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Die analoge Revolution
Macht der Computeralgorithmen

Christian Schwägerl warnt vor der Macht der Computeralgorithmen, die im Zuge der digitalen Revolution immer weitere Lebensbereiche regieren. Das düstere Einstiegsszenario erinnert an George Orwell: In einer nicht allzu fernen Zukunft, sind die Menschen willfährige Sklaven der digitalen Überwachung.

Rezension von Ralf Krauter |
    In seinem 2013 erschienen Buch "EGO: Das Spiel des Lebens" warnte der inzwischen verstorbene "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher eindringlich vor der Macht der Computeralgorithmen, die im Zuge der digitalen Revolution immer weitere Lebensbereiche regieren. Binäre Codes entscheiden heute, welche Suchergebnisse uns Google anzeigt, welche Facebook-Nachrichten wir zu sehen bekommen und was uns eine Berufsunfähigkeitsversicherung kostet. Und all das, ohne dass wir irgendwelche Einblicke in die geheime Logik dahinter hätten, geschweige denn Einfluss auf ihre Entscheidungen nehmen könnten.
    Coverfoto des Buches von Christian Schwägerl: Die analoge Revolution. Wenn Technik lebendig wird und die Natur mit dem Internet verschmilzt
    Christian Schwägerl: Die analoge Revolution. Wenn Technik lebendig wird und die Natur mit dem Internet verschmilzt (Riemann Verlag)
    In seinem Sachbuch greift Schirrmachers langjähriger "FAZ"-Kollege Christian Schwägerl diesen Faden auf und spinnt die Geschichte für die Post-Snowden-Ära weiter. Das düstere Einstiegsszenario erinnert an George Orwell: In einer nicht allzu fernen Zukunft, sind die Menschen willfährige Sklaven der digitalen Überwachung. Wer nicht ständig online ist und sich mit virtuellen Coaches selbst optimiert, macht sich verdächtig, weil er sich der totalen Kontrolle durch Geheimpolizei und Internet-Konzerne entzieht. Das Tragen vernetzter Datenbrillen ist Pflicht: Wer sie absetzt, wird zum Abschuss freigegeben.
    Ist das die schöne neue Welt, in der wir leben wollen? Christian Schwägerl ist überzeugt: Wir müssen heute die Weichen stellen, damit uns diese Dystopie erspart bleibt. Denn wenn Geheimdienste und Datenkraken wie Google und Facebook weiter allein bestimmen, in welche Richtung sich die vernetzte Welt entwickelt, werden sie schon bald viel mehr über jeden Erdenbürger wissen, als uns lieb sein kann. Und sie werden dieses Wissen nutzen, um uns im Dienste ihrer politischen oder kommerziellen Agenda nach Lust und Laune zu manipulieren.
    Doch wie lässt sich die dunkle Seite der digitalen Revolution verhindern? Ist die feindliche Übernahme des Internets, das Milliarden Menschen und Dinge verbindet, durch skrupellose Militärs und Geschäftemacher überhaupt noch zu stoppen? Konkrete Antworten bleibt Christian Schwägerl schuldig. Doch der studierte Biologe entwirft ein Gegenmodell, das den Boden für positivere Entwicklungen bereiten könnte – jenseits von Konsum, Kommerz und Kontrollverlust. Schwägerls Kernthese, wonach die Grenze zwischen Technik und Natur zunehmend verschwimmt, ist unstrittig. Seine Vision, dass klug eingesetzte Informationstechnologie den Weg zu einer ganzheitlicheren Betrachtung unseres Planeten weisen könnte - und damit zu einem verantwortlicheren Umgang mit seinen begrenzten Ressourcen - mutet arg idealistisch an. Sie verdient es aber allemal diskutiert zu werden, denn die Alternativen scheinen wenig verlockend.
    Fazit: Ein gut geschriebenes und lesenswertes Buch, das spannende Denkanstöße für die Zukunft unserer Gesellschaft und unseres Planeten liefert. Einziger Kritikpunkt: Redundanzen und Rückgriffe auf "Menschenzeit", Christian Schwägerls erstes Buch zur Rettung der Welt, bremsen mitunter den Lesefluss.
    Christian Schwägerl: Die analoge Revolution. Wenn Technik lebendig wird und die Natur mit dem Internet verschmilzt
    ISBN: 978-3-570-250137-5
    Riemann-Verlag, 319 Seiten, 22,99 Euro