Der Nordosten des Kongo – eine Region so groß wie Frankreich. Doch hier gibt es nur undurchdringlichen Regenwald. In diesem dunklen Dickicht verstecken sich seit sechs Jahren die Rebellen der ugandischen LRA, der Widerstandsarmee des Herren unter der Führung von Joseph Kony.
Gerade einmal drei holprige Straßen führen in dieser Region durch den Dschungel. Sie sind nur mit einer Militäreskorte der UNO-Blauhelme passierbar. Entlang der staubigen Piste sieht man vereinzelt kleine runde Lehmhütten mit Strohdächern. Töpfe stehen noch auf der Feuerstelle, die Wäsche hängt an der Leine. Doch weit und breit sieht man keine Kinder spielen, keine Frauen Holz schleppen, keine Männer Wasser holen. Die Siedlungen sehen aus, als seien sie in alle Hast verlassen worden. Knapp 400.000 Menschen leben in dieser Region seit Jahren in provisorischen Lagern. Mehr schlecht als recht beschützt von kongolesischen Soldaten. Das Dorf Gangala Na Bodio entlang der Straße ist eines dieser vermeintlich sicheren Orte – ein Dorf, das unter dem Ansturm Vertriebener fast erstickt.
Eine Kirche, eine Schule und zahllose runde Lehmhütten, unter großen Mangobäumen. Knapp 10.000 Leute leben hier derzeit – fast die Hälfte von ihnen sind Vertriebene aus den umliegenden Siedlungen. Sie haben sich aus Bambus und Stroh hastig zeltähnliche Unterkünfte gebaut, die nur bedingt dem Tropenregen standhalten. Dorfvorsteher Cleophas Pambalanimbu beschreibt die Situation als dramatisch.
"Das Leben ist miserabel hier. Die Händler können nicht mehr in die nahe gelegenen Städte fahren, um Waren zu verkaufen. Die Leute können seit Jahren ihre Felder nicht bestellen. Die Wildtiere haben die verlassenen Felder zerstört. Wir sind fast komplett auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Aber die reichen nicht aus. Sporadisch greifen uns die LRA-Rebellen an, um uns auch noch das letzte Essen zu stehlen. Die jüngsten Angriffe passierten ein bis zwei Kilometer von hier. Ich bin mir sicher, sie kommen wieder, denn die Rebellen sind hungrig."
Die LRA ist berüchtigt für ihre brutalen Angriffe: Sie entführen systematisch Kinder, um die Jungen zu Soldaten zu trainieren und die Mädchen als Sexsklavinnen zu halten. 20 Jahre lang malträtierten sie in ihrer Heimat Uganda die Bevölkerung. Als sie sich 2006 in den Dschungel des Kongo flüchteten, hörten die Attacken zeitweilig auf. Die Miliz legte eigene Felder an, konnte sich selbst ernähren, nistete sich nur einige Kilometer nördlich von diesem Dorf im sicheren Regenwald ein. 2008 bombardierte Ugandas Luftwaffe das LRA-Lager. Die rund 400 Kämpfer flüchteten. Kommandeur Kony zog sich bis in die Wälder der Zentralafrikanischen Republik zurück, wo er bis heute von Ugandas Soldaten gejagt wird. Aber: Je stärker die Rebellen unter Bedrängnis geraten, desto brutaler rächen sie sich an der Bevölkerung. Das bekannteste Beispiel: die Massaker an Weihnachten 2008, als sie Hunderte Menschen beim Festessen überfielen und mit Macheten hinrichteten.
2010 und 2011 ließen diese Attacken - zumindest im Nordkongo – nach. Die Rebellen hatten sich in die Zentralafrikanische Republik zurückgezogen. Doch seit Anfang des Jahres sind an die 50 Kämpfer zurückgekehrt. Sie machen jetzt wieder den Dschungel bei Gangala Na Bodio unsicher. Fast jeden Tag schlagen sie inzwischen zu. Doch offenbar ist ihnen befohlen worden, die Bewohner nicht mehr zu töten. Sie rauben allerdings ihre Lebensmittel.
Mboliundu Danamibu war erst wenige Wochen zuvor mit seiner Frau und den zwei Kindern hierher geflüchtet. Er hatte gehört, dass die Armee knapp 800 Soldaten stationiert habe, um das Dorf zu beschützen. Er dachte deshalb, er sei hier sicher. Doch dann lief er am hellichten Nachmittag den Rebellen in die Arme, erzählt er.
"Ich bin auf das Feld gegangen, um nach etwas zu Essen zu suchen. Da begegneten mir die Rebellen. Es waren 20 junge Ugander, fünf davon waren bewaffnet. Sie wollten nichts von mir. Sie nahmen mich mit. Ich sollte die Ernte tragen. Doch dann kamen die Soldaten und schossen auf die Rebellen. Ich dachte, die Soldaten schützen uns vor solchen Angriffen. Ich habe immer noch Angst vor der LRA."
