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"Die Aufgabe des Wehrbeauftragten ist, den Finger in die Wunde zu legen"

Der Bericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus moniert eine zunehmende Belastung der Bundeswehrsoldaten. Man könne von etwa 7000 Spezialisten im Einsatz nicht generell darauf rückschließen, dass alle Soldaten überlastet seien, sagt der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck.

Ernst-Reinhard Beck im Gespräch mit Doris Simon |
    Dirk-Oliver Heckmann: Tief verunsichert, überlastet, miese Stimmung, das alles Folge der vielen Auslandseinsätze und der Bundeswehrreform, die tiefe Einschnitte für die Truppe bedeutet. Zu diesem Ergebnis kam der Wehrbeauftragte des Bundestages, Königshaus, der gestern seinen Jahresbericht vorlegte. Was aber folgt daraus? – Meine Kollegin Doris Simon hat mit Ernst-Reinhard Beck gesprochen, er ist verteidigungspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, und sie hat ihn gefragt, ob wir uns so viel Unzufriedenheit und fundierte Kritik leisten können. Schließlich haben wir nun eine Freiwilligenarmee, müssen also junge Menschen erst mal für den Dienst in der Bundeswehr gewinnen.

    Ernst-Reinhard Beck: Die Aufgabe des Wehrbeauftragten ist, den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen, da sind Verbesserungen notwendig, da sind Dinge schlecht, da gibt es also Verbesserungsbedarf. Aber man darf wie beim Apfel nicht nur auf den Wurm gucken, sondern soll auch darauf schauen, dass natürlich viele Soldatinnen und Soldaten, Beamte der Bundeswehr treu und brav ihren Dienst machen, weder überfordert sind, noch schlecht versorgt sind. Und er sagt ja auch an einigen Stellen durchaus, dass da nun die Bundeswehr drauf reagiert.

    Doris Simon: Die Tendenz allerdings ist bei dem, was Sie gerade eingeworfen haben, trotzdem, dass die Überlastung, jedenfalls aus Sicht ganz vieler Soldaten, deutlich zugenommen hat.

    Beck: Das kann sicher für eine bestimmte Gruppe stimmen, und da hat der Wehrbeauftragte auch entsprechende Beschwerden bekommen. Er ist am Puls der Truppe, das ist gar keine Frage. Aber es kann natürlich nicht generell gelten. Es gilt zum Beispiel für bestimmte Spezialisten, die im Einsatz immer wieder nicht mit den 20 Monaten Ruhezeit, sondern immer wieder gebraucht werden. Das sind Spezialisten etwa der Kampfmittelräumung, wo wir wahrscheinlich etwas zu wenig haben. Da können wir vielleicht nachsteuern, dass also auch da nun praktisch diese sogenannte Mangel-ATN besser ausgestattet ist. Oder etwa die Feldjäger, die man überall braucht, die überall im Einsatz sind. Aber man kann natürlich bei etwa 7000 Soldaten Maximum im Einsatz nicht darauf rückschließen, dass alle 175.000 – die Bundeswehr hat ja da nun eine wesentlich höhere Anzahl von Soldaten -, dass die alle überfordert sind. Also man muss hier schon sehr differenziert betrachten. Allerdings wo permanente Überforderung da ist, sehe ich auch Handlungsbedarf.

    Simon: Der Bericht erwähnt ja auch überdurchschnittlich hohe Trennungs- und Scheidungsraten. Das ist natürlich ein Dauerthema bei der Bundeswehr, scheint aber, wenn man den Bericht liest, doch nicht besser geworden zu sein, sondern eher schlechter über die letzten Jahre. Sorgen, die sich viele Soldaten auch machen wegen der geplanten Einsparungen und Standortschließungen. Kann es denn da so bleiben, wie es geplant ist, wenn das solche, sage ich mal, Kollateralschäden mit sich bringt?

    Beck: Zunächst mal vielleicht zu den Schwierigkeiten der Umsetzung einer Neuausrichtung der Streitkräfte. Dies ist für den einzelnen natürlich oft verbunden mit Unsicherheit in seiner eigenen Lebensplanung, wann hat man eine entsprechende Perspektive, wann muss man umziehen, wie ist das mit den Kindern, wie ist die Auswahl der weiterführenden Schule. Und dann natürlich: Wir sind ja eine Armee von Pendlern in der Bundeswehr geworden, die natürlich am Wochenende über große Strecken das bundesdeutsche Straßennetz benutzen.

    Simon: Zwei Drittel aller Soldaten sind das nach diesem Bericht.

    Beck: Richtig. Früher ist man an sich auch häufiger umgezogen, allerdings auch mit Nachteilen, wo es dann hieß, Vater versetzt, Kind sitzen geblieben bei unserem bundesdeutschen Föderalismus. Das ist schon eine Belastung und natürlich kommt hinzu die große Belastung, die durch die Auslandseinsätze da sind. Wenn da nun praktisch die Familie häufiger den Vater oder auch, muss man sagen, manchmal die Mutter vermisst bei Feiertagen, bei entsprechenden Familienfesten, dann ist dies schon eine große Belastung und es ist ja auch häufig so, dass junge Ehen diese Belastung dann nicht aushalten. Das ist etwas, was einem schon sehr zu denken geben muss. Ich sehe aber im Augenblick auch keine unmittelbare Abhilfe. Wir haben es vielleicht mit einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen auch zu tun, dass das nun eine Gruppe von Einsatzsoldaten in besonderer Weise betrifft, aber mich macht das, sage ich auch ganz offen, diese hohe Zahl von Scheidungen, von Trennungen, das macht mich da schon sehr, sehr nachdenklich.

    Simon: Der Wehrbeauftragte geht ja in seinem Bericht darauf ein und sagt, es müsste sehr viel mehr Unterstützung kommen von der Bundeswehr für die Angehörigen. Sehen Sie die Möglichkeit – Sie sitzen ja im zuständigen Ausschuss im Bundestag -, dafür mehr Mittel freizumachen?

    Beck: Ich glaube, dass wir da in der Tat nachdenken müssen, dass die vorhandenen Einrichtungen, die wir ja haben in der Familienbetreuung, dass wir da nun praktisch uns auch viel, viel stärker noch engagieren. Denn die Bundeswehr konkurriert jetzt natürlich als Arbeitgeber nach Ende der Wehrpflicht mit zivilen Arbeitgebern, und da ist etwa für die Berufswahl durchaus entscheidend, was wird für die Familie, was wird für die Kinder angeboten.

    Heckmann: Was folgt aus der Kritik des Wehrbeauftragten Königshaus? Meine Kollegin Doris Simon hat gesprochen mit Ernst-Reinhard Beck von der CDU.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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