Wie jeden Tag steigt Majella Lenzen in ihren kleinen blauen Polo, knallt schwungvoll die Tür zu und fährt zum Einkaufen. Dass sie Anfang 70 ist, sieht man der hochgewachsenen schlanken Frau mit dem braunen Kurzhaarschnitt nicht an. Seit ihrer Rückkehr aus Afrika lebt sie in Düren - einer Kleinstadt westlich von Köln. Vorsichtig achtet Majella Lenzen an jeder Kreuzung auf die Vorfahrtsregeln. "Wir sind ja nicht in Afrika", sagt sie lachend. Und ein Polo ist kein Range Rover, mit dem Schwester Maria Lauda, wie Majella Lenzen in ihrem alten Leben hieß, kreuz und quer zu den Kranken in tansanischen Dörfern fuhr.
Im Jahr 1953 entschließt sich Majella Lenzen im Alter von 14 Jahren, dem Beispiel ihrer Patentante zu folgen und Missionsschwester zu werden. Sie schließt sich dem Orden der "Schwestern vom Kostbaren Blut" an.
"Das war tatsächlich mein Traum, mein Wunsch. Zum einen sind wir sehr religiös erzogen worden, und aus der religiösen Sicht meiner Eltern hatte Gott praktisch das Recht, von uns Opfer zu verlangen. Und da mein Vater auch einmal Missionar hatte werden wollen, war das für mich praktisch ein Wunsch, und dann konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass ich in die Mission gehe, um Gutes zu tun, nicht um zu predigen, sondern für andere da zu sein."
Im Dezember 1959 verabschiedet sie sich von ihren Eltern, fliegt in die kenianische Hauptstadt Nairobi und lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Die Bedingungen sind hart: acht Jahre keinen Heimaturlaub, noch nicht mal zu Weihnachten, kein Gehalt, nur Kost und Logis. Ein paar Jahre später überträgt ihr der Orden die Leitung eines Busch-Krankenhauses in Tansania.
Anfang der 80er-Jahre wird die Ordensfrau zur Provinzoberin befördert. Sie gerät jedoch in Konflikt mit ihren Vorgesetzten und wird strafversetzt. In einer von HIV stark betroffenen Krisenregion von Tansania soll sie die Aids-Arbeit der Kirche koordinieren. Eindringlich beschreibt die Autorin in ihrem Buch das Dahinsiechen der Menschen, die keinen Zugang zu Medikamenten hatten. Eine befreundete Ärztin bittet sie schließlich, ihr bei einem Selbsthilfeprojekt für Prostituierte zu helfen und Kondome in das Rotlichtviertel von Morogoro zu transportieren. Während die Ärztin über Aids aufklärt und Kondome verteilt, leistet Majella Lenzen bereits erkrankten Frauen geistlichen Beistand.
"Es war für mich sehr bewegend, wenn die Frauen auch noch dankbar waren, dass ich einfach da war, selbst wenn ich gar nicht viel sagen konnte, dass ich ihre Hand hielt, dass sie in mir die Person sahen, die praktisch Vertreter Gottes war, jetzt kommt mir das in den Sinn, wenn unser Papst sich als Stellvertreter Christi sieht, dann sind wir als Nonnen ja auch Stellvertreter Christi. Das finde ich schön, und das ist real. Das ist keine theologische Realität, sondern so sehen die Menschen uns."
"Das möge Gott verhüten" liest sich wie eine Anklageschrift. Und so schildert die Autorin auch im direkten Gespräch, wie ein Bischof öffentlich Kondome verbrennt - spätestens da ist für sie klar: Die Kirche trägt eine Mitschuld an der Ausbreitung von Aids.
"Ich hätte in meinem Büro nie Kondome aufbewahren dürfen, aber ich habe immer dagegen gekämpft gegen dieses Verbot, weil ich es einfach nicht verstehen kann. Und wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, hätte ich auch selbst die Kondome verteilt."
