf, in Sachsen konnte die CDU die Führung zur AfD vergrößern.
Doch das Rennen ist offen und die Frage bleibt: 20 Prozent oder mehr für die AfD - was heißt das für Zivilgesellschaft und Parlamente? Diese Frage treibt den Soziologen Matthias Quent um.
"Das bedeutet, dass sie ihre Arbeit professionalisieren können, ihre Propaganda professionalisieren können. Dass sie auch zu einem echten Machtfaktor werden, wenn es darum geht, Mehrheiten zu finden. Sie sitzen dort in Aufsichtsgremien, wo Landtagsparteien vertreten sein müssen, können dort den Druck auf unliebsame Akteure wie Medien, Akteure, politische Bildung verstärken. Das sind also verschiedene Herausforderungen, vor denen die Parlamente, die politische Kultur in den Neuen Bundesländern steht."
Diesen Druck spürten viele schon jetzt, so Quent. Die Finanzierung von Frauenhäusern, Jugend- und Kultureinrichtungen werde über kleine Anfragen in den Parlamenten angegriffen und kritisiert.
Der Machtkampf
Doch trotz aller potenziellen Wahlerfolge, trotz angemeldeter Machtansprüche der AfD im Osten, tobt in der Partei ein Machtkampf zwischen dem Flügel und eher gemäßigten, der auch eine Auseinandersetzung zwischen Ost- und Westlandesverbänden ist.
Die Schlüsselszene, die den lange schwelenden Machtkampf in der Partei zum Ausbruch bringt, ist das Kyffhäusertreffen, die alljährliche Zusammenkunft des rechtsnationalen Flügels Anfang Juli in Leinefelde.
Björn Höcke, Wortführer des Flügels, mit einer Kampfansage. Nach einer erfolgreichen Landtagswahl in Thüringen …
"Ja, dann werde ich mich zum ersten Mal mit großer Hingabe, mit großer Leidenschaft der Neuwahl der Bundesvorstand hingeben. Ich kann euch garantieren, dass dieser Bundesvorstand in dieser Zusammensetzung nicht wieder gewählt wird."
Es gibt Standing Ovations, das Publikum in Leinefelde tobt vor Begeisterung, die gut 800 Flügelsympathisanten feiern ihn mit Sprechchören.
Die Szene ist pikant, denn auf der gleichen Veranstaltung hatte Parteichef Alexander Gauland eigentlich zur Mäßigung aufgerufen. Der Flügel wurde im Januar vom Verfassungsschutz zum Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus erklärt.
"Aber unser Hauptanliegen besteht nicht darin, einen Raum zu schaffen, in dem jeder alles sagen kann. Wir sind angetreten, um unser Land wieder in Ordnung zu bringen. Für dieses Ziel kann man sich auch mal auf die Lippe beißen."
Reaktionen auf Höckes Kampfansage
Für Gauland ist Höckes Kampfansage bitter, denn er hatte den Flügel lange geschützt, keine Kritik an Höckes Linie geübt. Die Vernünftigen innerhalb der AfD würden sich schon durchsetzen, so lautete Gaulands Credo. Jetzt wirkt es, als ob dem 78-Jährigen seine Partei entgleitet. Der Eindruck wird verstärkt durch den desolaten Zustand in vielen Landesverbänden, vor allem den mitgliederstarken im Westen.
In Bayern brach die Fraktionsspitze rund um Katrin Ebner-Steiner, die dem Flügel nahe steht, auseinander, im September muss der Landesvorstand neu gewählt werden. Die Konflikte schwelen weiter.
Neuwahlen kommen im Herbst auch auf Nordrhein-Westfalen zu. Vorstandsmitglieder warfen Flügelleuten mangelnde Loyalität vor.
In Baden-Württemberg bekämpfen sich seit Monaten die Co-Vorsitzenden Dirk Spaniel, der zum Flügel zählt, und Bernd Gögel. Nachdem heimlich mitgeschnittene Gespräche öffentlich wurden, eskalierte der Streit. Vorstandswahlen stehen an.
In Rheinland-Pfalz sieht sich Landeschef Uwe Junge im Visier des Flügels.
Angesichts der Vielzahl der zerrütteten Landesverbände kommt selbst der stellvertretende Bundesvorsitzende Georg Pazderski mit dem Zählen der Neuwahltermine kaum hinterher:
"Es gibt durchaus einige Landesverbände, in denen neu gewählt wird. Ich sehe da aber gar keine Probleme, denn ich gehe davon aus, dass sich dort die Leute durchsetzen werden, die ihre Arbeit bisher gut gemacht haben und sie werden sie dann auch gut machen."
Ein West-Landesverband hat sich schon klar für den radikalen Kurs entschieden. Ende Juni wurde in Schleswig-Holstein Doris von Sayn-Wittgenstein zur neuen Landeschefin gewählt. Eine Provokation, denn gegen die Flügel-Frau läuft ein Parteiausschlussverfahren wegen Unterstützung eines rechtsextremen Vereins.
Die Spitzen der AfD schwanken angesichts dieser Neuigkeiten von der Basis zwischen Nervosität und gezwungen wirkendem Optimismus,
"Die Entwicklungen sind meiner Ansicht nach ganz normal in einer Partei, dass man sich um die politische Richtung durchaus streitet."
