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Die Angst der Woche

Walter Krämer ist Statistik-Professor. Deshalb weiß er, was davon zu halten ist, wenn sich das Krebsrisiko durch irgendeinen Stoff verdoppelt - und dass für die Einschätzung entscheidend ist, ob das Risiko von 0,0001 auf 0,0002 Prozent steigt oder von 5 auf 10 Prozent. Das ist schließlich ein ganz entscheidender Unterschied.

Rezension: Dagmar Röhrlich | 16.10.2011
    Normalbürger machen hingegen diese Unterschiede nicht, erklärt Walter Krämer, und auch nicht die Medien, die es lieben, nur über das relative Risiko zu berichten, die Verdopplung also, und nicht über das absolute, weil das oft nicht den sprichwörtlichen Hund hinter dem Ofen hervorlockt.

    Deshalb haben Krämer und seine Studenten jahrelang am Schwarzen Brett die mediengemachten "Ängste der Woche" gesammelt und analysiert. Das Ergebnis: Vor allem in den deutschen Medien wird zwei- bis viermal so oft über Asbest, BSE oder Dioxin berichtet wie anderswo in Europa. Sars, Vogel- oder Schweinegrippe - in Deutschland scheinen Ängste allgegenwärtig zu sein.

    Walter Krämer geht geht davon aus, dass die Deutschen viel anfälliger für Panik sind als die Bürger anderer Nationen. Beispiel BSE: Während in Großbritannien Menschen am "Rinderwahn" erkrankten und starben, blieben die Briten ruhig und in Deutschland ging es rund: Obwohl hier kein Mensch an dieser Krankheit gestorben sei, habe das den Steuerzahler "rund eine Milliarde Euro und zahlreiche Landwirte das Vermögen und die Existenz gekostet".

    Als Ursache der in anderen Ländern inzwischen sprichwörtlichen "German Angst" macht Krämer die historischen Kriegstraumata aus und das geistige Erbe der Romantik, die heute durch die Wald- und Naturverklärung immer noch in Form von verbissener Umwelt- und Klimaängste nachwirken.

    Krämers Buch ist witzig und bissig, voller Anekdoten und wissenschaftlicher Belege. Diesen Eindruck werden die Menschen gewinnen, die ihm zustimmen. Die anderen hingegen erreicht er wohl eher nicht, weil er ihnen als besserwisserisch bis beleidigend erscheinen wird. Trotzdem ist dieses Buch lesenswert, denn nicht jede Angst ist es wirklich wert, dass man sich über sie allzuviele Gedanken macht.

    Walter Krämer: Die Angst der Woche - Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten
    ISBN: 978-3-492-05486-7
    Piper-Verlag, 288 Seiten, 19,99 Euro