Beim Besuch eines kirchlichen Aids-Kongresses applaudiert Schwester Lauda einem Priester, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt und zugibt, dass er Aids hat - dann bekommt der zuständige Bischof auch noch Wind davon, dass sie in ihrem Auto Kondome transportiert hat. Kurz und bündig teilt ihr daraufhin die Generaloberin mit, man habe keine Verwendung mehr für sie. Für Majella Lenzen bricht eine Welt zusammen, sie flieht nach Deutschland zu ihrer Mutter.
"Als ich dann einmal zu Hause war, wurde mir erst allmählich klar, was passiert war. Dann hörte ich auch noch von einem Geistlichen, dass diese Kondomsache nach Rom gedrungen war und dass ein Prälat, der damals unter Kardinal Ratzinger Ostafrika zu bearbeiten hatte, meinte: Warum hat Schwester Lauda auch Kondome verteilt? Darum mussten wir sie köpfen."
Finanziell steht Majella Lenzen vor dem Abgrund - die Kirche hatte sie nur zu einem Mindestsatz rentenversichert. Nach 33 Jahren Missionsarbeit in Afrika mit Mitte 50 eine Stelle zu finden, erweist sich als unmöglich. Ihre Mutter hilft ihr aus dem Gröbsten heraus, eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichert ihr seit einigen Jahren ein bescheidenes Auskommen. Zornig wirkt sie nicht, und auch ihre Entscheidung, ihr Leben der Kirche gewidmet zu haben, bereut sie nicht.
"Man sollte eigentlich spüren, dass ich noch sehr viel Heimweh habe, nach dem, was mir die Gemeinschaft auch bedeutet hat, aber ich bin auch ehrlich, denn ich spreche von dem, was ich erlebt habe, wie ich es wahrgenommen habe und weiß, dass sehr viele sich gar nicht trauen, das auszusprechen."
Über ihrem Bett hängt ein Bild vom Kilimandscharo - ein wenig Sehnsucht nach Afrika hat sie noch immer. Doch viel Zeit für Nostalgie bleibt ihr nicht - ständig kommen neue Anfragen für Lesungen aus ihrem Buch. Dabei schreibt sie schon an einer neuen Geschichte. Den Titel will sie noch nicht verraten, nur so viel: Es soll ein Ratgeber für Menschen werden, die einen schweren Schlag im Leben zu meistern haben.
Im Jahr 1953 entschließt sich Majella Lenzen im Alter von 14 Jahren, dem Beispiel ihrer Patentante zu folgen und Missionsschwester zu werden. Sie schließt sich dem Orden der "Schwestern vom Kostbaren Blut" an.
"Das war tatsächlich mein Traum, mein Wunsch. Zum einen sind wir sehr religiös erzogen worden, und aus der religiösen Sicht meiner Eltern hatte Gott praktisch das Recht, von uns Opfer zu verlangen. Und da mein Vater auch einmal Missionar hatte werden wollen, war das für mich praktisch ein Wunsch, und dann konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass ich in die Mission gehe, um Gutes zu tun, nicht um zu predigen, sondern für andere da zu sein."
Im Dezember 1959 verabschiedet sie sich von ihren Eltern, fliegt in die kenianische Hauptstadt Nairobi und lässt sich zur Krankenschwester ausbilden. Die Bedingungen sind hart: acht Jahre keinen Heimaturlaub, noch nicht mal zu Weihnachten, kein Gehalt, nur Kost und Logis. Ein paar Jahre später überträgt ihr der Orden die Leitung eines Busch-Krankenhauses in Tansania.
