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Die Anti-Pieks-Nadel

Medizin. - Kommt der Arzt mit der Spritze, wird manchem Patienten ganz anders. Doch das soll zukünftig kein Grund mehr sein, etwa Impfungen zu scheuen, denn US-Forscher entwickeln sogenannte Mikronadeln, die man kaum mehr spürt, so die Entwickler.

Von Frank Grotelüschen |
    Die wenigstens mögen es, beim Arzt eine Spritze verpasst zu bekommen. Und für manche ist das nicht nur lästig – es ist schlicht die Hölle. Ein Erfahrungsbericht aus dem Internet:

    Über mehr als zwei Wochen trat ich täglich beim Arzt an und ließ mir eine Kanüle in den Arm oder die Hand stecken. Ich saß also mit geweiteten Augen, rasendem Puls und stockendem Atem beim Arzt und versuchte krampfhaft, nicht hinzusehen. Am Ende der Behandlung war ich kurz davor, mich lieber aus dem Praxisfenster zu werfen, als die nächste Nadel in mich hineinstecken zu lassen.

    "Das ist ein medizinisches Leiden, wir nennen es Nadelphobie. Manche Leute haben eine so große Angst vor Spritzen, dass sie lieber überhaupt nicht zum Arzt gehen."

    Diesen "Nadelphobikern" will Mark Prausnitz nun zur Hilfe kommen. Prausnitz ist Forscher am Georgia Institute of Technology in Atlanta. Er arbeitet an Nadeln, die beim Pieksen nicht mehr pieksen.

    "Unsere Haut bildet eine sehr gute Barriere gegen das Eindringen von Stoffen. Aus diesem Grund müssen wir ja überhaupt Spritzen benutzen, um einen Wirkstoff in den Körper zu bekommen. Es hat sich aber gezeigt, dass die Hautschicht, die die Wirkstoffe am Eindringen hindert, mikroskopisch dünn ist – dünner noch als ein menschliches Haar."

    Also, dachten sich die Forscher, müssten doch auch mikroskopisch kleine Nadeln reichen, um zum Beispiel einen Impfstoff in den Körper zu injizieren. Und diese Mikronadeln wären dann gleich aus zwei Gründen schmerzfrei.

    "Die Nadeln sind so fein und kurz, dass sie die Schmerzrezeptoren in der Haut kaum treffen. Der andere Grund hat damit zu tun, dass man diese Nadeln nicht sehen kann, eben weil sie so klein sind. Ein Teil des Schmerzempfindens kommt nämlich gar nicht durch den physischen Schmerz, sondern davon, dass man die Nadel beim Pieksen so deutlich vor sich sieht."

    Wie aber sehen diese famosen Mikronadeln aus? Nun, da gibt es verschiedene Varianten, sagt Mark Prausnitz. Zum einen sehr feine Röhrchen aus Metall. Sie ähneln einer gewöhnliche Spritze, nur viel kleiner und hängen zum Beispiel an einer speziellen Impfpistole. Noch winzigere Nadeln lassen sich herstellen, wenn man eine haarfeine Metallspitze von außen mit dem Wirkstoff beschichtet. Beim Pieksen kommt diese Nadel dann mit Körperflüssigkeit in Kontakt. Dabei löst sich der Wirkstoff auf und kann vom Körper aufgenommen werden.

    "Weitere Materialien, mit denen wir experimentieren, sind Kunststoffe – und zwar wasserlösliche und körperverträgliche Kunststoffe. Wenn wir so eine Nadel in die Haut stechen, löst sich die komplette Nadel auf und gibt den Wirkstoff frei."

    Prausnitz denkt an ein Pflaster, das gespickt ist mit diesen löslichen Mikronadeln. Nach ein paar Minuten auf der Haut könnte man es wieder abziehen und der Wirkstoff wäre im Blut. Die erste Mikrospritze soll schon 2009 auf den Markt kommen, und zwar für die Grippeimpfung. Sie basiert auf einer metallischen Hohlnadel. Mikronadeln mit Wirkstoff-Mantel werden bereits in klinische Studien getestet, für die Verabreichung eines Osteoporose-Medikaments. Werden Mikronadeln die herkömmlichen Spritzen also eines Tages komplett verdrängen? Nein, meint Mark Prausnitz, denn:

    "Die Mikronadeln eignen sich vor allem für die Injektion geringer Wirkstoff-Mengen, für Impfstoffe zum Beispiel. Schwieriger wird’s, wenn man größere Mengen injizieren will oder einen Wirkstoff sehr schnell verabreichen muss, etwa in der Notaufnahme einer Klinik. Dafür dürften die Mikronadeln wohl kaum taugen."

    Ähnliches gilt fürs Blutabnehmen oder die Blutspende. Denn hier muss soviel Flüssigkeit durch die Kanüle laufen, dass wir wohl auch künftig mit dem Pieks beim Pieksen leben müssen.