Der junge Mann scheint noch immer unter Schock zu stehen. Verwirrt, nach Alkohol riechend sitzt er vor seiner windschiefen Behausung aus Bambusstöcken und vergräbt den Kopf in den Händen. Nachts könne er vor Angst nicht schlafen, gibt er zu. Als er vor wenigen Tagen Gewehrschüsse hörte, versteckte er sich im Bananenhain. Die LRA hat in den vergangenen Jahren so viel Gräueltaten verübt, dass ein simples, unbekanntes Geräusch aus dem Busch eine Massenpanik auslösen kann. Vor Kurzem hätten die Rebellen einen Drohbrief hinterlassen, berichtet der Sekretär der Dorfverwaltung. Der kleine Mann mit schiefer Brille kramt aus in seiner Hütte, zieht dann einen handgeschriebenen Brief hervor und beginnt laut zu lesen:
"Alle Leute, die fliehen, alle Leute, die Soldaten unterstützen, alle, die Waffen tragen und nach uns suchen, alle, die uns den Soldaten ausliefern, alle, die uns Lebensmittel verweigern, alle, die eine Machete gegen uns erheben - sie alle werden wir töten. Das ist die Nachricht. Sie ist auf einfachem Lingala verfasst, das die Rebellen nicht sprechen. Einige entführte Kongolesen haben wohl beim Übersetzen geholfen."
Die größte Gefahr für die Menschen, so die aktuelle Situation, scheint inzwischen gar nicht so sehr die LRA selbst zu sein sondern der Hunger, der sich in Flüchtlingslagern wie Gangala Na Bodio breitmacht. Das UN-Flüchtlingshilfswerk liefert zwar Lebensmittel, doch die reichen nur bedingt. Dass amerikanische Soldaten geschickt wurden, um die LRA-Kommandeure zu jagen, wissen die Menschen noch nicht einmal. Auch von dem inzwischen weltweit bekannten Internet-Video der amerikanischen Menschenrechtsorganisation "Invisible Children" über den LRA-Chef Joseph Kony haben die Menschen noch nichts gehört. Denn es gibt hier weder Strom, geschweige denn Internet in den Dschungeldörfern. Doch die UNO fürchtet bereits, dass die LRA auf diese neue Situation reagieren und sich rächen könnte. Selbst neue Massaker der LRA-Kämpfer seien dann nicht auszuschließen.
Gerade einmal drei holprige Straßen führen in dieser Region durch den Dschungel. Sie sind nur mit einer Militäreskorte der UNO-Blauhelme passierbar. Entlang der staubigen Piste sieht man vereinzelt kleine runde Lehmhütten mit Strohdächern. Töpfe stehen noch auf der Feuerstelle, die Wäsche hängt an der Leine. Doch weit und breit sieht man keine Kinder spielen, keine Frauen Holz schleppen, keine Männer Wasser holen. Die Siedlungen sehen aus, als seien sie in alle Hast verlassen worden. Knapp 400.000 Menschen leben in dieser Region seit Jahren in provisorischen Lagern. Mehr schlecht als recht beschützt von kongolesischen Soldaten. Das Dorf Gangala Na Bodio entlang der Straße ist eines dieser vermeintlich sicheren Orte – ein Dorf, das unter dem Ansturm Vertriebener fast erstickt.
Eine Kirche, eine Schule und zahllose runde Lehmhütten, unter großen Mangobäumen. Knapp 10.000 Leute leben hier derzeit – fast die Hälfte von ihnen sind Vertriebene aus den umliegenden Siedlungen. Sie haben sich aus Bambus und Stroh hastig zeltähnliche Unterkünfte gebaut, die nur bedingt dem Tropenregen standhalten. Dorfvorsteher Cleophas Pambalanimbu beschreibt die Situation als dramatisch.
"Das Leben ist miserabel hier. Die Händler können nicht mehr in die nahe gelegenen Städte fahren, um Waren zu verkaufen. Die Leute können seit Jahren ihre Felder nicht bestellen. Die Wildtiere haben die verlassenen Felder zerstört. Wir sind fast komplett auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Aber die reichen nicht aus. Sporadisch greifen uns die LRA-Rebellen an, um uns auch noch das letzte Essen zu stehlen. Die jüngsten Angriffe passierten ein bis zwei Kilometer von hier. Ich bin mir sicher, sie kommen wieder, denn die Rebellen sind hungrig."