Bei der Europawahl Ende Mai konnte die AfD mit 11 Prozent nur ihre Stammwähler erreichen, die gewünschte Großfraktion im Europaparlament scheiterte an der Uneinigkeit mit Nationalisten aus anderen Ländern. Seit vergangenem Herbst schleppt die AfD zudem Ermittlungen von mehreren Staatsanwaltschaften wegen ungeklärter Parteispenden mit sich herum.
Im November wird beim Bundesparteitag neuer Vorstand gewählt
Warum bricht der Machtkampf zwischen dem Flügel und den anderen in der AfD ausgerechnet jetzt aus?
Die Publizistin Liane Bednarz beobachtet die AfD und ihr Umfeld seit Jahren:
"Meine persönliche Vermutung besteht darin, dass der Flügel schon immer davon geträumt hat, sich diese Partei zunutze zu machen. Die haben kein Interesse an einer gemäßigten AfD. Sondern sie wollen ihre Themen durchdrücken Und dafür sehen sie die Partei als Vehikel."
Die Flügelleute würden dabei nun auch unter Zeitdruck stehen, so Bednarz:
"Die Migrationskrise klingt ab, ist aber immer noch Thema. Und wird teilweise ersetzt durch andere Themen, wie die Klimadiskussion. Der Flügel weiß, dass er jetzt handeln muss, dass das Migrationsthema auch innerparteilich abhandenkommt. Es ist die Stimmung jetzt oder nie. Zusätzlich getriggert noch mal durch die extrem guten Umfragen im Osten."
Warum aber fällt der innerparteiliche Widerstand gegen den Flügel so schwach aus? Der sogenannte Appell der 100, in dem nach dem Kyffhäusertreffen der Personenkult Björn Höckes kritisiert wurde, sollte eigentlich die Bürgerlichen in der Partei stärken, versandete aber schnell wieder. Zudem gab es keine inhaltliche Kritik an Höckes Positionen, es ging nur um sein Auftreten.
"Diese Unterschiede zum Höckeflügel, die sind ja graduell. Es ist ja jetzt nicht so, dass der gemäßigte Flügel nicht auch auf einer schiefen Ebene ist, wo man Stimmung macht gegen den Islam, gegen Flüchtlinge. Bei Höcke ist das eine Spur, oder mehr als eine Spur: Deutlich radikaler, aber es ist nichts, was sich im Denken, ganz fundamental voneinander unterscheidet."
Bednarz vermutet, dass bei vielen in der AfD wohl noch machttaktisches Denken oder Angst dazu kommt, angesichts der jüngsten Kampfansage von Björn Höcke bei Kyffhäusertreffen Anfang Juli:
"Spalter und Feindzeugen, die schaden unserer Partei am meisten und danach kommt lange, lange nichts…"
"…dass Leute, die in der AfD aktiv sind, sich ganz genau überlegen werden, ob sie bereit sind, sich offen gegen Höcke und auch nachhaltig gegen Höcke zu stellen und ihre eigene Zukunft in der Partei zu gefährden. Wenn das schiefgeht, droht ihnen das Schicksal von Petry und Lucke. Und sie werden realistischerweise bei anderen Parteien nicht mehr in Amt und Würden kommen, nicht in Form von einem Bundestagsmandat etwa."
Ende November wird beim Bundesparteitag ein neuer Vorstand gewählt. Es wird ein entscheidendes Treffen für die Partei. Denn aus dem Umfeld von Parteichef Gauland hört man, dass er die Führung der Partei aus Altersgründen aufgeben will, um sich mit 78 Jahren ganz auf den Fraktionsvorsitz zu konzentrieren. Dominiert dann der Osten?
Vize-Parteichef Pazderski wiegelt ab und weist auf die Kräfteverhältnisse innerhalb der AfD hin:
"Wir haben 28.000 Mitglieder im Westen, 7.000 bis 8.000 Mitglieder im Osten. Das zeigt auch schon die Größenverhältnisse.
Das bedeutet nicht, dass der Westen den Osten dominiert, sondern dass sich beide Teile der Partei brauchen."
Forscher: "Siegeszug des Flügels um Höcke nicht aufzuhalten"
Wird der Flügel die Gesamtpartei Ende des Jahres dominieren? Soziologe Quent aus Jena ist sich sicher – ja, das wird er.
"Der Siegeszug des Flügels um Björn Höcke ist meiner Ansicht nach nicht aufzuhalten. Das ist ein Durchmarsch gewesen in den vergangenen Jahren ohne nennenswerten Widerstand."
In den ostdeutschen Bundesländern bestehe die Partei vor allem aus Flügelleuten, die, so Quent, einen strategischen Vorteil hätten:
"Dass der Flügel anders als der vom Konservatismus enttäuschte Rechtspopulismus eine straffe Ideologie anbietet. Dass er also Antworten anbietet auf politische Fragen, die der ideologisch eher dünne Rechtspopulismus nicht bieten kann. Man hat also Antworten schon vorbereitet auf Fragen und auf Krisen, die erst noch kommen werden."
Anders sieht es die konservative AfD-Beobachterin Liane Bednarz, denn dem Flügel fehle eine adäquate Erzählung und Ansprache für Westdeutschland.
"Mit der Osterzählung, damit können Westdeutsche nichts anfangen. Digitalisierung, diese ganzen Zukunftsthemen, das ist von der AfD gar nicht besetzt."
Fazit: Trotz der regionalen Stärke im Osten kommt die AfD derzeit nicht über ihre Kernwählerschaft in Gesamtdeutschland hinaus. Und zahlt damit den Preis für Machtkämpfe und programmatische Lücken in der Sozial- und Rentenpolitik.