Anfang der 80er-Jahre wird die Ordensfrau zur Provinzoberin befördert. Sie gerät jedoch in Konflikt mit ihren Vorgesetzten und wird strafversetzt. In einer von HIV stark betroffenen Krisenregion von Tansania soll sie die Aids-Arbeit der Kirche koordinieren. Eindringlich beschreibt die Autorin in ihrem Buch das Dahinsiechen der Menschen, die keinen Zugang zu Medikamenten hatten. Eine befreundete Ärztin bittet sie schließlich, ihr bei einem Selbsthilfeprojekt für Prostituierte zu helfen und Kondome in das Rotlichtviertel von Morogoro zu transportieren. Während die Ärztin über Aids aufklärt und Kondome verteilt, leistet Majella Lenzen bereits erkrankten Frauen geistlichen Beistand.
"Es war für mich sehr bewegend, wenn die Frauen auch noch dankbar waren, dass ich einfach da war, selbst wenn ich gar nicht viel sagen konnte, dass ich ihre Hand hielt, dass sie in mir die Person sahen, die praktisch Vertreter Gottes war, jetzt kommt mir das in den Sinn, wenn unser Papst sich als Stellvertreter Christi sieht, dann sind wir als Nonnen ja auch Stellvertreter Christi. Das finde ich schön, und das ist real. Das ist keine theologische Realität, sondern so sehen die Menschen uns."
"Das möge Gott verhüten" liest sich wie eine Anklageschrift. Und so schildert die Autorin auch im direkten Gespräch, wie ein Bischof öffentlich Kondome verbrennt - spätestens da ist für sie klar: Die Kirche trägt eine Mitschuld an der Ausbreitung von Aids.
"Ich hätte in meinem Büro nie Kondome aufbewahren dürfen, aber ich habe immer dagegen gekämpft gegen dieses Verbot, weil ich es einfach nicht verstehen kann. Und wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, hätte ich auch selbst die Kondome verteilt."
Beim Besuch eines kirchlichen Aids-Kongresses applaudiert Schwester Lauda einem Priester, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt und zugibt, dass er Aids hat - dann bekommt der zuständige Bischof auch noch Wind davon, dass sie in ihrem Auto Kondome transportiert hat. Kurz und bündig teilt ihr daraufhin die Generaloberin mit, man habe keine Verwendung mehr für sie. Für Majella Lenzen bricht eine Welt zusammen, sie flieht nach Deutschland zu ihrer Mutter.
"Als ich dann einmal zu Hause war, wurde mir erst allmählich klar, was passiert war. Dann hörte ich auch noch von einem Geistlichen, dass diese Kondomsache nach Rom gedrungen war und dass ein Prälat, der damals unter Kardinal Ratzinger Ostafrika zu bearbeiten hatte, meinte: Warum hat Schwester Lauda auch Kondome verteilt? Darum mussten wir sie köpfen."
Finanziell steht Majella Lenzen vor dem Abgrund - die Kirche hatte sie nur zu einem Mindestsatz rentenversichert. Nach 33 Jahren Missionsarbeit in Afrika mit Mitte 50 eine Stelle zu finden, erweist sich als unmöglich. Ihre Mutter hilft ihr aus dem Gröbsten heraus, eine Berufsunfähigkeitsversicherung sichert ihr seit einigen Jahren ein bescheidenes Auskommen. Zornig wirkt sie nicht, und auch ihre Entscheidung, ihr Leben der Kirche gewidmet zu haben, bereut sie nicht.
"Man sollte eigentlich spüren, dass ich noch sehr viel Heimweh habe, nach dem, was mir die Gemeinschaft auch bedeutet hat, aber ich bin auch ehrlich, denn ich spreche von dem, was ich erlebt habe, wie ich es wahrgenommen habe und weiß, dass sehr viele sich gar nicht trauen, das auszusprechen."
Über ihrem Bett hängt ein Bild vom Kilimandscharo - ein wenig Sehnsucht nach Afrika hat sie noch immer. Doch viel Zeit für Nostalgie bleibt ihr nicht - ständig kommen neue Anfragen für Lesungen aus ihrem Buch. Dabei schreibt sie schon an einer neuen Geschichte. Den Titel will sie noch nicht verraten, nur so viel: Es soll ein Ratgeber für Menschen werden, die einen schweren Schlag im Leben zu meistern haben.