Die LRA ist berüchtigt für ihre brutalen Angriffe: Sie entführen systematisch Kinder, um die Jungen zu Soldaten zu trainieren und die Mädchen als Sexsklavinnen zu halten. 20 Jahre lang malträtierten sie in ihrer Heimat Uganda die Bevölkerung. Als sie sich 2006 in den Dschungel des Kongo flüchteten, hörten die Attacken zeitweilig auf. Die Miliz legte eigene Felder an, konnte sich selbst ernähren, nistete sich nur einige Kilometer nördlich von diesem Dorf im sicheren Regenwald ein. 2008 bombardierte Ugandas Luftwaffe das LRA-Lager. Die rund 400 Kämpfer flüchteten. Kommandeur Kony zog sich bis in die Wälder der Zentralafrikanischen Republik zurück, wo er bis heute von Ugandas Soldaten gejagt wird. Aber: Je stärker die Rebellen unter Bedrängnis geraten, desto brutaler rächen sie sich an der Bevölkerung. Das bekannteste Beispiel: die Massaker an Weihnachten 2008, als sie Hunderte Menschen beim Festessen überfielen und mit Macheten hinrichteten.
2010 und 2011 ließen diese Attacken - zumindest im Nordkongo – nach. Die Rebellen hatten sich in die Zentralafrikanische Republik zurückgezogen. Doch seit Anfang des Jahres sind an die 50 Kämpfer zurückgekehrt. Sie machen jetzt wieder den Dschungel bei Gangala Na Bodio unsicher. Fast jeden Tag schlagen sie inzwischen zu. Doch offenbar ist ihnen befohlen worden, die Bewohner nicht mehr zu töten. Sie rauben allerdings ihre Lebensmittel.
Mboliundu Danamibu war erst wenige Wochen zuvor mit seiner Frau und den zwei Kindern hierher geflüchtet. Er hatte gehört, dass die Armee knapp 800 Soldaten stationiert habe, um das Dorf zu beschützen. Er dachte deshalb, er sei hier sicher. Doch dann lief er am hellichten Nachmittag den Rebellen in die Arme, erzählt er.
"Ich bin auf das Feld gegangen, um nach etwas zu Essen zu suchen. Da begegneten mir die Rebellen. Es waren 20 junge Ugander, fünf davon waren bewaffnet. Sie wollten nichts von mir. Sie nahmen mich mit. Ich sollte die Ernte tragen. Doch dann kamen die Soldaten und schossen auf die Rebellen. Ich dachte, die Soldaten schützen uns vor solchen Angriffen. Ich habe immer noch Angst vor der LRA."
Der junge Mann scheint noch immer unter Schock zu stehen. Verwirrt, nach Alkohol riechend sitzt er vor seiner windschiefen Behausung aus Bambusstöcken und vergräbt den Kopf in den Händen. Nachts könne er vor Angst nicht schlafen, gibt er zu. Als er vor wenigen Tagen Gewehrschüsse hörte, versteckte er sich im Bananenhain. Die LRA hat in den vergangenen Jahren so viel Gräueltaten verübt, dass ein simples, unbekanntes Geräusch aus dem Busch eine Massenpanik auslösen kann. Vor Kurzem hätten die Rebellen einen Drohbrief hinterlassen, berichtet der Sekretär der Dorfverwaltung. Der kleine Mann mit schiefer Brille kramt aus in seiner Hütte, zieht dann einen handgeschriebenen Brief hervor und beginnt laut zu lesen:
"Alle Leute, die fliehen, alle Leute, die Soldaten unterstützen, alle, die Waffen tragen und nach uns suchen, alle, die uns den Soldaten ausliefern, alle, die uns Lebensmittel verweigern, alle, die eine Machete gegen uns erheben - sie alle werden wir töten. Das ist die Nachricht. Sie ist auf einfachem Lingala verfasst, das die Rebellen nicht sprechen. Einige entführte Kongolesen haben wohl beim Übersetzen geholfen."
Die größte Gefahr für die Menschen, so die aktuelle Situation, scheint inzwischen gar nicht so sehr die LRA selbst zu sein sondern der Hunger, der sich in Flüchtlingslagern wie Gangala Na Bodio breitmacht. Das UN-Flüchtlingshilfswerk liefert zwar Lebensmittel, doch die reichen nur bedingt. Dass amerikanische Soldaten geschickt wurden, um die LRA-Kommandeure zu jagen, wissen die Menschen noch nicht einmal. Auch von dem inzwischen weltweit bekannten Internet-Video der amerikanischen Menschenrechtsorganisation "Invisible Children" über den LRA-Chef Joseph Kony haben die Menschen noch nichts gehört. Denn es gibt hier weder Strom, geschweige denn Internet in den Dschungeldörfern. Doch die UNO fürchtet bereits, dass die LRA auf diese neue Situation reagieren und sich rächen könnte. Selbst neue Massaker der LRA-Kämpfer seien dann nicht auszuschließen.